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Umweltverbände warnen vor einseitiger Energiewende

In Deutschland stehen die erneuerbaren Energien als Synonym für die viel beschworene Energiewende. Doch der BUND, der NABU und Deutscher Naturschutzring forderten heute, dass andere Bereiche nicht außer Acht gelassen werden - etwa die Gebäudesanierung und der Verkehr.

Von Philip Banse | 07.09.2012
    Philip Banse in Berlin, warum gerade heute?

    Die Bundesnetzagentur hatte gestern den Startschuss geben für mehr Bürgerbeteiligung bei der Planung des Hochspannungsnetzes in Deutschland, mit dem die Energiewende vorangebracht werden soll. Aber Anlass für den Auftritt von DNR und NABU heute dürfte das allgemeine Unbehagen mit der Debatte sein. Die beiden Umweltverbände und ein ihnen nahestehender Wissenschaftler haben sich bemüht, die Diskussion über die Energiewende in eine andere Richtung zu lenken. Alle Welt rede über erneuerbaren Strom, seine Kosten, seinen Transport, seine Förderung, sagte Hans-Jürgen Ziesing, ehemaliger Abteilungsleiter im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und heute Berater von Umweltverbänden:

    "Die Diskussion fokussiert sich zu sehr auf die erneuerbaren Energien und auf das EEG – was sicherlich diskutiert werden muss und über den Reformbedarf muss man nicht streiten. Aber das Fokussieren nur auf diesen Bereich lenkt davon ab, dass andere Bereiche da sind, in denen Handlungsbedarf beinahe noch dringlicher ist als in diesem Bereich."

    Ziesing meint die energetische Gebäudesanierung und den Verkehr. 40 Prozent der deutschen Klimagas-Emissionen werden durch Gebäude verursacht, sprich durch Heizen und Warmwasser. Die Bundesregierung fördert die energetische Gebäudesanierung zwar, das Geld reiche aber nicht aus, klagen die Umweltverbände. Auch für eine Energiewende im Verkehr liege kein Konzept vor, moniert der Verbände-Berater Ziesing

    "Da setzen wir viel auf Elektromobilität, aber neue Mobilitätskonzepte sind noch nicht richtig entwickelt. Wir haben noch keinen geeigneten Maßnahmen gefunden, um die Energieeffizienz im Verkehr so zu steigern, dass auch tatsächlich der Beitrag des Verkehrs zur Emissionsminderung wirklich erkennbar wird."

    Insgesamt komme das Energiesparen zu kurz, klagen die Umweltverbände. Wenn wir nicht alle weniger Energie verbrauchen – im Verkehr, in Gebäuden, in der Industrie – dann sei eine Energiewende nicht zu schaffen, sagte Michael Müller vom Deutschen Naturschutzring. Energiesparen müsse in den Mittelpunkt der Energiewende rücken und dafür müsse allein das Bundesumweltministerium zuständig sein und eine neue Abteilung als zentrale Anlaufstelle erhalten:

    "Es kann nicht sein, dass das Wirtschaftsministerium, das seit Jahren diese Aktivitäten blockiert, weiterhin sein Geschäft betreibt. Erneuerbare Energien ohne Veränderungen auch bei der Effizienzfrage sind zu wenig, es muss alles als Einheit verstanden werden. Und deshalb fordern wir als Erstes, als Wichtigstes vielleicht, dass es eine starke Abteilung innerhalb des Umweltministeriums gibt, die sich mit den Effizienzfragen beschäftigt."

    Die Umweltverbände beklagten, dass die Kosten der Energiewende ungerecht verteilt seien. Viele Industriebetriebe sind von der Ökostrom-Umlage befreit oder zahlen nur ein Bruchteil von dem, was Privatverbraucher zahlen. Die Kosten müssten gerechter verteilt werden, forderte der Chef des Naturschutzbunds NABU, Olaf Tschimke. Dazu zähle auch, dass auch Stromkonzerne wie EON und EnBW den Ausbau der Stromnetze mitbezahlen. Dass die Stromerzeuger nicht mehr im Besitz der Stromnetze sind, weiß auch Tschimke:

    "Dann muss man das eben in einem Umlageverfahren machen, sodass sich alle beteiligen, was die Ausbaukosten angeht. Denn am Ende ist jeder, der Energie produziert, auch mitverantwortlich für den Netzumbau und auch verantwortlich, dass Speicherkapazitäten geschaffen werden. Da kann sich niemand aus der Verantwortung stehlen. Und das gilt dann auch für alle Energieversorger."