Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Unberechenbare Keime

Der Ehec-Keim hat seit dem 5. Juni bei Biobauern zu massiven Umsatzeinbußen geführt. Vor allem der Verkauf von Sprossen ist eingebrochen. Die Frage nach dem Überträger dieses Bakterienstammes ist aber nach wie vor ungeklärt. Eine Lehre für jeden aus der Epidemie: bessere Hygiene daheim.

Von Britta Fecke | 20.08.2011
    Die jüngste Epidemie ist vorbei. Dass man nach so langer Zeit die Überträger der Keime noch findet, ist unwahrscheinlich. Für sehr wahrscheinlich halten die Forscher allerdings, dass Ehec nicht die letzte Seuche dieses Ausmaßes war.

    Stefan Degen hebt Kisten voller Möhren, Gurken und Salat von der Ladefläche seines Traktors. Das Gemüse kommt frisch vom Feld nebenan und wird gleich auf dem Markt in Kobern-Gondorf verkauft. Für den Biobauer von der Untermosel war es bisher kein schlechtes Jahr, nur die Gurken liefen nicht so gut, schuld war aber nicht Ehec, sondern der Regen, auf den reagiert das Gemüse empfindlich:

    "...wir haben glücklicherweise nur einen sehr geringen Einbruch gehabt, weil die Leute eben doch Vertrauen zum Erzeuger haben, den sie seit vielen Jahren kennen. Das einzige, was wir dann irgendwann nicht mehr verkauft haben, war Kresse, weil da war die Warnung zu massiv, ..."

    Kresse, Sprossen, alles frisch Gekeimte ließ sich ab dem 5. Juni dieses Jahres nicht mehr verkaufen. Denn an diesem Tag nannte der niedersächsische Agrarminister Gert Lindemann, Sprossen vom Biobauernhof in Bienenbüttel öffentlich als mögliche Träger der Ehec-Keime. Eine umstrittene Äußerung für alle Biobauern, die vor allem für den Gemüsehof von Bienenbüttel zu einer wirtschaftlichen Katastrophe wurde und immer noch ist. Bis heute konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Erreger tatsächlich vom genannten Bauernhof in Niedersachsen kam. Sprossen lassen sich immer noch schwer verkaufen, in den Restaurants, so heißt es, werden aber wieder genauso viele Rohkostsalate bestellt wie vor der Epidemie. Die Frage nach dem Überträger dieses Bakterienstammes ist aber nach wie vor ungeklärt und nur eine von vielen Ungereimtheiten. So waren in den letzten Jahren fast immer rohes Fleisch oder Rohmilchprodukte mit Ehec-Keimen kontaminiert - in den USA spricht man deshalb auch schlicht von der "Hamburger"-Krankheit. Dass nun ausgerechnet rohes Gemüse - für viele der Garant für gesunde Ernährung - Überträger der tödlichen Keime gewesen sein soll, hat die deutsche Bevölkerung wochenlang verunsichert. Stefan Kaufmann, Professor für Mikrobiologie an der Berliner Charité und Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie, schließt jedoch rohes Gemüse als Überträger nicht aus:

    "In der Tat ist das Risiko bei Gemüse von Krankheitserregern auch geringer als bei Fleisch, aber es ist eben da, und deshalb kann es passieren, dass man mit dem Salat auch Keime aufnimmt, die letztendlich vielleicht von einem Tier stammen oder einem anderen Menschen."

    Auch wenn Biobauer Stefan Degen sich auf Gemüseanbau beschränkt und nicht einmal ein Huhn aus der Nachbarschaft über sein Feld läuft, so war auch sein Rat immer derselbe:

    "Wir haben den Leuten eben empfohlen, zu waschen. Es kann an Dingen, die im Freien wachsen, da sind immer Mikroorganismen dran oder es können von Tieren Rückstände da sein, man sollte also sowieso immer die Sachen waschen."

