Freitag, 29. März 2024

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Unbekannte Tropenkrankheit
Frambösie betrifft die Ärmsten der Armen

Leishmaniose, Chagas oder Dengue - das sind Namen sogenannter vernachlässigter Tropenkrankheiten. Mehr als 1,4 Milliarden Menschen leiden darunter. Auch von Frambösie dürften hierzulande viele noch nicht gehört haben. Infektionsforscher Sascha Knauf erläuterte im Deutschlandfunk, was es mit dieser hartnäckigen Krankheit auf sich hat.

Sascha Knauf im Interview mit Lennart Pyritz | 04.08.2016
    Syphilis-Erreger unter dem Mikroskop
    Das Bakterium Treponema pallidum auf einer mikroskopischen Phasenkontrast-Aufnahme. Es ist im Grunde sowohl der Erreger der Syphilis wie auch der Frambösie (picture-alliance / dpa / Klett GmbH)
    Lennart Pyritz: In einer aktuellen Studie im Fachmagazin "EBIOMedicine" haben Wissenschaftler nun untersucht, wie Frambösie übertragen wird. Erstautor der Studie ist der Veterinärmediziner und Infektionsforscher Sascha Knauf, Leiter der Arbeitsgruppe "Neglected Tropical Diseases" am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. Herr Knauf, was ist Frambösie und wo tritt sie auf?
    Sascha Knauf: Ja, die Frambösie ist eine Erkrankung, die in den Tropen verbreitet ist und war. War deshalb, weil das Verbreitungsgebiet dieser Erkrankung im kompletten tropischen Gürtel, Afrika, Asien und dann bis hin zu Papua war, und die WHO in den 50er-, 60er-Jahren schon versucht hat, diese Erkrankung mal auszurotten. Und die ist seit den 70er-Jahren sozusagen jetzt wieder am Auferstehen. Und die betrifft im Grunde die Ärmsten der Armen, weil nämlich diese Leute, die betroffen sind, keinen Zugang zu Medizin und guter Diagnostik haben.
    Pyritz: Wodurch wird die Krankheit ausgelöst, und welche Folgen hat sie dann bei infizierten Menschen?
    Knauf: Es ist ein schraubenförmiges Bakterium, was Treponema pallidum heißt, und die Unterart wäre Tetenui. Und dieses schraubenförmige Bakterium ist im Grunde auch der Erreger der Syphilis. Es sind verschiedene Unterarten, die diese Erkrankungen verursachen, und es ist sehr nahe verwandt. Das Problem ist, dass dieses Bakterium sehr hoch kontagiös ist und wird halt durch direkten Kontakt von Haut zu Haut übertragen. Und im Gegensatz zur Syphilis, die ja beim adulten Menschen im Sexualkontakt hauptsächlich übertragen wird, ist die Yaws-Erkrankung oder die Frambösie – im Englischen heißt sie Yaws – sozusagen eher auf Kinder beschränkt und wird durch engen Kontakt bei Kindern in der Schule ausgebreitet.
    Pyritz: Weiß man, woher der Name, dieser deutsche Name Frambösie kommt?
    Knauf: Die Frambösie bezeichnet im Grunde dieses primäre Geschwür, das entsteht, auf der Haut, das so ein bisschen himbeerartig aussieht. Und diese Erkrankung verläuft dann, wie auch Syphilis, in verschiedenen Stadien. Und das primäre Stadium ist halt dieses Hautgeschwür, wo das Bakterium in die Haut gekommen ist. Im Sekundärstadium breitet sich dieses Bakterium im Körper aus und verursacht dann an anderen Stellen auch Hautläsionen und besiedelt dann auch die Knochen. Und im sehr späten Stadium, viele Jahre später, kann es dann zu Knochenveränderungen kommen, die zu schweren Gesichts- und Extremitätenentstellungen führen. Das Gute an der Frambösie ist im Grunde, dass sie sich sehr leicht behandeln lässt. Wir haben mittlerweile eine neue Therapieform, nämlich mit Azithromycin, das ist ein neues Antibiotikum, das als Tablette gegeben wird. Und eine Tablette reicht pro Person, um diesen Menschen zu behandeln.
    Pyritz: Sie haben jetzt eben schon gesagt, die Krankheit wird von Mensch zu Mensch übertragen. In einer früheren Studie wurde jetzt schon gezeigt, dass diese Frambösie-Erreger, die Bakterien, auch in Affen vorkommen, Paviane zum Beispiel. Und Ihre aktuelle Studie legt nun nahe, dass auch Fliegen die Krankheit übertragen könnten. Wie haben Sie das untersucht?
