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Ungleiche Schwestern

Mit dem Beitritt Sloweniens zur EU wurde die Grenze zwischen den seit dem Zweiten Weltkrieg geteilten Städten Gorizia in Italien und Nova Gorica in Slowenien geöffnet. Die Doppelstadt, die während des Kalten Krieges geteilt war, wächst nun wieder Stück für Stück zusammen. Die wechselhafte Geschichte der Grenzregion können Touristen bei einem Bummel durch Gorizia und Nova Gorica kennenlernen.

Von Alexander Musik | 25.01.2009
    Die Grenzanlagen stehen noch, die Schranken hat man einfach abgesägt, Grünpflanzen vermodern, wo früher Pässe kontrolliert wurden. Freie Fahrt zwischen Gorizia mit seinen 36.000 Einwohnern und Nova Gorica, knapp halb so groß. Die Italiener fahren nach Slowenien, weil dort Benzin, Restaurants und Zigaretten billiger sind; die Slowenen nach Italien, weil der Immobilienmarkt attraktiver ist. Irina Jez, Rathausangestellte in Nova Gorica, ist wie viele ihrer Landsleute mehrsprachig.

    "2004 wurden wir Bürger der EU. Zu diesem Zeitpunkt war es für uns schwieriger, die Grenze zu überqueren, weil, vorher haben wir nur unseren besonderen Pass gezeigt, nur so gehoben, als wir über die Grenze gingen. 2004 wurden wir immer angehalten. Und da wurden die Dokumente geöffnet. Vor 2004 haben wir nur eine Minute gebraucht, um die Grenze zu passieren, dann waren das zehn Minuten oder mehr. Ich spreche nicht von den internationalen Grenzübergängen. Wir haben ja Kleingrenzübergänge gehabt, da ging es schnell. Jetzt ist es super. Ich bin selber fast jeden Tag in Italien, jetzt fahren wir mit 40 km/h über die Grenze."

    Mauro Gubana führt auf der italienischen Seite das altehrwürdige Hotel "Alla Transalpina". Die Zimmer gehen auf das Mosaik an der Staatsgrenze, das 2004, mit dem EU-Beitritt Sloweniens, feierlich eingeweiht wurde. Der Bahnhof dahinter liegt auf slowenischem Gebiet, er ist das einzige Gebäude im wuchtigen k.u.k.-Stil in ganz Nova Gorica - Folge der Grenzziehung 1947 beim "Frieden von Paris", wo man den Bahnhof der neuen Volksrepublik Jugoslawien zuschlug.

    Heute wirkt der Bahnhof Transalpina wie ein überdimensionierter Fremdkörper aus einer anderen Zeit - denn hier verkehren nur noch wenig Züge, Reisende sind rar. Deshalb scheint es auch nicht nötig, die Tür zur original erhaltenen Bahnhofshalle einmal zu ölen.

    Den Ort Nova Gorica gab es nach dem Krieg noch nicht; hinter dem Bahnhofsgebäude lagen Felder und Brachland. Jugoslawische Arbeitsbrigaden zogen in den Folgejahren schmucklose Wohnriegel und Verwaltungsgebäude hoch. Büsten mit rotem Stern zu Ehren von Politkommissaren und anderen Volkshelden säumen noch heute die Hauptstraße.

    Neu-Gorizia hatte - auch architektonisch - so gar nichts mit der historisch gewachsenen Stadt auf der anderen Seite zu tun. Hotelier Gubana betont aber, es habe dennoch immer regen Austausch zwischen den Nachbarn gegeben. Durch Sonderregelungen für alle, die im Umkreis von zehn Kilometern auf der einen oder anderen Seite wohnten.

    "Man brauchte ein besonderes Dokument: 'Lasciapassare' in Italiano. Ausweis. 'Propusnica' in Jugoslawien. Viele glauben, Gorizia sei wie Berlin gewesen. Das stimmt nicht! Gorizia blieb Gorizia. Die Grenze verlief um die Stadt herum. Für uns war es immer einfach, die Grenze zu überqueren. Das Hotel gibt es seit 99 Jahren, wir haben hier vier verschiedene Flaggen am Bahnhof gegenüber gesehen, nicht wir, sondern unsere Vorfahren: die österreichische, die italienische, die jugoslawische und die slowenische."

