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UNESCO-Lehrstuhl in Dresden
Vom Umgang mit geschützten Kulturgütern

An elf Universitäten in Deutschland gibt es UNESCO-Lehrstühle, einer davon gehört zur TU Dresden. Dort leitet Sabine von Schorlemer den UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen. Derzeit befasst sich die Völkerrechtlerin insbesondere mit bedrohtem oder zerstörtem Weltkulturerbe in Krisengebieten.

Von Bastian Brandau | 08.01.2018
    Ruinen der zerstörten Antikenstadt Palmyra in Syrien.
    Lehrstuhlinhaberin Sabine von Schorlemer kümmert sich um zerstörtes Weltkulturerbe u.a. im zentralsyrischen Palmyra. Dort hat die IS-Miliz große Teile der Antikenstadt zerstört. (dpa / picture alliance / Mikhail Voskresenskiy)
    Dritter Stock im Von-Gerber Bau der TU Dresden. Die Tür zum Büro von Sylvia Maus steht offen. Maus ist Koordinatorin am UNESCO-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und gerade im Gespräch mit Lehrstuhlinhaberin Sabine von Schorlemer. Die UNESCO ist hier präsent: Auf wissenschaftlichen Postern prangt das Logo der UN-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Sabine von Schorlemer ist Völkerrechtlerin, spezialisiert auf den Umgang mit geschützten Kulturgütern. Momentan befasst sie sich insbesondre mit bedrohtem oder zerstörtem Weltkulturerbe in Krisengebieten wie Syrien und dem Irak.
    "Es geht sicher darum, das Bewusstsein der Menschen zu fördern, den Wert der Kulturgüter zu erkennen. Es geht darum, auch Vorsorgemaßnahmen zu treffen, Kulturgüter zu schützen, es geht um die Ausbildung auch entsprechender Konfliktparteien, dass auch sie wissen, an welche Regeln sie sich zu halten haben. Man kann natürlich auch versuchen, Nothilfe zu organisieren, das versucht die UNESCO auch sehr stark in ihrem neuen Strategieprogramm. Da gibt es auch in der theoretischen Wissensvermittlung sehr viel, aber es gibt auch praktische Hilfe."
    Sabine von Schorlemer
    Die Völkerrechtlerin und Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls für Internationale Beziehungen, Sabine von Schorlemer (picture alliance / dpa / Matthias Hiekel)
    Von Schorlemer berät, etwa wenn es darum geht, welche Projekte in Krisengebieten unterstützt werden sollen. Wie man Zollbeamte schulen kann, Raubkunst aus Kriegsgebieten zu erkennen. Im steten Austausch mit der UNESCO, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen, auf Tagungen und Kongressen. Auch die Lehre hat einen UNESCO-Bezug. Ein aktuelles Seminar habe sich damit beschäftigt, wie völkerrechtlich mit den Wracks der im Ersten Weltkrieg gesunkenen Schiffe umzugehen sei. Nach 100 Jahren gelten sie als archäologische Unterwassergüter. Sie sind aber auch Gräber.
    "So dass sich die Frage des Umgangs stellt, im Spannungsfeld zwischen archäologischem Erbe – UNESCO-Thema einerseits – und dem Thema Gedenkstätten der Seekriegsgräber. Und da fehlt die Definition. Es gibt derzeit keine anerkannte internationale Definition eines Seekriegsgrabes."
    Viele Studierende kennen den Lehrstuhl gar nicht
    Am UNESCO-Lehrstuhl, das verrät schon ein Blick auf den Internetauftritt, arbeiten derzeit überwiegend Frauen. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Ziel der Vereinten Nationen, die Förderung von Frauen spiele bei ihr eine große Rolle, sagt Sabine von Schorlemer.
    "Und ich erinnere mich daran, dass wir eigentlich über Jahre hinweg überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich, weibliche Mitarbeiter am Lehrstuhl hatten. Das kann man aber nicht immer so steuern. Das hängt schon davon ab, dass bei gleicher Leistung auch die Bewerbungen stattfinden. Das ist manchmal auf der Ebene des Führungspersonals nicht ganz einfach, wir achten drauf auf der Ebene der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Lehrstuhl."
    Neben völkerrechtlicher Forschung und Beratung hat der Dresdner UNESCO-Lehrstuhl derzeit ein weiteres Ziel: in die eigene Universität hineinzuwirken. Dass es einen UNESCO-Lehrstuhl an ihrer TU gibt, ist bei einer Umfrage den meisten Studierenden vor der Altem Mensa nicht bekannt.
    "Ich habe noch gar nichts mitbekommen davon."
    "Gar nichts. Ich weiß gar nicht, dass es einen gibt."
    "Nie davon gehört, ist uns nichts davon bekannt."
    Workshops sollen die Ziele der UNO bekannter machen
    Im Büro der UNESCO-Lehrstuhl-Koordinatorin Sylvia Maus verdeutlicht ein Schaubild diesen Wunsch. Grüne Pfeile verbinden rot umkreist Namen von Einrichtungen in Dresden. An den Rändern: die 17 Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.
    "In diesem Jahr wollen wir die wissenschaftliche Mitarbeiter, die Kollegen aus den Ingenieurwissenschaften, aus den naturwissenschaftlichen Fächern einladen, sich mit uns darüber zu unterhalten, welchen Beitrag sie zu der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele leisten, in ihrer täglichen Arbeit. Seien es Wasserwirtschaftler, seien es Stadtplaner, Architekten, Abfallwirtschaftler. All die haben bestimmt einen Bezug zu den nachhaltigen Entwicklungszielen, von dem wir aber wenig wissen."
    Aus einem Workshop heraus soll sich, so die Hoffnung, eine regelmäßige Zusammenarbeit ergeben. Um die Ziele der Vereinten Nationen zu fördern und bekannter zu machen. In der Stadt, die mit der UNESCO auch verbindet, dass hier zum bisher einzigen Mal der Titel Weltkulturerbe entzogen wurde. Mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke durch das geschützte Elbtal ging der Titel 2009 verloren. Auch Sabine von Schorlemer, von 2009 bis 2014 parteilose Wissenschaftsministerin einer CDU-geführten Regierung in Sachsen, hatte sich gegen den Bau der Brücke ausgesprochen.
    "Der Vorgang ist letztlich abgeschlossen, der Titel ist verloren, und dadurch stellen sich für den UNESCO-Lehrstuhl keine weiteren Fragen. Der Vorgang hat stattgefunden, und es ist natürlich bedauerlich, dass gerade Deutschland auch der erste und einzige Staat ist, dem dies widerfahren ist."