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Ungarische Kulturpolitik
"Die Propagandamaschine läuft"

Die ungarische Kulturszene ist beunruhigt: Denn der Präsident der Ungarischen Akademie der Künste, György Fekete, soll künftig noch mehr Macht bekommen. "Wenn diese Vorschläge Wirklichkeit werden, wird der ideologische Zwang ein totaler sein", warnt der Schauspieler Márton Gulyás. Geld werde es dann nur noch für nationalistische Arbeiten geben.

Von Stephan Ozsváth | 17.12.2015
    Der Präsident der Ungarischen Akademie der Künste (MMA), György Fekete im Gespräch mit zwei Männern
    Der Präsident der Ungarischen Akademie der Künste (MMA), György Fekete (l.) (imago/stock&people/EST&OST)
    Eklat auf der Sitzung der Ungarischen Akademie der Künste Anfang November in Budapest. Der Schauspieler Márton Gulyás versucht, dem Präsidenten der Einrichtung ein paar Fragen zu stellen. Vergeblich: Ordner führen ihn rüde ab, so rüde, dass er die Treppe des Podiums herabstürzt. Im Saal schimpft einer auf die "Judenbande", die die Veranstaltung störe.
    Hintergrund der Affäre: Nach ungarischen Medienberichten soll Akademie-Präsident György Fekete künftig noch mehr Macht bekommen. Er soll auch bei der Nationalen Kulturstiftung der starke Mann werden, mit weitreichenden Vollmachten. Márton Gulyás:
    "Wenn diese Vorschläge Wirklichkeit werden, wird der ideologische Zwang ein totaler sein. Es wird keine unabhängige Stelle geben, die Kultur in Ungarn mit Geld unterstützt. György Fekete wird das Recht haben zu entscheiden: Wer darf Geld verteilen und an wen? Und wie viel?"
    Nationalkitsch und EU-Kritik am Theater
    Schon jetzt verfügt die Ungarische Akademie der Künste über beträchtliche Mittel: Mehr als 16 Millionen in diesem Jahr, der Etat des nächsten sieht mehr als 20 Millionen Euro vor. Und die werden nach Gesinnung vergeben. Ein Akademie-Mitglied kann nur sein, so György Fekete, "wer ein gesellschaftlich und künstlerisch anerkanntes Lebenswerk vorweisen kann. Wer ein über das normale Maß hinausgehendes Interesse am öffentlichen Leben hat. Und Nationalgefühl."
    Vor allem Letzteres spielt eine große Rolle, seit Regierungschef Viktor Orbán im Jahr 2010 die Macht übernommen hat. Die Köpfe aller wichtigen Kulturinstitutionen wurden ausgetauscht. An die Spitze des Nationaltheaters etwa kam vor zweieinhalb Jahren der aus der Ukraine stammende Attila Vidnyánszky, ein Orbán-treuer Theaterfunktionär.
    "Es wird sich alles ändern: der Tenor. Die Botschaft. Es wird in allem ein anderes Theater sein, kündigte er damals an."
    Und Vidnyánszky liefert das Gewünschte: Nationalkitsch und EU-kritische Stücke. Und als Theaterfunktionär entschied er auch mit darüber, dass die kritische Konkurrenz, freie Theaterprojekte wie Krétakör, deutlich weniger Geld bekommen. Das bringt Künstler in eine moralische Zwickmühle, so Regisseur Árpád Schilling.
    "Können wir konsequent sein, oder verraten wir unsere Prinzipien - um staatliche Förderung oder einen Staatspreis zu bekommen? Das ist eine Frage an mich, und an die ungarische Intelligenzija."
    Prinzipien gegen Geld?
    Schilling gab eine entsprechende Antwort: Die staatliche Unterstützung für sein Theaterprojekt war so lächerlich, dass Schilling sie zurück gab. Überleben kann Krétakör nur dank internationaler Engagements. Nationalismus und Fußball, das fördert Regierungschef Orbán aktiv - und mit sehr viel Geld. So entsteht ein ungutes Klima, meint Schilling:
    "Die Propagandamaschine der Regierung Orbán läuft auf "volle Kraft voraus". Seine Demagogie. Ich halte das für sehr schädlich aus Sicht des ungarischen Volkes, der ungarischen Bürger."