    Wer vom Balkon des Palazzo Lantieri schaut, sieht einen nach arabischer Art angelegten Garten. Bald blühen hier die Rosen, die Contessa Carolina von Levetzow-Lantieri anpflanzen ließ, in Gorizia, der Stadt der Rosen. 200 Meter weiter ist die Grenze. Das ursprüngliche Haus, ein im Laufe der Jahrhunderte stark erweiterter mittelalterlicher Wohnturm, bildete eines von Gorizias Stadttoren, die "porta oriente". Heute ist es das letzte noch erhaltene Stadttor. Die Mauer, die das Grundstück der Lantieris begrenzt, ist die alte Stadtmauer.

    Die Lantieris bewohnen ihr Stadtpalais seit gut 500 Jahren. Carolina, ihr Ehemann, fünf Kinder und Schwester Clementina. Auf der Gästeliste: Casanova, Goethe, Goldoni. Um nur einige zu nennen. Die Ländereien der Lantieris sind verlorengegangen nach dem Krieg; sie liegen 25 Kilometer weiter, im heutigen Slowenien, und wurden verstaatlicht. Carolina hat kein großes Interesse, die Güter vom Staat wieder zurückzuerhalten. Sie investiert ihren Tatendrang lieber in die Kunstförderung.

    "Wenn wir Gäste hatten oder Verwandte, die herkamen, fuhren wir über die Grenze und haben ihnen die Besitzungen meines Vaters gezeigt und überhaupt Jugoslawien, wie es damals hieß. Da war es so, als wenn man in fünf Minuten 3000 Kilometer gemacht hat. Und jetzt: Das geht ja alles so schnell. Und die Slowenen haben diese Lust, sich zu engagieren - und vor allem kulturell. Ich hab bis jetzt nur Verbindungen mit Ljubljana gehabt und ich muss sagen: Es ist eine Freude, mit denen zu arbeiten! Weil sie sehr viel Energie haben. Wenn am Montag hier alles geschlossen ist, brauch ich ja nur nach Nova Gorica und da ist alles offen und das hat man noch nicht drin! Das ist es eben. Ich glaube, dass es für uns eine Stimulation, dass sie so eilig sind die Slowenen, das müsste uns auch angehen, weil wir sind eben so langsam! Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die historische Seite von Nova Gorica werden, wenn wir so weitermachen, so schlafen."

    An Carolina Lantieri wird es jedenfalls nicht gelegen haben, sollte Gorizia je einschlummern. Die polyglotte Dame ist ebenso herzlich wie agil; sie ist zwar in der Vergangenheit verwurzelt, doch stimuliert sie das umso mehr, sich mit der Gegenwart zu befassen. Am liebsten mit Gegenwartskunst: Kounellis, Fabre, Pistoletto arbeiteten hier, ließen Kunstwerke im Haus zurück. Kleiner Rundgang durch den Palazzo mit seinen 2500 Quadratmetern Dachfläche.

    "Wo wir jetzt sind, ist es noch immer so geblieben wie bei meinen Eltern, seit dem Zweiten Weltkrieg. Michelangelo Pistoletto hat diese Installation gemacht, die zeigt Mitteleuropa und wo wir uns befinden. Dass wir wieder im Zentrum sind: in Friuli Venezia Giulia. Schauen Sie sich das an! Das haben wir gemacht, als wir eingeladen haben zwölf Ostländer: Kuratoren, Direktoren von Museen, von art magazines. Das war ein sehr interessantes Projekt. Das war 2005, 2006. Ich hätte anfangen sollen mit der Installation von Jannis Kounellis, der 2004, als hier virtuell die Grenze geöffnet wurde, mit dieser Feier vorm alten Bahnhof, da hat Kounellis eine wahnsinnig interessante Installation gemacht hier im Turm. Hier hat der Papst übernachtet, als er von Rom nach Wien fuhr, Papst Pius VI., das war das Zimmer der Comtesse de Chambord, die hier gelebt hat, lange, die Frau vom Dauphin. Das war neben der Kirche, die Kapelle di San Antonio, die gebaut wurde an der Stelle, wo der Heilige Antonio selber gewohnt hat, sechs Monate lang. Hier sieht man schön, wo wir sind: Da ist die Burg und hier ist gegenüber der Palast Strassoldo, aber schlecht restauriert. Schauen Sie doch meine Dächer an, die sind auch restauriert, und schauen Sie das an."