    Waren auch Pflanzen bei dieser Ehec-Epidemie die mutmaßlichen Überträger, so liegt aber der Ursprung dieses Bakteriums im Rind, genauer im Verdauungstrakt der Wiederkäuer: Im Darm ist es immer feucht und warm - eine ideale Brutkammer für Keime. Wissenschaftler vermuten, dass in irgendeinem Rind ein harmloses E.coli-Bakterium - ein üblicher Darmbewohner - sein Erbgut mit einem anderen Stamm ausgetauscht haben wird. Daraus wurde ein besonders aggressiver und gefährlicher Keim, der außerdem auch noch Resistenzen gegen viele Antibiotika in sich trug. Solche Keime können immer wieder entstehen, denn der Mensch hat dafür optimale Bedingungen geschaffen. Wie die Massentierhaltung, in der Rinder dicht gedrängt stehen, so dass es die Keime von Wirt zu Wirt nicht weit haben. Außerdem vermehren sich Bakterien in einem enormen Tempo - alle zwanzig Minuten werden aus einem E.coli-Bakterium zwei. Und dann ist da eben auch noch der rege Austausch zwischen den unterschiedlichen Bakterienstämmen, erklärt der Mikrobiologe Stefan Kaufmann:

    "Und der Trick dabei ist nun, dass diese Antibiotika-Resistenz, die ein Keim erst einmal erworben hat, fast immer übertragen werden kann, das heißt ein Keim im Darm, der resistent ist, kann die Information zur Resistenz gegen ein Antibiotikum auf andere Keime übertragen. Häufig ist es sogar noch schlimmer: Dass nicht nur gegen ein Antibiotikum eine Resistenz übertragen wird, sondern gegen eine ganze Handvoll, das heißt: Ein Keim wird gegen 3, 4, 5 Antibiotika plötzlich resistent."

    In diesem Fall entstand ein Keim, der mindestens 3.469 Menschen infiziert hat. Einige erkrankten nach der Ansteckung nur an Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen, doch bei 852 Patienten verursachte Ehec schwerste Komplikationen; sie erkrankten zusätzlich am hämolytisch-urämischen Syndrom, kurz HUS, bei dem Nierenversagen, Atemnot und epileptische Anfälle drohen. 50 Menschen sind in Folge ihrer Ehec- oder HUS-Erkrankung gestorben. Die Machtlosigkeit der Medizin hat viele Menschen verunsichert, manche sagen auch, es hätte sie Demut gelehrt. Denn lange lebte die Industriegesellschaft mit der trügerischen Gewissheit, dass Antibiotika bakterielle Erreger eindämmen können. Die großen Seuchen wie Pest, Cholera oder Typhus konnten schließlich dank dieser Antibiotika schon vor Jahrzehnten erfolgreich zurückgedrängt werden.

    Stefan Kaufmann, Direktor des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie:

    "Antibiotika sind ja unsere große Abwehrwaffe gegen Mikroorganismen, und ursprünglich dachten wir, wir hätten das Problem der Infektionskrankheiten gelöst, denn wir haben ja nun Antibiotika die Mikroorganismen abtöten oder im Wachstum hemmen, aber auf Grund der Fähigkeit sich so schnell zu vermehren und sich jeder Nische anzupassen, sind die Mikroben sehr schnell dahintergekommen, wie man gegen Antibiotika vorgehen kann, wie man also resistent gegen ein Antibiotikum wird."

    Was das heißt, hat der Ehec-Erreger auf erschreckende Weise gezeigt: Dem raffiniert mutierten Einzeller war mit keinem Antibiotikum mehr beizukommen. Allerdings verwundert das den Biolandwirt Stefan Degen nicht:

    "Da müssen wir uns auch weiterhin auf Überraschungen gefasst machen, und dieser Glaube, dass der Mensch zu jeder Zeit technisch alles im Griff hat, ist einfach ein Irrglaube! Das ist etwas, das den Menschen vorgegaukelt wird. Ich möchte jetzt nicht zynisch werden; die Familien, die von Todesfällen betroffen sind, haben ein hartes Los, aber man muss sich daran gewöhnen, dass in unserer modernen Zeit nicht alle Krankheitserreger hundertprozentig in den Griff zu bekommen sind."

    Vielmehr sind es genau diese modernen Zeiten, die die Entstehung besonders aggressiver Keime begünstigen: Antibiotika werden oft unsachgemäß verschrieben oder eingenommen. Auch wenn sie nicht bei der angezeigten Krankheit helfen, haben sie aber die unangenehme Nebenwirkung. Nämlich die, dass die Erreger Resistenzen gegen das Antibiotikum entwickeln. Die Waffe stumpft ab - und wenn ein bestimmtes Antibiotikum dann tatsächlich medizinisch notwendig wird, ist der Mensch schon resistent dagegen. Denn die eigenen Darmbakterien speichern die Informationen gegen Resistenzen wie ein Gedächtnis, erläutert Stefan Kaufmann:

    "Das kann sich so darstellen, dass sich in unserer körpereigenen Darmflora Resistenzen entwickeln, weil jemand zum Beispiel Antibiotika schluckt, später kommt ein Durchfallerreger im Darm an, dann erhält er die Information zur Resistenz von den Darmbakterien. Und der nächste Mensch, der diesen Erreger aufnimmt, der hat dann gleich zwei Probleme, nämlich Durchfall, und er ist nicht mehr richtig behandelbar."

