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Unerwartet steife Brise

Umwelt. – In der oberen Troposphäre, also in etwa acht bis 13 Kilometern Höhe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Windgeschwindigkeiten beträchtlich erhöht. Wissenschaftler aus den USA werten das in der aktuellen "Nature Geoscience" als Indiz für einen beschleunigten Temperaturanstieg. Direkte Messungen durch Satelliten oder Wetterballons hatten dafür bislang keinen Hinweis geliefert.

Von Volker Mrasek | 26.05.2008
    Acht bis 15 Kilometer über dem Erdboden kann niemand Thermometer aufhängen. Die Temperatur in der oberen Troposphäre muss anders ermittelt werden. Dafür gibt es zwei gängige Methoden. Steven Sherwood erläutert sie. Er ist Professor für Atmosphärenphysik an der Yale University in den USA:

    "”Rund um den Globus steigen zweimal täglich Wetterballons auf. Sie tragen Widerstandsthermometer, die die Temperatur messen. Außerdem haben wir Fernerkundungssatelliten im All. Ihre Sensoren fangen die Wärmestrahlung der Erde auf. Auch daraus kann man die Temperatur der Atmosphäre ableiten.""

    Doch beide Messmethoden haben ihre Probleme. Die Ballon-Thermometer sind Einmal-Instrumente: Man sieht sie nach dem Aufstieg in der Regel nicht mehr wieder. Und die Sensoren im All wechseln alle paar Jahre, wegen der kurzen Lebensdauer von Satelliten. Das erschwert es, ihre Messungen zu bewerten, zu vergleichen und systematische Abweichungen zu erkennen – erst recht, wenn verschiedene Geräte-Typen nicht gemeinsam geeicht oder kalibriert wurden. Peter Thorne, Klimatologe am britischen Hadley-Center für Klimavorhersage und –forschung in Exeter:

    "”Es hat starke technologische Veränderungen gegeben. Sie haben die Wettervorhersage definitiv verbessert. Aber problematisch wird es, wenn man heutige Messungen mit denen aus den 60er oder 70er Jahren vergleicht, um einen Klimatrend abschätzen zu können. Da gibt es Abweichungen, die wird man wahrscheinlich niemals exakt beziffern können.”"

    Für Steven Sherwood war das der Grund, es mit einer anderen Methode zu versuchen. In seiner neuen Studie leitet der US-Forscher die Temperatur der Troposphäre indirekt her, und zwar aus Messungen der Windgeschwindigkeit. Auch sie wird routinemäßig von den Wetterballons erfasst. Sherwood:

    "Das Schöne an den Windmessungen ist: Man braucht dafür keine Sensoren, die kalibriert werden müssen. Man erfasst lediglich die Position des Ballons und wie stark er mit dem Wind verdriftet wird. Dabei zeigt sich, dass eine sehr enge Beziehung besteht zwischen Wind und Temperatur in der Atmosphäre. Sie ist viel enger, als selbst Wissenschaftler bisher geglaubt haben. Im Grunde kann man sagen: Wenn man die Windverhältnisse kennt, kennt man auch die Temperatur."

    Überall dort, wo ein Temperaturgefälle existiert, versuchen Luftströmungen, es auszugleichen. Je größer die Differenz, desto stärker der Wind. Messungen aus den Tropen zeigen, dass die Winde in der oberen Troposphäre in den letzten 30 Jahren kräftiger geworden sind, während sie in Bodennähe abflauten. Die sogenannte Wind-Scherung hat also zugenommen - ein Hinweis auf die stärkere Erwärmung in größerer Höhe. Sherwood:

    "”Aus der Windscherung leiten wir auch die Temperaturen für unsere Analyse ab. Und wie wir bestätigen können, steigen sie in der oberen Troposphäre in den Tropen am schnellsten. Das ist der Höhenbereich zwischen acht und 13 Kilometern. Er erwärmt sich um mehr als halbes Grad Celsius pro Jahrzehnt. Dort verändert sich auch die Windscherung am stärksten.""

    Das deckt sich nun endlich mit den Prognosen der globalen Klimamodelle, die in der tropischen Troposphäre die höchsten Erwärmungsraten liefern. Insofern könnte die neue US-Studie dazu beitragen, Zweifel an den Modellen – die es immer noch gibt - weiter zu zerstreuen. Der Fehler steckte wohl nicht in den Rechenprogrammen, sondern in den Abweichungen bei den Ballon- und Satellitenmessungen. Forscher wie Sherwood und Thorne fordern nun, die Instrumente besser aufeinander abzustimmen. Um Klimatrends in Zukunft verlässlicher erfassen zu können.