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Umweltpolitik wird immer mehr zu einer Gerechtigkeitspolitik

Um die Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken sind nach Ansicht des Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), Anstrengungen aller notwendig. Höhere Kosten etwa für Mieter und Stromkunden seien nicht auszuschließen, allerdings werde sich die Regierung um eine gerechte Verteilung der Lasten bemühen.

Moderation: Silvia Engels | 05.12.2007
    Silvia Engels: Die Bundesregierung stellt heute eines der Projekte vor, das Bundeskanzlerin Angela Merkel besonders am Herzen liegt. Das Kabinett will Maßnahmen verabschieden, die im Rahmen eines ganzen Gesetzespaketes dazu beitragen sollen, den Ausstoß von Kohlendioxid deutlich zu senken. Ziel ist es, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. - Am Telefon ist nun der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium Michael Müller. Guten Morgen!

    Michael Müller: Guten Morgen.

    Engels: Wer soll denn den Großteil der CO2-Einsparung erbringen? Es bleibt doch letztlich wahrscheinlich doch wieder beim Einzelverbraucher, oder?

    Müller: Nein, nein. Es geht schon um eine Gemeinschaftsanstrengung und wir werden auch das Klimaproblem nur lösen können, wenn wir in der Tat zu einer solidarischen Gemeinschaftsanstrengung kommen. National wie international verschiebt sich die Umweltpolitik immer mehr zu einer Gerechtigkeitspolitik und wenn wir dem nicht Rechnung tragen, werden wir auch keinen Erfolg haben. Aber es ist natürlich so, dass jeder einzelne auch gefordert ist.

    Engels: Schauen wir doch zuerst auf die Industrie. Welche Auflagen sind denn speziell für die Stromproduzenten vorgesehen?

    Müller: Zum einen wird bei den Stromproduzenten ganz hart reinschlagen der Emissionshandel. Wir werden dort sozusagen einen harten Deckel drauflegen, der etwa 30 Prozent ausmachen wird. Hinzu kommt Energiemanagement. Hinzu kommt, dass wir über viele Formen nachdenken, wie wir insbesondere die Modernisierung der Energieerzeugungsstrukturen hinbekommen, insbesondere durch den Ausbau der Kraftwärmekopplung. Das ist schon ein erheblicher Einschnitt.

    Engels: Kraftwärmekopplung, das sind also Kraftwerke, die neben Strom auch Wärme produzieren. So soll der Effizienzgrad der Energieproduktion erhöht werden. Aber da soll ja auch wieder Förderung fließen: jährlich 750 Millionen Euro. Das geht also auch direkt an die Stromproduzenten?

    Müller: Das geht vor allem an die, die es machen und das ist auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite. Wir müssen ja eine Infrastruktur schaffen. Wir können ja nicht einfach nur sagen, wir machen jetzt eine Verdoppelung der Kraftwärmekopplung, wenn wir nicht gleichzeitig entsprechende Infrastrukturen schaffen. Das ist eine ganz wichtige Herausforderung, wie wir beispielsweise schon in den 70er Jahren beim Aufbau der Fernwärme gesehen haben. Also es ist nicht nur eine Frage, die alleine an die Kraftwerke geht.

    Engels: Förderung ist das eine. Von den Auflagen, die auch für die Energieerzeuger kommen sollen, haben Sie gesprochen. Aber deren Reaktion ist doch schon vorhersehbar: Sie werden die Preise erhöhen. Am Ende zahlt doch wieder der Endverbraucher.

    Müller: Das ist leider in jeder Wirtschaft so, aber trotzdem werden wir alles tun, um über beispielsweise die Regulierungsbehörde, aber auch möglicherweise über andere Auflagen oder auch über Anreize und Finanzierungsformen bis hin zu solchen Möglichkeiten, dass wir die KFW-Programme, also die Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbereitung, nutzen, die Belastung so gering wie möglich zu halten. Man muss einfach sehen: Wir sind generell in einer Situation, wo Energie- und Rohstoffpreise drastisch zunehmen. Wir haben alleine zwischen 2000 und 2005 eine Steigerung von 81 Prozent in dem Bereich im Schnitt gehabt. Und jeder, der jetzt ein bisschen über den Tag hinauskommt, wird sagen wir müssen in Effizienz setzen, weil das die einzige Voraussetzung ist, um künftig auch noch preisgünstig Energie und Ressourcen, Rohstoffe anbieten zu können.

    Engels: Kommen wir auf einen anderen Aspekt zu sprechen. Es geht um die Hausbesitzer. Sie sollen, sie müssen bei ihren Häusern künftig Energie sparen. Wie bleibt ihnen aber freigestellt?

    Müller: Da denken wir über verschiedenste Formen nach. Wir sind da auch in intensivsten Verhandlungen beispielsweise mit dem Verband der Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, aber auch mit anderen, auch natürlich mit den Mieterverbänden. Wir haben da schon sehr konkrete Vorschläge, aber diese Ideen sind nicht so einfach umzusetzen. Da sind wir ja auch nicht alleine als Ministerium. Da gibt es verschiedenste Kräfte, die dort mitspielen. Aber es ist unbestritten: Der Wärmesektor macht ungefähr 40 Prozent der CO2-Belastungen aus. Hier müssen wir mindestens mittelfristig zu einer Halbierung kommen.