    Das Problem ist nicht erst seit Ehec bekannt. Multiresistente Keime sind schon lange und vor allem in Krankenhäusern verbreitet. An den dort dominierenden Staphylokokken - umgangssprachlich schlicht Krankenhauskeime genannt - sterben laut Stefan Kaufmann jährlich 30.000 Menschen allein in Deutschland. Und diese Killer-Keime haben wir uns durch den verschwenderischen Umgang mit Antibiotika selbst herangezüchtet. Der Professor für Mikrobiologie an der Charité ordnet die Dimensionen ein:

    "In Deutschland schluckt einer von 100 Menschen täglich ein Antibiotikum; in Griechenland sind es sogar vier von 100, das sind enorme Mengen, und leider ist es so, dass nur die Hälfte dieser Antibiotika indiziert sind, das heißt also letztendlich gegen einen Erreger gerichtet sind, der auch auf das Antibiotikum anspricht."

    Doch nicht nur in der Medizin werden Antibiotika unsachgemäß beziehungsweise verschwenderisch verordnet, auch in der industriellen Landwirtschaft ist der Antibiotika-Einsatz viel zu hoch.

    "Dabei würde ich gerne feststellen, dass 50 Prozent aller Antibiotika weltweit in die Tierzucht gehen! Die meisten aber sind nicht mal dazu da, Krankheitserreger zu bekämpfen; die meisten werden als Leistungsförderer eingesetzt, häufig in sehr niedriger Dosierung, also in Konzentrationen, die die Resistenzbildung besonders stark fördern."

    Es ist dieses ungünstige Zusammenspiel vieler Komponenten, wie der hohe Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch und die damit einhergehende Massentierhaltung, die bei der Entstehung multiresistenter Keime eine große Rolle spielt.

    All das hat Stefan Degen nur noch in seiner Haltung bestätigt, Biobauer zu werden. Sein Gemüse züchtet er nach ökologischen Gesichtspunkten: hier eine Reihe Porree, daneben zwei Reihen Fenchel und auf der anderen Seite des Feldes wiegt der Wind das zarte Grün der Karotten, dazwischen Blumen.

    "Der Blütenstreifen ist für die Insekten, zum einen um Insekten anzulocken, die das Fruchtgemüse bestäuben sollen."

    Auf seinem Gemüseacker sieht es aus wie vor einer Villa Kunterbunt, nichts wird hier in Masse produziert, und durch die bunte Vielfalt kommt es auch nicht zu großflächigem Schädlingsbefall wie in den Monokulturen der industriellen Landwirtschaft. Gegen Fressfeinde spritzt Degen keine Pestizide, sondern spannt im Notfall zum Schutz der Pflanzen Netze auf. Dennoch musste während der Epec-Epidemie auch seine Branche ausbaden, was die großen Gemüse- und vor allem Fleischhersteller fast täglich provozieren: Lebensmittelskandale. Mal wegen Gammelfleisch, Dioxinverseuchung oder wie eben jüngst wegen der Antibiotika-Rückstände. Stefan Kaufmann:

    "Also, der Antibiotika-Einsatz ist hauptsächlich in der Tierzucht zu finden, er ist nicht in der Anzucht von Gemüse oder Sprossen; wir dürfen aber nicht vergessen, dass da viele Überschneidungen sind und dass Tiere Antibiotika-Resistenzen ausscheiden und so auch Gemüse kontaminieren können."

    Das erklärt auch das Paradoxon, weshalb die Träger der Keime auch auf einem Biohof auftauchen können, obwohl sie ursprünglich einem Tierdarm entwichen sind. Das bei der verzweifelten Suche nach der Quelle für die Ehec-Epidemie auch über umgefallene Gemüsekisten in einem Hamburger Großmarkt diskutiert wurde, zeigt neben der Ratlosigkeit auch die vielen Berührungspunkte, die es gibt: Die Biolandwirtschaft auf der einen Seite und die konventionelle Branche auf der anderen sind eben keine Parallelwelten, sondern es existieren Überschneidungen - seien sie auch nur in einer norddeutschen Lagerhalle. Zusammenhänge, die Biobauer Degen schon lange sieht. Er bewirtschaftet zwar nur gut einen Hektar Land, denkt jedoch - oder genau deswegen - in großen Zusammenhängen:

