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Ungarn
Das Lavieren des Viktor Orban

Die EU will offenbar bis Freitag über neue Sanktionen gegen Russland entscheiden. Für Ungarn ist das keine gute Nachricht, die Wirtschaft des Landes leidet bereits jetzt unter der Krise. Premierminister Viktor Orban will sich dennoch nicht festlegen, welche Seite er unterstützt.

Von Karla Engelhard | 02.09.2014
    Präsident Viktor Orban steht vor ungarischen Landesflaggen
    Ungarns Premier Viktor Orban kritisiert die EU-Sanktionen. (picture-alliance/ dpa / Szilard Koszticsak)
    Seit Beginn der Ukraine-Krise versucht der ungarische Regierungschef Viktor Orban, zu lavieren. Nur in einem bleibt er standhaft, von EU-Sanktionen gegen Russland hält er nichts:
    "Die Sanktionspolitik war bisher erfolglos. Es ist ein militärischer Konflikt, den man nicht mit solchen Sanktionen lösen kann."
    Die Sanktionen gegen Russland seien außerdem ein Schuss ins eigene Knie und schaden der EU und Ungarn. Die Majdan-Regierung in Kiew kritisierte Viktor Orban von Anfang an, nicht wegen der fehlenden Legitimation, sondern vor allem wegen des Sprachgesetzes, das ausschließlich Ukrainisch als Amtssprache vorsah. Orban sah die Rechte seiner ethnischen Ungarn im Westen der Ukraine in Gefahr – immerhin schätzungsweise zwischen 150.000 bis 200.000 Menschen. Er forderte von Kiew sogar Autonomierechte für seine Landsleute in der Ukraine.
    Scharfe Protestnote gegen Krim-Annektierung
    Andererseits verurteilte der ungarische Ministerpräsident im Einklang mit der Europäischen Union die völkerrechtswidrige Aneignung der Krim durch Russland. Im Verbund der Visegrad–Staaten Polen, der Tschechischen Republik und der Slowakei unterzeichnete Orban eine scharfe Erklärung gegen das Verhalten Moskaus, das an Budapest 1956, Prag 1968 und Warschau 1981 erinnere. Damals zogen auch Panzer auf, um Moskaus Vorherrschaft zu demonstrieren.
    Zugleich hat sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban mit einem Zehn-Milliardenkredit aus Moskau an Russland gebunden. Geld für zwei neue Rosatom-Meiler im ungarischen Paks. Den Bedarf an Erdgas deckt Ungarn zu 80 Prozent mit russischen Lieferungen. Russland ist für Ungarn Handelspartner Nummer 2, nach Deutschland. Die Ukraine-Krise kommt Ungarn schon jetzt teuer zu stehen. Der Ökonom Istvan Madar erklärt:
    "Unsere Exporte in die Ukraine und nach Russland sind im ersten Drittel des Jahres um 15 Prozent zurückgegangen, unabhängig von Sanktionen. Es gibt keine Nachfrage mehr dort. Der Konflikt bremst schon jetzt die ungarische Wirtschaft."
    Ungarische Wirtschaft leidet unter Krise
    Imre Tóth, in der ungarischen Handelskammer für das Russlandgeschäft zuständig, ergänzt:
    "Rund 95 Prozent der ungarischen Produkte, die nach Russland gehen, kommen aus der Industrie, wie Maschinen, Autoreifen, Papier oder Medikamente. Es geht nicht nur um nostalgische Produkte wie Salami oder Tokajer, sondern um neue, ungarische Qualitätsprodukte."
    Nach ersten Schätzungen verlieren ungarische Produzenten durch den russischen Exportstopp von Agrarprodukte aus der EU bereits 220.000 Euro am Tag, 80 Millionen im Jahr. Offen ist außerdem, ob der russische Zehn-Milliarden-Kredit für den Ausbau des ungarischen Kernkraftwerkes Paks nun weiter fließen wird.