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UN-Weltbevölkerungsbericht
Verhütung - eine Frage der Armut

Frauen in Entwicklungsländern bekommen im Durchschnitt vier, Frauen in Industriestaaten nur 1,7 Kinder. Das geht aus dem aktuellen UN-Weltbevölkerungsbericht hervor. Armut und Bevölkerungswachstum hängen zusammen. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will deswegen Frauenrechte weltweit stärken.

Von Mathias von Lieben | 17.10.2018
    Junge Mütter vor einer Klinik in Uganda
    Frauen in Entwicklungsländern bekommen mehr als doppelt so viele Kinder wie Frauen in Industrieländern (Deutschlandradio Kultur / Leonie March)
    Im weltweiten Durchschnitt bekommt eine Frau heute 2,5 Kinder - das sind halb so viele wie noch Mitte der 1960er-Jahre. Das geht aus dem am Vormittag veröffentlichten Weltbevölkerungsbericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen hervor. Der Titel des Berichts in diesem Jahr: "Die Macht der freien Entscheidung – reproduktive Rechte und der demografische Wandel". Demnach bekommt eine Frau in den ärmsten Ländern der Welt allerdings weiterhin durchschnittlich vier Kinder - und damit oftmals mehr, als sie sich wünsche:
    "Armut und Bevölkerungswachstum hängen eng zusammen. Und leider stieg im letzten Jahr erstmals auch die absolute Zahl der absolut Armen und Hungernden,"
    …sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bei der Vorstellung des Berichts.
    "D.h. Verstärkung Investitionen in Bildung. Das heißt Stärkung insbesondere der Frauen, Gleichberechtigung der Frauen weltweit, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität. Verhütung: 250 Millionen Frauen haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, und viele werden ungewollt schwanger. Und der dritte Bereich ist Gesundheit."
    Mangel an Aufklärung und Verhütung
    Anhand von vier Ländergruppen geht der Bericht der Frage nach, welche Barrieren es Frauen erschweren, selbst über die Anzahl, den Zeitpunkt und den zeitlichen Abstand von Schwangerschaften zu entscheiden - dabei geht es sowohl um Industrie- als auch um Entwicklungsländer. Von den 43 Ländern, in denen Frauen durchschnittlich mindestens vier Kinder bekommen, liegen 38 in Afrika. Die hohe Fertilität geht dem Bericht zufolge unter anderem auf einen Mangel an Aufklärung und Verhütung zurück. Eine der Folgen: Fast 20 Millionen Schwangerschaften pro Jahr sind in Afrika südlich der Sahara ungewollt - das sind rund zwei Fünftel aller Schwangerschaften in der Region. In Industrieländern bringt eine Frau heute durchschnittlich 1,7 Kinder zur Welt - und damit oftmals weniger, als gewünscht.
    Zwar seien Frauen mittlerweile insgesamt besser über ihre reproduktiven Rechte informiert, sagt Bettina Maas, Repräsentantin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen in Äthiopien.
    "Doch nach wie vor bestehen bei der Fertilität große Unterschiede sowohl zwischen verschiedenen Ländern als auch innerhalb einzelner Länder. Dies zeigt, dass dringend mehr getan werden muss, bis die reproduktiven Rechte in jedem Land verwirklicht sein werden."
    Starkes Gefälle zwischen Stadt und Land
    Weltweit gibt es zudem ein starkes Gefälle zwischen Stadt und Land: Frauen, die in Städten leben - und auch Frauen, die wohlhabender sind und einen höheren Bildungsgrad besitzen - haben in der Regel vollen Zugang zu einer Auswahl moderner Verhütungsmethoden. Ärmeren, ländlich lebenden Frauen mit weniger Bildung mangelt es an diesem Zugang. Das führe, so die Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung Renate Bähr, unter anderem zu zahlreichen ungewollten Schwangerschaften. Daher appellierte sie an den Bundesentwicklungsminister Müller:
    "Nicht in Familienplanung zu investieren, ist ein Vergehen an den Frauen. Und ein Versäumnis im Bezug auf das, was wir tun können, um nachhaltiges Bevölkerungswachstum zu erreichen."
    Dafür, so die Forderung der Autoren des Weltbevölkerungsberichts, müssten Gesundheitssysteme besser mit hochwertigen und für alle Menschen zugänglichen Dienstleistungen der reproduktiven Gesundheit ausgestattet werden.