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Unausgereift und unzureichend

Technik. - Das Bundeskriminalamt hält Systeme zur automatischen Gesichtserkennung für ungeeignet, um in großen Menschenmengen gezielt nach Personen zu fahnden. Die Behörde hatte vier Monate lang am Mainzer Hauptbahnhof getestet, ob die rund 200 Teilnehmer des Feldversuchs von sechs verschiedenen Kamerasystemen automatisch und zuverlässig erkannt werden.

Von Mirko Smiljanic | 11.07.2007
    Für vier Monate war der Mainzer Hauptbahnhof der best beobachtete Ort Deutschlands. Neben der üblichen Videoüberwachung hat das Bundeskriminalamt - kurz BKA - von Oktober 2006 bis Januar 2007 sieben Kameras installiert und zwischen sechs Uhr morgens und null Uhr nachts rund 23.000 Reisenden gefilmt. Eine Software sollte anschließend aus dem Bilderwust die Gesichter von 200 Testpersonen herausfiltern. Eine Erkennungsleistung von rund 80 Prozent wäre ganz ordentlich gewesen, doch die Ergebnisse vielen schlechter aus. Jörg Zierke, Präsident des Bundeskriminalamtes Wiesbaden.

    " Eine Bewertung des Projektes ist so, dass wir aus polizeilicher Sicht sagen, automatisierte biometrische Gesichtserkennung entspricht derzeit nicht polizeilichen Maßstäben, eine Erkennungsrate von nur bis zu 60 Prozent reicht nicht aus, um Festnahmen und Gewahrsamnamen verantwortlich zu begründen. "

    Wobei 60 Prozent Erkennungsleistung der höchste Wert war, bei einem Hersteller sank er auf 20 Prozent, sodass der Mittelwert aller drei getesteten Systeme unter 50 Prozent rutscht. Für die Polizeipraxis wären aber nahezu 100 Prozent nötig. Vier Test-Szenarien hatten sich die BKA-Experten ausgedacht: Die Gesichtserkennungsverfahren sollten Personen identifizieren, die entweder auf einer Rolltreppe herunterfahren oder eine Treppe heruntergehen - und zwar bei Tageslicht und in den Abendstunden. Die größten Probleme hatten alle Verfahren natürlich in den Abendstunden. Andrew Pretzel, Leiter des BKA-Projektes Foto-Fahndung:

    " Limitierende Faktoren sind die Beleuchtungsverhältnisse einerseits, die Beleuchtungsverhältnisse, die sich am tag und in der Nacht natürlich extrem unterscheiden, und natürlich das Verhalten unserer Versuchsteilnehmen. Wir haben unseren Leuten einen aktiven Transponder mitgegeben mit dem Ziel, dass sie vergessen, dass sie einen Transponder mitführen, damit sie sich nicht kooperativ dem System gegenüber verhalten, was sie nach einiger Zeit auch nicht mehr getan haben, und das sind die wesentlichen limitierenden Faktoren. "

    Mal schauten an die Testpersonen Decke, mal auf den Boden, die Kameras konnten in solchen Fällen keine brauchbaren Bilder aufnehmen. Woraus immerhin klar wurde, dass neben Analysesoftware, die Qualität der Kamera wichtig war. Detaillierte Aussagen waren aber nicht möglich. Andrew Pretzel:

    " Ich kann hier keine Aussagen machen zu einzelnen Kamerasystemen, weil wir einfach die Hersteller gebeten haben, uns Komplettsysteme hinzustellen. Das heißt, die Hersteller haben selbst entschiede, welche Kamera mit welchem Algorithmus zusammenarbeitet, wir haben da nicht unterschieden, können deshalb auch nicht sagen, wo lagen die Fehler, möglicherweise im Algorithmus und möglicherweise in der Kameratechnik.. "

    Die Unterschiede zwischen Rolltreppe und Treppe fielen etwas geringer aus als erwartet. Dass die Erkennung auf der Treppe schlechter sein würden, weil sich die Testpersonen bewegen, war klar, allerdings sank die Trefferquote nur um 5 bis 15 Prozent. Alles in allem sind die Ergebnisse aber so schlecht, dass die Gesichtserkennung in naher Zukunft nicht für die Identifikation von Personen in Menschenströmen eingesetzt wird.

    " Also, nach allem, was wir wissen, was auch weltweit bekannt ist, ist das in den nächsten fünf Jahren nicht zu erwarten. "

    Ein weiterer Feldversuch ist nicht geplant, zunächst - betont Zierke - müssen die technischen Systeme verbessert werden. Der Präsident des Bundeskriminalamtes wird Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nicht empfehlen, Gesichtserkennungssysteme für die Personenfahndung einzusetzen.