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Umwerfende Virtuosität

Um Konzerte für Klarinette und Orchester soll es diesmal gehen, erschienen beim finnischen Label Ondine. Ein Bestseller ist dabei, das A-Dur Klarinettenkonzert von Mozart, ansonsten deutlich ältere Werke von einem Musiker, der trotz umfangreicher Werkliste heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist: von Johann Melchior Molter. Er hat von 1696 bis 1765 gelebt.

Von Ludwig Rink | 29.01.2006
    * Musikbeispiel: Johann Melchior Molter 1. Satz (Ausschnitt) aus dem Konzert Nr. 1 A-Dur für Klarinette in D, Streicher und Basso continuo

    Johann Melchior Molter stammt aus der Nähe von Eisenach, wo er auch aufs Gymnasium ging. Mit 21 Jahren trat er als Geiger in den Dienst des Baden-Durlacher Grafen Karl Wilhelm. Bekannt ist weiterhin, dass er zwei Studienreisen nach Italien unternahm und 1741 ein neues Hoforchester für den jüngeren Grafen Karl Friedrich zusammenstellte. In dieser Zeit entstanden zwischen 1747 und 1750 seine Klarinettenkonzerte, vermutlich die frühesten Vertreter der Gattung. Dieses Instrument war damals noch relativ jung, aber Molter war experimentierfreudig, schrieb z.B. auch Konzerte für den Klarinetten-Vorläufer Chalumeau, für Harfe oder für Flauto d’amore. In einer seiner 172 Sinfonien verwendet er - damals noch völlig unüblich - 5 Pauken. In der Anlage seiner Werke folgt er noch häufig barocken Form-Mustern, aber gerade in den langsamen Sätzen wagt er Avantgardistisches, bewegt sich mit Riesenschritten in Richtung Klassik.

    * Musikbeispiel: Johann Melchior Molter - Largo aus dem Konzert Nr. 1 A-Dur für Klarinette in D, Streicher und Basso continuo

    Die Interpreten dieser neuen Klarinetten-CD kommen allesamt aus Finnland. Solist ist Kari Kriikku, der spätestens seit 1997 in der Oberliga der Klarinettisten mitspielt: da wurde nämlich seine Aufnahme der Weber-Konzerte mit Sakari Oramo und dem Finnischen Rundfunk-Sinfonieorchester vom BBC Music Magazine als beste Interpretation dieser Werke gefeiert. Sein besonderes Interesse gilt der zeitgenössischen Musik: er wirkte als Solist bei zahlreichen Uraufführungen mit, von denen viele Werke eigens für ihn komponiert wurden. Kari Kriikku ist zudem Gründer und Leiter des kammermusikalischen Ensembles Avanti. Hier bei den drei Molter-Konzerten beweist er sein Können auf der in schwindelerregende Höhen vorstoßenden D-Klarinette, die einen besonders durchdringenden Klang hat und in manchen Lagen fast an das Strahlen einer Barocktrompete erinnert.

    * Musikbeispiel: Johann Melchior Molter - 3. Satz: Allegro (Ausschnitt) aus dem Konzert Nr. 1 A-Dur für Klarinette in D, Streicher und Basso continuo

    Kari Kriikku wird begleitet von der Tapiola Sinfonietta, einem inzwischen auch über Finnland hinaus bekanntem Kammerorchester, das bald seinen 20. Geburtstag feiern kann. Geleitet wird es hier von John Storgards, der auch als Geiger bereits eine beachtliche Karriere hinter sich hat. Alle diese Namen stehen für eine Generation finnischer Musiker, die den verehrten, aber mit seiner Allgegenwart zunächst auch etwas erdrückenden Übervater der finnischen Musik Jean Sibelius hinter sich gelassen haben, die den Aufbruch gerade auch in Richtung Neue Musik gewagt und damit weltweit Beachtung und Anerkennung gefunden haben - noch bekannter hierzulande sind Musiker wie Esa-Pekka Salonen, Jukka-Pekka Saraste oder Sakari Oramo. Über die jeweils individuelle Begabung hinaus sind ihre Erfolge auch die Konsequenz einer beispielhaften Förderung durch Ausbildung, Management, Veranstalter, Verlage und Rundfunk.

    Doch zurück zur vorliegenden CD: Bei den Werken von Molter spielt Kari Kriikku die hohe D-Klarinette. Völlig anders mit ihren weit in die Tiefe gehenden Registern klingt dagegen die A-Klarinette, die Kriikku für das Mozart-Klarinettenkonzert einsetzt. Hier wie da ist seine Virtuosität umwerfend, seine Phrasierung äußerst musikalisch und abwechslungsreich, die Tongebung farbig und die Atemtechnik ebenso überlegt wie lungenstark. Schade, dass klitzekleine Unebenheiten in manchen Läufen des Mozart-Konzertes bei der Produktion nicht noch einmal schnell korrigiert wurden - ansonsten eine auch klanglich sehr gelungene neue Aufnahme. Wir blenden uns ein in das Rondo, den dritten Satz des A-Dur-Klarinettenkonzertes von Wolfgang Amadeus Mozart.

    * Musikbeispiel: Wolfgang Amadeus Mozart 3. Satz: Rondo: Schluss (Ausschnitt) aus dem Konzert A-Dur für Klarinette und Orchester, KV 622

    "Clarinet Concertos"
    Kari Kriikku, Klarinette
    Tapiola Sinfonietta unter John Storgards
    Label: Ondine
    Labelcode: LC 03572
    Bestellnr.: ODE 1056-2