Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Umweltschutz in der Boutique
Leihkleider machen Leute

Wer sich an Karneval immer wieder anders kostümieren möchte, braucht nicht jedes Jahr Neues zu kaufen, sondern kann Verkleidungen ausleihen. Und was zur fünften Jahreszeit funktioniert, gibt es auch für Straßenkleidung – sogar im Monatsabo.

Von Maike Strietholt | 16.02.2015
    Die beiden Inhaberinnen Pola Fendel (l) und Thekla Wilkening in Hamburg in ihrer "Kleiderei".
    Die beiden Inhaberinnen Pola Fendel (l) und Thekla Wilkening in Hamburg in ihrer "Kleiderei". (dpa/Angelika Warmuth)
    Das Ladenlokal der "Kleiderei" ist im Hamburger Schanzenviertel in einem Hinterhof zu finden – ein 42 Quadratmeter großer Raum mit hohen Decken, an den Wänden Kleiderständer voller Hosen, Mäntel, Shirts. Dazwischen auf dem Fußboden stapeln sich Schuhe.
    Nora betritt den Laden, eine junge Frau mit braunem Pferdeschwanz. Sie ist gekommen, um ein kurzes weißes Kleid zurückzubringen, in dem sie kürzlich standesamtlich geheiratet hat.
    "Die Wahl ist dann auf so ein 20er-Look Kleid gefallen, und das kam super an, die waren alle ganz begeistert. Waren auch ganz erstaunt, dass ich mir das geliehen habe."
    Ein teures Kleid zu kaufen, um es ein einziges Mal anzuziehen, das sei doch Unsinn, sagt Nora, und Inhaberin Thekla Wilkening nickt zustimmend. Sie kennt dieses Argument. So wie Nora geht es den meisten ihrer Kundinnen: Sie genießen es, für monatlich 14 Euro vier Teile gleichzeitig ausleihen zu können und so stetig Neues im Schrank zu haben. Für Thekla, 27 Jahre alt, war bei der Idee zur Ladeneröffnung vor zwei Jahren allerdings noch ein anderer Aspekt wichtig: Umweltschutz.
    "Weil ich mich halt auch viel damit beschäftige: Wie kann man nachhaltig in der Mode sein, was die Herstellung angeht, was die Ressourcen angeht, was die Chemikalien angeht usw."
    Ziel: Leben können vom Verleihen
    Thekla studiert zur Zeit noch Bekleidung, Technik und Management. Wenn sie das Studium abgeschlossen hat, möchten sie und Partnerin Pola Fendel mit der Kleiderei ihr Auskommen verdienen. Ein Plan, der aufgehen könnte: Seitdem der Laden auch übers Internet verleiht und nun Klamottenbegeisterte aus ganz Deutschland hier bestellen können, kommen die beiden mit der Arbeit kaum mehr hinterher. Neben der Eingangstür warten gleich mehrere Päckchen mit Kleidung darauf, verschlossen zu werden – obenauf liegen handbeschriebene Zettel.
    "Keep it personal."
    ...erläutert Thekla. Ein persönlicher Kontakt zu den Kundinnen ist ihr wichtig. Auch bei den Internetbestellungen, die monatlich 34 Euro kosten, stellt sie auf Wunsch und nach Beantwortung eines kurzen Fragebogens einen typgerechten Überraschungs-Klamottenmix zusammen. Im Laden ist so etwas natürlich einfacher, zumal einige der Kundinnen schon seit der Eröffnung regelmäßig vorbeikommen. Seitdem der Laden immer bekannter wird, häufen sich auch die Kleiderspenden.
    "Also, ich habe hier gerade per Post ein Paket bekommen, die hat mir auch erzählt: 'Ja, ich hab so viele Klamotten, ich weiß nicht, wohin damit...' Und hier haben wir zum Beispiel so einen Strickpullover, mit Knöpfen und der so Glitzerfäden eingearbeitet hat – der wird auch, glaube ich, direkt ausgeliehen, sobald der hier ist. Und hier haben wir einen roten Blazer, der ist zwar von H&M, aber egal – Lebensdauer rausholen ..."
    Alles unbeschädigte Teile, die somit den Weg auf einen der Kleiderständer finden werden. Bis auf Jogginghosen und andere "absolute Freizeitklamotten" seien eigentlich fast alle Spenden willkommen, sagt Thekla, umso weniger müssen sie und ihre Partnerin Pola selbst auf Flohmärkten einkaufen. Stammkundin Nora hat sich unterdessen durch die Kleiderbügel gearbeitet und etwas Neues zum Mitnehmen gefunden:
    "Ich habe mich jetzt entschieden für einen Rock, so ein grauer Mini. Dann habe ich mir einen Cardigan ausgeliehen, in Blau aus Wolle, und noch einen Wollblazer. Und das vierte Teil – habe ich an: Eine Strickweste, die man über dem Pulli anziehen kann und damit aufpeppen."
    Sie strahlt. Nun fällt der Abschied von den zurückgegebenen Teilen nur noch halb so schwer. Seit eineinhalb Jahren geht Nora hier ein und aus, in normalen Klamottenläden ist sie seither nicht mehr so häufig.
    "Ich habe immer meine drei bis vier Kleiderei-Teile zu Hause – klar, Unterwäsche und Schuhe kaufe ich noch."