Donnerstag, 28. März 2024

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Umweltpsychologie
"Zeigen wie viel Spaß es macht, sich für Umweltschutz zu engagieren"

Kampagnen von Umweltorganisationen blieben häufig bei der Informationsvermittlung stehen, sagte die Umweltpsychologin Karen Hamann im Dlf. Wichtig sei darüber hinaus, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ohne die Menschen zu überfordern.

Karen Hamann im Gespräch mit Stefan Römermann | 11.10.2017
    Ein Ballon mit der Aufschrift "PLANET EARTH FIRST" hängt vor dem Hamburger Rathaus.
    Menschen müssten im Kollektiv angesprochen werden und das Gefühl haben, etwas bewirken zu können. (AFP/John MACDOUGALL)
    Stefan Römermann: Eigentlich wissen wir es ja alle: Zu viel Auto fahren ist schlecht für die Umwelt, Strom sparen wäre gut fürs Klima, Müll trennen spart wertvolle Ressourcen und weniger Fleisch essen ist grundsätzlich auch eine ganz gute Idee. Nur im Alltag sind wir Menschen beim Umweltschutz dann nicht wirklich konsequent. Woran das liegen kann, das ist eine der Fragen, mit denen sich Umweltpsychologen beschäftigen.
    Die Initiative für Psychologie im Umweltschutz hat dazu jetzt ein kostenloses Handbuch veröffentlicht. Eine der Autoren ist Karen Hamann. Mit ihr bin ich jetzt per Telefon verbunden. Frau Hamann, ich habe es gerade schon mal kurz erzählt. Der Geist ist oft willig in Sachen Umweltschutz. Wir wissen genau, was wir tun sollen, und tun dann doch das andere. An welchen Punkten scheitern Sie denn vielleicht manchmal im Alltag? Oder haben Sie da als Umweltpsychologin Tricks, um den inneren Schweinehund zu überlisten?
    Karen Hamann: Das ist eine sehr spannende Frage. In meinem persönlichen Alltag würde ich sagen, scheitere ich häufiger mal an dem Gefühl, vielleicht selbst nichts bewirken zu können, als kleine Person, als kleines Individuum nicht die nötigen Schritte gehen zu können. Aber meistens lohnt es sich, da den Blick zu weiten und zu sehen, dass es ein Kollektiv gibt und sich auch als Kollektiv zu organisieren und dort wirksam zu fühlen, und auch ein bisschen den Fokus von den negativen Emotionen, die damit verbunden sind, wegzurichten und zu positiven Emotionen zu lenken, zu dem, was eigentlich auch Spaß macht an der ganzen Sache, also vielleicht noch weitere Motivationen, die damit verknüpft sind, in den Fokus zu rücken.
    Fokussierung auf Lebensstilwandel
    Römermann: Eine Zielgruppe von Ihnen als Umweltpsychologin ist, tatsächlich auch die Umweltorganisationen zu motivieren. Was sind typische Fehler, die in diesen Organisationen immer wieder passieren, dass da vielleicht manchmal auch die Luft raus ist?
    Hamann: Es ist häufig so, dass in den Kampagnen, die geplant werden, meistens bei der Informationsvermittlung stehen geblieben wird, häufig über das Problem aufgeklärt wird, aber nicht darüber hinausgegangen wird, nicht unbedingt gezeigt wird, wie man denn handeln kann, wie man auch gemeinsam handeln kann, was es auch für Vorteile gibt und wieviel Spaß es macht, sich für den Umweltschutz zu engagieren. Das, würde ich sagen, ist eines der größten Probleme, das sich natürlich auch innerhalb der Organisationen und in den Gruppen dann auswirkt, wenn man merkt, dass beispielsweise wenige Leute zu den eigenen Veranstaltungen kommen, oder die Leute, die da waren …
    Römermann: Oder die Kampagne funktioniert nicht so richtig.
    Hamann: Genau. Dann ist das natürlich auch sehr, sehr demotivierend.
    Römermann: Wie setzen Sie da als Umweltpsychologin an?
    Hamann: Wir versuchen, die verschiedenen Motivationen darzustellen und immer im Blick zu behalten, auch welchen sozialen Einflüssen beispielsweise die Menschen unterliegen, was für Gewohnheiten sie haben und wie man gerade diese Gewohnheiten durchbrechen kann, wie man ihnen das Gefühl der Wirksamkeit vermitteln kann. Also wirklich alles, was über die Vermittlung des Problems hinausgeht, wird in der Umweltpsychologie auch häufig betrachtet.
    "Manchmal macht es Sinn, richtig zu schocken"
    Römermann: Kampagnen funktionieren ja häufig darüber, dass mit großen Schreckensbildern von toten Vögeln oder sonst was aufgeklärt wird. Da wird dann der erhobene Zeigefinger ausgepackt. Ist das im Zweifelsfall eine sinnvolle Strategie?
    Hamann: Ich würde sagen, dieser erhobene Zeigefinger ist zielgruppenspezifisch vielleicht angebracht. Wenn man eine Zielgruppe hat für diese Kampagne, die wirklich noch kein Vorwissen hat, dann macht es manchmal Sinn, die einmal richtig zu schocken und ihnen wirklich zu zeigen, wie die Realität aussieht. Aber ab dem Punkt, wo die Menschen über die Folgen des Plastikkonsums schon bescheid wissen, sollte man ihnen eher die Möglichkeiten aufzeigen, wie sie handeln können, und das in einer Art und Weise, die einem das Gefühl gibt, Kontrolle darüber zu haben, nicht nur eine Liste von 100 Dingen, die man dafür machen könnte, sondern wirklich greifbar die drei Dinge, die die größten Auswirkungen haben beispielsweise.
    Römermann: Positive Emotionen sind da tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt.
    Hamann: Genau. Positive Emotionen und ein Lösungsfokus, anstatt nur den Problemfokus zu haben.
    Römermann: Es klingt trotzdem ein bisschen, ich sage mal, nach Marketing und Werbepsychologie. Oder ist das was ganz anderes?
    Hamann: Ich würde sagen, die Werbepsychologie ist schon noch mal was anderes als die Umweltpsychologie. Zum Teil gibt es ähnliche Hintergründe, aber in der Werbepsychologie kommt es ja eher darauf an, sich zwischen Produkt A und Produkt B zu entscheiden und die Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu lenken, wo hingegen es in der Umweltpsychologie eher um einen größeren Lebensstilwandel geht und manchmal auch darum, einfach nicht zu konsumieren, und das ist beispielsweise in der Werbepsychologie gar nicht betrachtet.
    Römermann: Karen Hamann war das von der Initiative für Psychologie im Umweltschutz. Ich sage vielen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.