    "Ich finde, man muss das Problem Ehec aus einer anderen Perspektive aus betrachten. Die Evolution hat eben nicht aufgehört mit dem 21. Jahrhundert, die findet in der Natur ständig statt, und bei dem massiven Beschuss an Antibiotika, der jeden Tag an tausenden verschiedenen Plätzen der Welt stattfindet, ist es eigentlich nicht sehr erstaunlich, dass wir damit Mikroorganismen züchten, die eben sehr widerstandsfähig sind. Das sind Dinge, vor denen bestimmte Mediziner schon lange warnen…"

    ....oder Mikrobiologen wie Stefan Kaufmann. Tatsächlich hat der große Hunger nach Fleisch in den letzten Jahrzehnten in Westeuropa stetig zugenommen. War der Sonntagsbraten vor rund 50 Jahren noch der krönende Höhepunkt der Woche, essen viele Verbraucher inzwischen täglich Fleisch. Die niedrigen Preise machen es möglich, fordern aber ihren Tribut: Für die billige Fleischproduktion werden die Tiere in riesigen Mastanlagen gehalten, um ihnen das Maximum an Fleisch anzuzüchten; dort stehen oder liegen sie dicht an dicht, viel näher als sie sich unter natürlichen Bedingungen je kommen würden. Damit zum Beispiel Puten diesen Stress der Enge verkraften können, werden ihnen Antidepressiva unters Futter gemischt. Die industrielle Tierhaltung bringt noch weitere medizinische Probleme mit sich, denn wenn so viele Tiere einer Art auf so engem Raum zusammengepfercht sind, haben Keime und Erreger ein leichtes Spiel: Der Weg von einem Wirt zum nächsten ist kurz, und schnell ist ein ganzer Stall infiziert. Auch ein Grund warum Kritiker schon lange fordern, die konventionelle Tiermast zu beenden. Stefan Kaufmann:

    "Auf unserem Globus leben 6,8 bis 7 Milliarden Menschen und 30 Milliarden Federvieh, wie Hähnchen, Hühner oder Enten, eine Milliarde Schweine und mehr als drei Milliarden Rinder. Diese Tiere nehmen nur einen kleinen Raum auf unserer Erde ein, sie leben meist in Massentieranstalten, und wir können uns gut vorstellen, dass das große hygienische Probleme aufwirft. Und deshalb werden dort Antibiotika häufig in großen Mengen gegeben."

    Die Ausscheidungen dieser Tiere, sprich die Gülle, landet dann wieder auf dem Feld und mit ihr auch ein Teil der Bakterien, die bei der Aufzucht und Haltung der Tiere zu resistenten Keimen mutiert sind. Allein in Deutschland fallen jedes Jahr rund 200 Millionen Kubikmeter Gülle an. Ob durch sie der Ehec-Erreger auf das Gemüse kam, durch unsachgemäße Düngung oder durch den Wind, der die Güllefahne auf benachbarte Gemüsefelder wehte, ist unklar. Oft lässt sich nicht mal mehr klären, woher die Gülle überhaupt stammt, denn selbst sie wird inzwischen von einem Land zum anderen exportiert.

    Gurken, Karotten oder Putenschnitzel haben auch oft einen längeren Weg über mehrere Landesgrenzen hinter sich, bis sie den Verbraucher erreichen. Die Globalisierung beschert uns Spargel aus Israel und Keime aus fernen Ländern. Wie Stefan Kaufmann weiß:

    "Wir leben in der Welt der Globalisierung. Jeder Mensch kann innerhalb von 24 Stunden an jedem Ort auf diesem Planeten sein, und das gilt auch für die Mikroben, denn die wandern und fliegen mit dem Menschen mit und auch sie können die ganze Welt innerhalb von 24 Stunden erobern."

