Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Unbeachtete Symbole und Tabellen

Ernährungswissenschaft. - Auf vielen verpackten Lebensmitteln finden die Verbraucher Informationen zu Kaloriengehalt, Zucker, Fett oder Salz aufgedruckt. Doch offenbar interessieren sie sich nicht sonderlich dafür. Ein groß angelegtes Projekt in den Ländern der EU hat unter dem Namen Flabel dreieinhalb Jahre lang die Wirkung der Nährwertinformationen auf den Kunden untersucht.

Von Jochen Steiner | 11.10.2013
    In einem Glas eines koffeinhaltigen Erfrischungsgetränks stecken 105 Kilokalorien, 27 Gramm Zucker und 0 Gramm Fett. Das verraten dem Verbraucher ovale Symbole auf der Flaschenrückseite, darunter in den Nährwertangaben stehen mehr oder weniger die gleichen Informationen je 100 Milliliter. Auf der Vorderseite der Flasche finden die Konsumenten nochmals die Kalorienangabe pro Glas in Form eines ovalen Symbols.

    "Was wir durch unser Projekt erfahren haben ist, dass 85 Prozent der untersuchten Produkte irgendeine Art von Nährwertangaben liefern."

    Und zwar auf der Packungsrückseite. Auf fast jedem zweiten Produkt waren auch auf der Vorderseite Nährwertangaben abgedruckt. Die Ernährungswissenschaftlerin Laura Fernández-Celemín vom European Food Information Council in Brüssel wertete mit ihren Kollegen bereits vorliegende Studien aus, führte aber auch eigene durch. Bei den mehr als 37.000 untersuchten Produkten handelte es sich um solche aus den Kategorien süße Kekse, Müsli, gekühlte Fertigprodukte, Softdrinks und Joghurts. Die Wissenschaftler führten ihre Studien in ganz Europa durch. In einem weiteren Schritt wollten sie dann wissen, ob und wie diese Nährwertangaben vom Verbraucher wahrgenommen werden.

    ""Wir haben uns angesehen, wie aufmerksam die Verbraucher diese Angaben lesen und ob sie sie verstehen. Und dann haben wir untersucht, ob sie diese Informationen im Supermarkt auch nutzen."

    Gerade einmal knapp 17 Prozent der Verbraucher schauten sich die Nährwertangaben auf der Vorderseite an, und das auch nur flüchtig, nicht länger als 100 Millisekunden. Bei diesen Versuchen setzten die Forscher Eye-Tracker ein, die die Augenbewegungen der Konsumenten aufzeichneten.

    "Den Konsumenten fehlt die Motivation, nach solchen Angaben Ausschau zu halten. Und wenn sie diese Informationen entdecken, schenken sie ihnen keine Beachtung. Die Zeit, in der sie zum Beispiel auf die Nährwertangaben auf der Vorderseite einer Packung schauen, ist zu kurz, um die Informationen bewusst verarbeiten zu können."

    Keine Motivation, keine Beachtung – die Nährwertangaben interessieren die Verbraucher bislang nicht, es ist ihnen egal, sie kaufen trotzdem fettige Chips oder süße Softdrinks. Laura Fernández-Celemín fordert deshalb, die Verbraucher viel stärker über den Informationsgehalt der Nährwertangaben aufzuklären.


    Bis Ende 2016 werden diese in der EU für alle vorverpackten Lebensmittel auf der Packungsrückseite verpflichtend, auf der Vorderseite können es sich die Hersteller aussuchen, ob sie sie abdrucken wollen oder nicht. Falls sie sich dazu entscheiden sollten, könnten die aktuellen Studienergebnisse helfen. Fernández-Celemín:

    "Die Informationen sollten immer an der gleichen Stelle der Packungsvorderseite zu finden sein. Es sollten neben der Kalorienangabe auch immer die gleichen Nährwertgruppen sein, etwa Fett, Zucker und Salz. Und wenn diese Informationen durchgängig auf allen Produkten zu finden wären, dann würde das den Konsumenten beim Einkaufen helfen."

    Vorausgesetzt, die Verbraucher wollen sich durch solche Angaben überhaupt helfen lassen.