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Ungarn
Kritik an Flüchtlingslagern wächst

Dreckig, überfüllt, unmenschlich: Die Kritik am größten ungarischen Auffanglager in Röszke wächst, nachdem ein Video aufgetaucht ist. Es zeigt, wie Flüchtlinge mit Nahrung versorgt werden. Die Regierung rechnet mit bis zu einer halben Million Menschen bis Jahresende - und betont erneut, bald den Umgang mit ihnen weiter zu verschärfen.

11.09.2015
    Hier reichen Polizisten Flüchtlingen das Brot durch einen Zaun
    Hier reichen Polizisten Flüchtlingen das Brot durch einen Zaun (picture alliance/dpa/Sandor Ujvari)
    Österreichische Aktivisten beklagen einen unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen im größten ungarischen Auffanglager. Sie veröffentlichten ein Video, das zeigt, wie Polizisten in Röszke Tüten mit Brötchen in die wartende Menge werfen. "Es erinnerte an die Fütterung von Tieren in ihrem Gehege, wie Guantanamo in Europa", sagte Klaus Kufner, dessen Mitstreiterin Michaela Spritzendorfer die Essensausgabe in dem Lager heimlich gefilmt hatte.
    "Es war unmenschlich, und es spricht für sich, dass sie (die Flüchtlinge) nicht um das Essen geschlagen haben, obwohl sie offensichtlich sehr hungrig waren", erklärte Spritzendorfer. Die Aktivisten waren nach eigenen Angaben nach Röszke gereist, um Lebensmittel, Kleidung und Medikamente an die Flüchtlinge zu verteilen.
    Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte die Zustände in allen ungarischen Erstaufnahmelagern an der Grenze zu Serbien als "entsetzlich" kritisiert. "Die in Röszke Internierten werden unter dreckigen, überfüllten Bedingungen festgehalten, sind hungrig und entbehren medizinischer Versorgung", erklärte HRW-Nothilfe-Direktor Peter Bouckaert.
    In Röszke trifft ein Großteil der Flüchtlinge von der sogenannten Balkanroute ein, die Westeuropa erreichen wollen. Die Lage an dem Grenzübergang ist seit Tagen angespannt. Die Behörden lassen keine Journalisten und praktisch auch keine Vertreter von Menschenrechtsorganisationen in die Lager.
    Zur Verbesserung der Lage will das UNHCR Gebäude und weitere Hilfsgüter in das Camp an der Grenze zu Serbien schicken. Auch die Vereinten Nationen hatten die Bedingungen dort zuletzt scharf kritisiert.
    Nur das Engagement von Freiwilligen hat nach Einschätzung von Menschenrechtlern bislang eine Katastrophe vor Ort verhindert. Der Einsatz der vielen Helfer auch aus Deutschland habe Flüchtlingen das Leben gerettet, sagte der Koordinator des Flüchtlingsprogramms beim ungarischen Helsinki-Komitee, Gábor Gyulai. Kirchen und große Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz hielten sich bei der humanitären Hilfe auf "auffallende Weise fern, wie es sie in Europa noch nie gab". Grund dafür sei Rücksicht auf die Regierung, die eine fremdenfeindliche Hasskampagne führe.
    Orban betont Folgen von neuem Gesetz
    Regierungschef Viktor Orban kündigte einmal mehr ein drastisches Vorgehen an: Wer illegal über die Grenze nach Ungarn komme, werde vom 15. September an inhaftiert. Flüchtlinge hätten in den vergangenen Tagen gegen ungarisches Recht verstoßen und nicht mit den Behörden kooperiert.
    Migranten, die illegal über die Grenze ins land kommen, begehen nach einer Gesetzesänderung in Ungarn nun eine Straftat, für die von Schnellgerichten mehrjährige Haftstrafen verhängt werden können.
    In Ungarn könnten bis Ende des Jahres 400.000 bis 500.000 Flüchtlinge ankommen, sagte Außenminister Peter Szijjarto nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Deutschland, Polen, Tschechien und der Slowakei in Prag.
    (bor/tön)