    Knauf: Ja, das ist richtig. Wir haben durch unsere Forschung zeigen können, dass Affen, gerade in Afrika, sehr oft mit einem ähnlichen Erreger infiziert sind, die dem Frambösie-Erreger sehr nahe steht, man eigentlich auch sagen muss, funktional und genetisch sich nicht wirklich unterscheidet. Und es gab schon so 1900 in der Literatur Hinweise darauf, dass Wissenschaftler Experimente gemacht haben. Und da hat man zum Beispiel versucht, Kaninchen oder auch Affen und auch Menschen, was natürlich ethisch katastrophal ist, aber man hat es eben getan in dieser Zeit, Leute zu infizieren mit Fliegen, die man vorher mit solchem infektiösen Sekret gefüttert hat. Und das hat funktioniert. Das Problem damals war, dass man natürlich die technischen Möglichkeiten nicht hatte, den Erreger nachzuweisen, also man konnte nicht beweisen, es ist eben genau dieser Erreger. Und jetzt in der heutigen Zeit haben wir die Möglichkeiten. Das haben wir mit unserer Studie zeigen können, dass halt eben genau dieser Erreger auf den Fliegen zu finden ist. Jetzt haben wir wieder das Problem, wir können halt nicht diese alten Infektionsstudien machen und müssen jetzt irgendwie den Weg finden sozusagen, das zusammenzubringen. Aber beides zusammen, die historischen Berichte wie auch unsere neue aktuelle Forschung zeigen eigentlich eindeutig, dass es hier einen möglichen Übertragungsweg gibt. Und das hat natürlich einen großen Einfluss auf das weitere Vorgehen einer Ausrottungskampagne.
    Pyritz: Wie sehen denn jetzt die nächsten Schritte aus, um tatsächlich zu bestätigen, dass Fliegen Frambösie übertragen?
    Knauf: Im Grunde muss man in diesem Ansatz natürlich dann irgendwann einen Versuch machen, der sozusagen beweist, dass die Bakterien auf den Fliegen noch lebensfähig sind, weil nur lebensfähige Bakterien würden auch die Infektion verursachen. Das Problem dabei ist, dass halt Treponemen sich nicht anzüchten lassen, die lassen sich nicht so leicht in die Karten gucken, wie das jetzt so ein E.Coli-Bakterium oder ein anderes Darmbakterium macht, was man auf einer Platte ansetzen kann und es dann anwächst und Kolonien bildet. Das machen Treponemen nicht. Die kann man auch heute ausschließlich anzüchten, indem man sie in Labortieren injiziert und dann kultiviert oder man muss halt die Fliege direkt fangen und dann schauen, ob man da lebende Bakterien runterisolieren kann. Und das ist sehr schwierig unter Feldbedingungen.
    Pyritz: Sie haben es eben auch schon erwähnt, die WHO hat sich vorgenommen, die Krankheit bis zum Jahr 2020 auszurotten. Wie soll das geschehen, beziehungsweise wie sollte das geschehen, und welche Konsequenzen hätte jetzt eine Übertragung durch Fliegen für diesen Plan, Frambösie einzudämmen oder ganz auszurotten?
    Knauf: Im Grunde ist es ja relativ einfach. Die Botschaft, die wir dahinter haben, ist, dass die WHO alles richtig macht, diese Erkrankung ausrotten zu wollen. Und das unterstützen wir auch voll. Was wir allerdings sehen, ist, dass das Konzept ein One-Health-Konzept sein muss. Unter One-Health versteht man, dass die Gesundheit von Wildtieren oder Tieren als solches und dem Menschen und der Umwelt nicht voneinander isoliert betrachtet werden kann. Wenn man also jetzt nur auf die Infektion beim Menschen abzielt und vergisst, dass es da unter Umständen ein Reservoir gibt für diese Erkrankung, nämlich in Affen, und einen möglichen Übertragungsweg, nämlich über Fliegen, dann kann das dazu führen, dass man zwar die Erkrankung ausrottet, aber dass sie wiederkommt, weil nämlich neue Infektionsfälle entstehen können. Im Grunde ist es so, dass man natürlich sagen kann, der Beweis, dass wir das Bakterium auf Fliegen gefunden haben, zeigt, man muss Wundabdeckungen machen, wenn man die Erkrankung behandelt, weil ja, solange infektiöses Material an solchen Geschwüren vorhanden ist und die Fliegen sich daran laben können, sie potenziell das auch übertragen können, vor allen Dingen, wenn sie natürlich ein System haben wie im Krankenhaus, wo sie Patient an Patient an Patient liegen haben, dann kann natürlich die Fliege innerhalb von einer Minute von einem Patienten auf den nächsten, und der hat dann vielleicht auch noch eine offene Wunde. Und gleichzeitig heißt das halt, dass man in all den Gebieten, in denen man jetzt Yaws ausrottet im Menschen, eine sehr enge Überwachung machen muss, damit man sicher ist, dass es keine weiteren Neuansteckungen vom Affen oder durch andere noch nicht erkannte Reservoire gibt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.