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Ungarn
Atomdeal mit Russland erhitzt die Gemüter

Die nationalkonservative Regierung unter Viktor Orbán hat einen milliardenschweren Atom-Deal mit den Russen abgeschlossen. Sie bauen das einzige ungarische Atomkraftwerk Paks aus, zwei neue Reaktoren sollen entstehen. Viele befürchten, dass die Abhängigkeit von Russland dadurch noch größer wird.

Von Stephan Ozsváth | 18.03.2015
    Mitte Februar: Am Vorabend des Besuchs von Wladimir Putin in Budapest fordern Tausende Ungarn – Russen raus und Putin "Nein".
    Der Grund für ihren Unmut: Die nationalkonservative Regierung Orbán hat einen milliardenschweren Atom-Deal mit den Russen gemacht. Sie bauen das einzige ungarische Atomkraftwerk Paks aus. Attila Aszódi ist der Regierungsbeauftragte für das Projekt.
    "Es ist unbedingt notwendig, dass wir den Anteil der Atomenergie auf lange Sicht sichern, sagt er im ARD-Interview. Ungarn ist arm an Energiequellen und deshalb muss der Anteil der Nuklearenergie bei 40 Prozent bleiben. Die jetzigen vier Reaktoren werden zwischen 2030 und 2037 ihren Betrieb einstellen. Um die Kapazitäten zu sichern, müssen wir neue Reaktoren in Paks in Betrieb nehmen."
    Zwei neue Reaktoren sollen in Paks entstehen, mit einer Leistung von je 1200 Megawatt. Baubeginn ist 2018. Die Russen leihen den Ungarn dafür 10 Milliarden Euro, 80 Prozent der Baukosten. Ein weiterer Teil der russisch-ungarischen Vereinbarung ruft jetzt auch Brüssel auf den Plan.
    "Eine Bedingung beim Großprojekt Paks war, dass nur die Russen die Brennstäbe liefern dürfen, sagt der ehemalige ungarische Staatssekretär Attila Holoda. Das akzeptieren weder die EU-Kommission, noch die europäische Atomenergie-Agentur EURATOM."
    Die britische Wirtschaftszeitung "Financial Times" hatte vergangene Woche behauptet: Die EU-Kommission drohe mit einem Veto zum Projekt PAKS II. Das dementierte eine Sprecherin in Brüssel. Es geht offenbar nur darum, ob das Brennstäbe-Monopol der Russen EU-Richtlinien verletzt.
    "Dieser Vertrag ist ein Riesenfehler"
    "Sie können das Veto nennen, ich nenne es eine Änderung. Wenn nachgebessert wird, können die Investitionen mit gleichem Inhalt weiter gehen", gibt sich der ungarische Wirtschaftsminister Mihály Varga zuversichtlich. Dem Vernehmen nach will die EU-Kommission noch in dieser Woche ihre Stellungnahme abgeben. Bernadett Széll von den oppositionellen Grünen in Ungarn meint.
    "Es war ein Riesenfehler, dass Orbán und Putin diesen Vertrag unterzeichnet haben. Er, der als Ministerpräsident für weitere vier Jahre gewählt ist, hat damit die Abhängigkeit Ungarns von Russland auf lange Sicht verstärkt."
    Schon jetzt hängt Ungarn am russischem Gashahn, hat Premier Viktor Orbán kürzlich freimütig eingeräumt. Warum sich dann auch noch in der Kernenergie von Moskau abhängig machen ? Die Opposition wittert Korruption, bestärkt dadurch, dass die Verträge bis zu 30 Jahre lang der Geheimhaltung unterliegen sollen. Die Regierung begründet das so.
    "Da geht es um geschäftliche oder technische Daten, die für die nationale Sicherheit und den Schutz geistiger Leistungen wichtig sind, sagt Wirtschaftsstaatssekretär András Araczki. Und die Investition ist langfristig, bis mindestens 2033 wird gebaut."
    Am Wochenende gingen wieder Tausende Regierungsgegner in Budapest auf die Straße. Der Atomdeal mit den Russen war ein Thema – die Regierungskritiker fordern eine Volksabstimmung.
    "Wir würden ja gerne wissen, was bei der Erweiterung von PAKS läuft", so der Jurist Tamás Lattmann. "Aber die Regierung hält alles geheim. Wir wissen nur eins: PAKS II wird uns 10 Milliarden Euro kosten."