    Engels: Eigentlich wollte ja die SPD, dass auch die Besitzer von Altbauten zur Nutzung von Ökowärme verpflichtet werden sollen, aber das ist nun vom Tisch.

    Müller: Wir versuchen das jetzt über andere Wege zu debattieren. Das geht bis dahin, dass man bestimmte Vereinbarungen mit den Beteiligten findet. Wir haben jetzt ein Programm auf den Weg gebracht; das bringt etwa 33 bis 35 Prozent CO2-Reduktion. Wir müssen da auch noch ein bisschen drauflegen. Das heißt mit den heutigen Beschlüssen ist der Klimaschutz noch nicht erledigt, aber wir haben einen richtigen Schritt und einen wichtigen Schritt vorangebracht. Jetzt müssen wir gucken, ob wir da nicht auch noch weitere Maßnahmen beispielsweise im Gebäudebereich finden.

    Engels: Der Haus- und Grundbesitzerverein pocht zum Beispiel darauf, dass solche Klimaschutzmaßnahmen für Hausbesitzer auch teilweise auf die Miete umgelegt werden sollten. Bislang scheitert das häufig an der Rechtsprechung. Müssen da auch die Gerichte umdenken?

    Müller: Wir müssen insgesamt ans Mieterrecht heran, aber in einer Weise, dass das nicht alles zu Lasten des Mieters geht. Aber es ist eben ein zentraler Bereich und alle müssen da ein bisschen umdenken. Wir müssen vor allem den Widerspruch überwinden, dass alle über den Klimaschutz reden, aber wenn es ernst wird, dann doch jeder nur sich selbst sieht. Also die Philosophie, jeder denkt an sich bis zuletzt, ist beim Klimaschutz nicht machbar. Wir brauchen da mehr Solidarstruktur. Deshalb habe ich ja auch gesagt, es muss zu einem Gerechtigkeitsthema werden.

    Engels: Kommen wir noch auf den Stichpunkt Anteil der erneuerbaren Energien zu sprechen. Sie haben es eben angesprochen, Herr Müller. Die fossilen Energien sind sehr viel teuerer geworden in letzter Zeit. Das hört wohl nicht auf. Der Anteil der erneuerbaren soll auf 25 bis 30 Prozent wachsen. Das soll weiterhin subventioniert werden, auch wenn umgeschichtet wird. Brauchen die die Unterstützung überhaupt noch?

    Müller: In einigen Bereichen auf jeden Fall und wir haben ja überall ein degressives System. Unser Erfolgsmodell beim erneuerbaren Strom ist einzigartig. Wir haben angefangen im Jahre 2000 mit sechs Prozent. Wir sind jetzt bei etwas über 14 Prozent und werden wahrscheinlich im Jahre 2030 bei 30 Prozent sein. Das ist weltweit eine Erfolgsstory, die sich beispielsweise auch darin auszeichnet, dass in der Zwischenzeit 48 Staaten der Erde mit entsprechenden Aufträgen auch an die deutsche Wirtschaft diesen Weg nachgehen. Aber er wird nur funktionieren, wenn jetzt kein Fadenriss kommt. Deshalb muss das System mittelfristig berechenbar weitergeführt werden, nicht im Sinne einer Dauersubventionierung, aber nach allen Untersuchungen kommen wir zu dem Ergebnis, dass in wenigen Jahrzehnten die meisten erneuerbaren Energieformen billiger sind als die heutigen traditionellen.

    Engels: Auch die Autofahrer werden getroffen. Ab 2009 soll die Kfz-Steuer nach Schadstoff- und CO2-Bilanz entrichtet werden. Dazu soll die Beimischung von Bio-Ethanol in Diesel erhöht werden. Wird Diesel dann noch teuerer?

    Müller: Das kann ich so nicht sagen, weil wir haben hier ja auch mit einer sehr monopolartigen Struktur zu tun. Insgesamt ist aber der Weg weg vom Öl richtig, wenn er auch natürlich nie von heute auf morgen zu erreichen ist. Aber es geht vor allem darum, dass man sehen muss, dass bei dem gewaltigen Anstieg von Ölpreisen - - Man darf ja nicht vergessen: Wir haben im Jahre 2000 noch offizielle Prognosen gehabt, beispielsweise vom Wirtschaftsministerium, dass der Preis nie über 35 Dollar kommen würde, und heute sind wir bei 100. Wir müssen alles tun, die Effizienz dort enorm zu steigern, um gleichzeitig auch Alternativen zu bringen. Das ist nicht nur aus Klimaschutzgründen wichtig, sondern das ist eine wesentliche Voraussetzung zur Erhaltung einer sozial- und umweltverträglichen Mobilität.

    Engels: Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Er gehört der SPD an. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Müller: Bitte schön!