    Mit der Burg, dem Castello, fing alles an. Die Tiroler Grafenfamilie Görz beherrschte von hier aus Jahrhunderte lang das Land bis fast zur Adria, 35 Kilometer weiter südlich. 1300 kauften die Lantieris der Familie Görz ein Haus ab, das "Schönhaus". Als die Görzens ausstarben - um 1500 - übernahmen die Habsburger die Herrschaft über die Grafschaft Görz und Gradisca. Zeitgleich zogen die Lantieris ein - und sind immer noch da.

    Wer will, kann sich in den Räumlichkeiten, in denen jedes Möbelstück Patina ausstrahlt und ein Teil Familiengeschichte ist, auch einmieten: am Schnittpunkt von Ost und West, von Vergangenheit und Gegenwart, wie Carolina gerne sagt, die oft darüber nachgedacht hat, weshalb sie überhaupt noch hier bleiben soll, wo doch ihre Töchter schon flügge sind.

    "Das muss ja einen Sinn haben! Die fangen schon an in der Welt herumzureisen, da denkt man sich oft, was hat das für einen Sinn, so ein großes Haus, das ist ja sehr mühsam. Und solange ich hier eine Art "scrigno", einen Thinktank habe, das gefällt mir. Hier sind viele Ideen entstanden. Es gibt ja nicht so viele Familien, die noch in dem eigenen Haus leben seit 500 Jahren. Und das lässt so einen gewissen Geschmack, "sapore", das spüren die Leute, wenn sie herkommen, weil das alles authentisch ist. Wir haben die Küchen erneuert, die Bäder, aber wir haben nie die Atmosphäre verändert."

    Gorizia ist sozusagen destilliertes Mitteleuropa. Der Weg vom liebevoll restaurierten Burgviertel über der Stadt am Denkmal des Dichters Gabriele d'Annunzio vorbei hinunter auf die Piazza S. Antonio atmet im Habsburger Rhythmus: Paläste in kaisergelb, mal frisch gestrichen, mal stark verblichen, schattige Laubengänge aus alter Zeit, unter denen heute Restaurants ihre Gäste bewirten. Ob Piazza Cavour, della Vittoria oder S. Francesco - die Fassaden spiegeln wechselnde Herrschaftsverhältnisse in der Stadt und die Wunden zweier Kriege.

    Der Corso Italia vom italienischen Bahnhof zur Altstadt ist eine wunderbare Sammlung abblätternder Stadtvillen, eingebettet in südliche Gärten. Viele davon wurden nach dem Ersten Weltkrieg im klassizistischen Stil wiederaufgebaut. Auf halber Strecke der Parco della Rimembranza mit dem Ehrenmal für die italienischen Gefallenen im Großen Krieg. Das Ehrenmal wurde im Zweiten Weltkrieg seinerseits zerstört. Die Trümmer ließ man liegen, an Ort und Stelle pittoresk angeordnet.

    Der Erste Weltkrieg, in Italien wie in Frankreich der Große Krieg genannt, wird im Museo della Grande Guerra am Burgberg noch einmal lebendig. Ausgestellt sind viele Waffen. Vor allem schwere Artillerie, Morgensterne, Messer, Granaten. Ein pikantes Exponat: Eine Cartier-Schatulle mit drei blank polierten, in Samt eingehüllten Schrapnellen. Ein Werbegeschenk des Autobauers und Ingenieurs André Citroen an den Generalstabschef des italienischen Heeres, Armando Diaz: Der Franzose stellte unter Beweis, dass er außer Autos auch Waffen bauen konnte.

    Am 23. Mai 1915 erklärte Italien Österreich-Ungarn den Krieg - zwölf Mal attackierten die Italiener im Gebirge über dem Isonzo-Fluss die Österreicher. Plötzlich wird klar, warum dem Dichter und Politiker d'Annunzio die Ehre zuteil wird, am Burgberg zu stehen: als Propagandist des italienischen Kriegseintritts, der einmal selbst ein Flugzeug nach Wien lenkte, um dort Flugblätter abzuwerfen. Ziel der italienischen Vorstöße am Isonzo: das stark befestigte damals habsburgische Görz.