    Auch das Bio-Gemüse legt oft enorme Strecken vom Feld bis in unsere Salatschüsseln zurück. Die Gesellschaft für Konsumforschung gibt an, dass Deutschland 44 Prozent des Biogemüses aus dem Ausland importiert. Die meisten Exportgurken kommen aus Spanien. Und auch wenn spanische Gurken nur kurz im Verdacht standen, diesen Ehec-Keim nach Deutschland gebracht zu haben, so wurden doch bei der verzweifelten Suche nach der Krankheitsquelle Bereiche ausgeleuchtet, in dessen Fokus sich erhebliche Missstände auftun: Besagte Exportgurken werden nämlich zum Teil mit Wasser aus illegalen Brunnen bewässert. Wie hoch in diesem Wasser die Keimbelastung ist, weiß keiner. Auch in Italien wird das Gemüse, zum Beispiel in der fruchtbaren Poebene, mit Schmutzwasser gegossen. Die frühen Erdbeeren aus Marokko, die schon die Supermarktregale füllen, wenn hier noch Schnee liegt, könnten von Erdbeerfeldern stammen, die am Fuße einer wilden Müllhalde liegen. Das vom Unrat verseuchte Grundwasser gelangt dort ungefiltert auf die umliegenden Felder. Angesichts dieser vielen Missständen hat der Verbraucher nur wenige Möglichkeiten, unappetitlichen Keimen auszuweichen: Regionale und saisonale Produkte zu kaufen, ist eine Möglichkeit, an besten von einem Landwirt, dessen Anbaumethoden er kennt. Als Konsument sollte man, wo immer möglich, mehr Sorgfalt walten lassen, rät Prof. Reinhard Burger, Präsident des Robert-Koch-Instituts, denn das Risiko einer Infektion kann jeder senken - durch:

    ".... mehr Hygiene daheim, also die Trennung von rohen Lebensmitteln vor und nach der Zubereitung von anderen Lebensmitteln. Da ist das Bewusstsein noch einmal gestiegen nach Ehec, also das fängt an beim Händewaschen nach der Zubereitung bis hin zu der Reinigung der Küchenutensilien."

    Eine repräsentative Umfrage aus dem August dieses Jahres ergab, dass rund 40 Prozent der deutschen Verbraucher seit der Ehec-Epedemie auf mehr Hygiene bei der Küchenarbeit achten. Doch Hygiene fängt nicht erst auf dem Schneidebrett in der heimischen Küche an. Stefan Kaufmann:
    "Wenn sich herausstellt, dass es kontaminierte Sprossen waren, dann müssen wir schauen, ob wir durch bessere Einfuhrkontrollen das verringern können, noch besser wäre es, dass die Menschen zum Beispiel in Ägypten mit hygienischen Standards arbeiten, damit solche Übertragungen gar nicht möglich sind. Und wir, wie bei der Tierzucht, nicht nur an die Ökonomie, sondern auch die Ökologie beachten."

    Doch auch wenn Einfuhrkontrollen verschärft würden, mehr Geld für flächendeckende Qualitätskontrollen zur Verfügung stünde, und der Verbraucher letztendlich bereit wäre, für Lebensmittel einen angemessenen Preis zu zahlen, hätten wir noch immer ein Problem. Denn so wie die Landwirtschaft umrüsten müsste, um die Entwicklung aggressiver Keime nicht weiter zu beschleunigen, müsste auch die Medizin nachrüsten: Stefan Kaufmann:

    "Die Ära der Antibiotika hat ihren Höhepunkt leider schon erreicht und wir müssen jetzt kämpfen, dass wir überhaupt noch im Wettbewerb mit den Keimen mithalten können. "

    Und dafür bräuchten wir neue Antibiotika gegen die wir noch nicht resistent sind. Doch in der Hinsicht hat sich allerdings weder die akademische noch die pharmazeutische Forschung in den vergangenen Jahren besonders engagiert:

    "In diesem Jahrtausend sind nur noch wenige Antibiotika entwickelt worden, schätzungsweise sieben oder acht neue Antibiotika, und das ist viel zu wenig!"

    Die jüngste Epidemie ist vorbei. Dass man nach so langer Zeit die Überträger der Keime noch findet, ist unwahrscheinlich. Für sehr wahrscheinlich halten die Forscher allerdings, dass Ehec nicht die letzte Seuche dieses Ausmaßes war. Stefan Kaufmann:

    "Ich befürchte, dass wir irgendwann einen viel größeren Ausbruch einer Seuche haben werden, und ein möglicher Ausgangspunkt für neue Seuchenausbrüche könnte zum Beispiel Ostafrika sein, wo in Lagern riesige Menschenmengen vegetieren müssen."

    Mehr zum Thema:
    In der Vorderpfalz sind viele Bauern durch die EHEC-Krise in ihrer Existenz bedroht
    Höhere Entschädigung für Gemüsebauern
    EHEC auf Sprossen in NRW nachgewiesen
    Sojasprossen nicht als EHEC-Quelle nachgewiesen
    Sojasprossen sollen Ursache für EHEC sein
    Forscher arbeiten an neuem Therapieansatz für EHEC