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Ungleiche Chancen

UNICEF und der Familiensoziologe Hans Bertram rufen in einer neuen Studie dazu auf, das kindliche Wohlbefinden in den Vordergrund zu stellen, anstatt nur auf Bildung und Optimierung der Kinder zu pochen. Zeit, Kinder und Jugendliche zu Wort kommen zu lassen.

Von Miriam Berger | 24.10.2013
    In einem freundlichen, bunten Raum im "Kinderhaus Winkelsprossen" tollen zwei Mädchen ausgelassen auf ein paar Matten herum. Alyssa Soulemana und Lara Gottfried, beide knapp sechs, kommen seit vier Jahren hierher. Nun stehen sie kurz vor der Einschulung. Was Kinder so brauchen, um rundum glücklich zu sein, davon haben beide genaue Vorstellungen.

    "Spielzeuge!
    Spaß!
    Und noch Frühstück, Mittagessen und Nachtisch.
    Und ich finde noch am besten, wenn keine Erzieher hier wären.
    Dass wir auch im Kindergarten drinnen seilspringen können. Oder Basketball.
    Und wir können toben!"

    Doch: Einmal in der Schule, steht bei vielen Kindern auf einmal der Leistungsgedanke im Vordergrund. Gute Noten bitte, denn sonst, das weiß ja jeder, hast du auf dem Arbeitsmarkt später eh keine Chancen.

    "Ich fühl mich so gezwungen in die Schule zu gehen. Ich möchte natürlich was lernen, aber ich find, manche unterrichten einfach total blöd, das versteht man halt nicht. Die sollten sich halt mehr darum kümmern, wie´s den Schülern geht."

    Sabia Karaca ist 14 Jahre alt und muss heute nicht die Schulbank drücken. Stattdessen lernt sie Theater spielen im Kölner Künstlertheater. Der Theaterkurs gehört zum Ferienprogramm der Arbeiterwohlfahrt. Teilnehmen dürfen Mädchen im Alter von zehn bis 15 Jahren. Viele der Mädchen beziehen das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Es ermöglicht Kindern aus einkommensschwachen Familien die Teilnahme an verschiedenen Angeboten. Trotzdem hätten es Kinder aus ärmeren Familien schwerer, meint die 10-jährige Aysin Zuzkir.

    "Die Reichen haben halt mehr Chancen und die Mittleren, den Kindern auch für die Schule und so Klamotten zu kaufen. Aber die Armen haben dann nicht so viele Chancen. Die Kinder tragen dann vielleicht gerissene Oberteile und können dann halt nicht zur Schule gehen."

    "Ich möchte in Deutschland bleiben, hier leben und nicht zurück nach Bulgarien", sagt Dimitri Kyriou. Er und seine Eltern sind seit einem halben Jahr hier. Der 18-Jährige besucht die Schule. Deutschland gefalle ihm sehr gut. Seine Eltern und er hätten sehr viel Unterstützung bekommen. Allerdings wundert er sich über den rüden Umgang unter den Jugendlichen.

    "Junge Leute haben hier keinen Respekt. Jugendliche rauchen Marihuana, nehmen Drogen, um glücklich zu sein, einfach so. Alle machen das hier, ich weiß das, jeder hier", sagt Dimitri. Regelmäßig kommt er hierher: Ins Quäker-Nachbarschaftsheim, ein sozial-kulturelles Zentrum, das ursprünglich von englischen Quäkern gegründet wurde.

    Kicker, Tischtennis, Billard und Disco - das kostenlose Angebot ist beliebt. Zurzeit sind es auch schon einmal 100 Jugendliche, die kommen. Darunter viele Arbeitslose, Schulverweigerer und Flüchtlinge. Auch die 17-jährige Laura Mandacruz Cice ist regelmäßig hier. Mit drei Jahren ist sie mit ihrer Familie von Chile nach Deutschland gekommen und wird nächstes Jahr ihr Abitur machen. Und auch Laura kann bestätigen, dass es arme Kinder in der Schule besonders schwer haben.

    "Bei uns war das so, dass da die Reicheren die Ärmeren so gemobbt haben, weil die sich nicht so viel leisten konnten, hauptsächlich wegen Klamotten."

    Was meint Laura, was diese Kinder brauchen?

    "Hilfe! Dass man denen vermittelt, dass sie auch willkommen sind, dass man denen auch helfen wird, und nicht einfach so die da so liegenlassen, sozusagen."