    Erst im Juni 1918 endete der zermürbende Stellungskrieg in der Karstlandschaft mit Hunderttausenden Toten auf beiden Seiten - aus militärischer Erschöpfung, gefolgt von der Auflösung der Doppelmonarchie. Görz wird italienisch.

    Wohl nirgends ist die wechselvolle Geschichte der Doppelstadt weiter weg als hier: in den fensterlosen Fluchten des "Casino Perla" mit seinen 1008 blinkenden Geldspielautomaten, elektronischem Roulette und zahllosen weiteren Glücksspielen. Vor allem betagte Damen und Herren sitzen - mal gebannt, mal gelangweilt - vor den Geräten und möchten sich nicht stören lassen.

    Das "Perla", ein Hotel- und Spielbetrieb, ist das größte Kasino in Europa. 1,7 Millionen Kasino-Besucher im Jahr - viele aus Italien - kommen hierher, sagt der sozialistische Bürgermeister Mirco Brulc. Nova Gorica lebt gut vom Casinogeschäft. Brulc fürchtet nur eins: Dass seine 15.000 Bürger über ihre Verhältnisse leben.

    "Wir sind zwar in der EU, aber die Löhne und Gehälter entsprechen dem immer noch nicht! Wir leben aber ziemlich gut, und das Problem ist, dass der Kauf von Häusern und Grundstücken billiger ist in Italien. Viele Slowenen verdienen ihr Brot in Italien, heute ist es aber auch schon so, dass es umgekehrte Fälle gibt."

    Kleinbusse, von beiden Stadtverwaltungen gemeinsam betrieben, verbinden Gorizia und Nova Gorica zuverlässig. In Slowenien ist der Nahverkehr sogar kostenlos. Nova Gorica bietet kaum touristische Schauwerte - doch wer eine auf dem Reißbrett konstruierte Gartenstadt erleben will, kommt auf seine Kosten. Ein riesenhafter Theaterbau, die Universität, das monumentale Rathaus und das Verwaltungsgebäude für das Perla-Kasino bilden das Stadtzentrum, das es freilich eigentlich nicht gibt. In dessen Schatten sind Wohnblöcke verschiedener Höhe gestaffelt, an denen sich gut die jeweilige Bauzeit ablesen lässt. Dass Nova Gorica trotz so viel Beton nicht düster wirkt, liegt an seiner Lage im Isonzo-Tal, eingerahmt von den malerischen julischen Voralpen.

    Auf einem Hügel in Sichtweite: der langgestreckte Bau des Franziskanerklosters Kostanjevica. In der Gruft der zugehörigen Kirche liegen die Bourbonen. Karl X., der Herzog von Angoulême, Maria Theresia, Herzogin von Angoulême. Die letzten Mitglieder der französischen Königsfamilie flüchteten 1830 aus Frankreich und kamen 1836 über Edinburg und Prag nach Görz - angeblich wegen des Heilklimas.

    Görz hieß einmal das kleine Nizza Österreichs. Die Franziskanermönche haben 2003 zugestimmt, dass aus dem Klostergarten auf der Südseite ein Rosengarten wird - mit Bourbon-Rosen natürlich.

    Edi Prost, Journalist beim slowenischen Fernsehen in Nova Gorica und Vize-Präsident des slowenischen Vereins der Rosen-Liebhaber.

    "Hier ist eine der größten Bourbon-Rosen-Sammlungen in Europa Das Klima ist sehr gut hier! Sie blühen das ganze Jahr hindurch, auch Weihnachten und Neujahr. Hier in diesem Klostergarten herrscht eine Art Mikroklima. Einige Rosen tragen deutsche Namen: Gruß von Teplitz, Robusta zum Beispiel. Man sieht die Entwicklung von der alten zur modernen Rose. Die Bourbon-Rosen sind eine Vorstufe hin zur modernen Rose. Sie sind noch wild, haben aber schon Merkmale moderner Rosen. Sie duften sehr stark, haben große Blüten, aber ihre Form ist noch altertümlich. Im Mai organisieren wir ein Festival der Rosen, Hunderte von Touristen kommen aus Slowenien und Italien und schauen sich Tausende Blüten an in diesem kleinen Teil von Nova Gorica. Nova Gorica ist die Stadt der Rosen, und in der Stadt sind auch Tausende von Rosen - in den Parks."

    Auch das Stadtwappen von Noca Gorica ziert eine Rose - kleine Reminiszenz an Habsburger Zeiten, als Görz die Hauptstadt Wien mit Rosen belieferte. Görz - wo man italienisch, deutsch und slowenisch gleichermaßen sprach.

    Heute hängt über dem Schreibtisch des stellvertretenden Bürgermeisters von Gorizia, Fabio Testi, ein Plakat der Jugendorganisation seiner Partei, der rechtskonservativen Alleanza nazionale. Es ist ein Nachdruck von 1947 und appelliert an den Nationalstolz. Tenor: Gorizia ist eine italienische Stadt, keine slawische!

    39 Prozent der Bürger haben Angst vor den offenen Grenzen, das hat Testi errechnen lassen - und deshalb fahren sie auch nicht auf die andere Seite.

    "Einige sehen ganz anders auf Jugoslawien und den Kommunismus. Sie können nicht vergessen, dass hier der Eiserne Vorhang verlief. Mein Vater kam 1962 aus Apulien im Süden. Er war bei den Grenzpolizei. Jeden Tag verschob jemand die Grenze zehn Meter in die eine Richtung und am nächsten Tag hat er gesehen, dass sie zehn Meter in die andere Richtung verschoben wurde. Die Geschichte ist sehr kompliziert. Und viele Leute haben Eltern, Söhne und Geschwister verloren und wissen nicht, wie. Daher kommt die Angst!"

    Testi spielt auf die sogenannten Foibe-Massaker an, die jugoslawische Partisanen am Ende des Zweiten Weltkriegs an Italienern verübten. Foibe, das sind für die Karst-Landschaft typische Erdhöhlen, in welchen die Opfer verschwanden: vermeintliche oder echte Gegner des Tito-Staates. Die Foibe-Massaker sind freilich ihrerseits eine Vergeltungsaktion - und die Folge von Italiens Politik während des Faschismus - eine Politik, verbunden mit dem Verbot der slowenischen Sprache und der Zwangs-Italianisierung slawischer Namen.

    Testi steckt sich die nächste Zigarette an. Aus ihm spricht der Parteipolitiker. Aber es gibt auch einen anderen Fabio Testi. Einen, der mit einer Litauerin verheiratet ist, vielsprachig, neugierig, offen. Der oft auf die andere Seite fährt, früher schon und nicht erst jetzt, weil die Zigaretten billiger sind. Der 38-Jährige ist rückwärtsgewandt, gleichzeitig propagiert er die Öffnung nach Osten. Doch etwas bedrückt ihn: Warum soll Italien für die Aktivitäten der slowenischen Minderheit in der Stadt und der Region Friaul Julisch Venetien bezahlen? Geht es den Slowenen mit ihren nur fünf Prozent Arbeitslosen nicht mittlerweile besser als den Italienern?

    Wie viele Slowenen gibt es eigentlich in der Region, das ist die große Frage, sagt Testi.

    "Wie oft wollten wir und auch meine Parteifreunde das schon wissen! Wie viele Slowenen gibt es hier? Wir wissen es nicht! Weil sie nicht gezählt werden wollen."

    Auf der Piazza della Transalpina, auf dem Mosaik, haben zwei Männer gerade ihre Joggingrunde beendet. Der letzte Zug nach Jesenice fährt vorbei. Das kleine Eisenbahnmuseum im Bahnhof Transalpina, das an die große Zeit der Station erinnert, ist schon lange geschlossen, wie der Fahrkartenschalter, wie das Reisebüro, das Privatzimmer vermittelt.

    Geöffnet hat allein noch die Bahnhofskneipe, eine triste Kaschemme mit Billard und billigen Preisen. Auf dem Bahnsteig davor stehen Plastikstühle mit Blick auf die etwas heruntergekommenen Wohnblöcke Nova Goricas. Von hier sieht es aus, als sei auch die slowenische Seite eingeschlafen, so wie es Contessa Carolina von Levetzow-Lantieri für ihre, die italienische Seite befürchtete.