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Ungleichverteilung

Das Bildungspaket - die Städte und Gemeinden haben das Gesetz, das seit dem 1.April in Kraft ist, unterschiedlich schnell umgesetzt. So haben in München alle berechtigten Eltern bereits im März einen Brief erhalten, die entsprechenden Formulare lagen bei. In Berlin dagegen ist dies bis heute nicht geschehen.

Von Claudia van Laak | 28.06.2011
    Die B-Jugend des BFC Preußen beim Training. Fußball ist begehrt, die Warteliste des Vereins lang – nicht alle haben eine Chance. Das hängt vom Talent der Jungs ab, aber auch vom Geldbeutel der Eltern. Zum Jahresbeitrag von 150 Euro kommen eine Aufnahmegebühr und die Ausstattung mit Trikots und Fußballschuhen. Es gibt Eltern, die das nicht bezahlen können, bedauert Vereinspräsident Jürgen Steinberg.

    "Für uns als Funktionäre in so einem Verein ist das wirklich traurig, wenn man in Kinderaugen guckt, die gar nicht verstehen, was da wirklich passiert und sich dann so ausgegrenzt fühlen."

    Bedürftige Eltern bekommen einen Zuschuss von zehn Euro pro Monat, laut Gesetz rückwirkend seit dem 1. Januar. Doch Vereinspräsident Jürgen Steinberg weiß bis heute nicht, wie er mit Eltern umgehen soll, die bei ihm einen entsprechenden Antrag abgeben.

    "Nach Auskunft des Landessportbundes sollen wir angeblich, wir hoffen darauf, das Geld vom jeweiligen Leistungsträger bekommen, ob es denn so wird, wissen wir nicht."

    Die jeweiligen Leistungsträger, das sind in Berlin verschiedene Ämter – das Jobcenter für die Hartz-IV-Empfänger, das Wohngeldamt für die Wohngeldempfänger, das Sozialamt für die Sozialhilfeempfänger und so weiter. Der BFC Preußen wartet jetzt erst einmal ab – bedürftige Eltern werden vertröstet.

    "Ausführungsvorschriften von Seiten des Senats, von Seiten der Jobcenter oder welchem Amt auch immer haben wir nicht."

    Ortswechsel: Die Heinz-Brandt-Sekundarschule in Berlin-Pankow. Seit das Bildungspaket in Kraft ist, haben die Schulen mehr Arbeit. Mittagessen, Klassenfahrten, Nachhilfe und das Montagsticket für Bus und Bahnen werden bezuschusst, die Abwicklung all dessen landet bei der Schulsekretärin, den Lehrern, der Schulleiterin. Mehr Arbeit für ihre ohnehin schon belasteten Mitarbeiter – kritisiert Schulleiterin Miriam Pech.

    "Der Stand ist immer noch vage, jetzt habe ich die Mitteilung bekommen, wir bekommen pauschale Beträge auf irgendein Konto, das Geld habe ich aber noch nicht gesehen, ich bin da etwas ratlos."

    Auch das Thema Nachhilfe ist an der Heinz-Brandt-Schule noch nicht geklärt, keine einzige Stunde wurde bislang bezuschusst.

    "Also wir arbeiten mit einer ganz tollen Nachhilfeinstitution zusammen. Die ist aber hochpreisig. So, wird das jetzt übernommen oder nicht? Ich habe gehört, das soll von einem freien Träger kostengünstig umgesetzt werden, finde ich ein bisschen bedenklich."

    Genau wie der Präsident des Sportvereins BFC Preußen hat Schulleiterin Miriam Pech die Eltern bislang vertröstet. Die Frist für die rückwirkende Erstattung von zum Beispiel Nachhilfeunterricht läuft allerdings am Freitag ab, in Berlin beginnen heute die großen Ferien. Das heißt: die Hartz-IV-Empfängern und anderen zustehenden gesetzlichen Leistungen aus dem Bildungspaket werden in Berlin vielen nicht gewährt. Die zögerliche Umsetzung dürfte auch an der Ablehnung des Bildungspakets durch den rot-roten Senat liegen. Kerstin Liebich, Staatssekretärin für Integration und Arbeit und Mitglied der Linkspartei:

    "Das Land Berlin hat ja dem Gesamtpaket nicht zugestimmt, einer der Gründe war, dass das Ganze ein bürokratisches Monster ist, das haben wir auch immer so gesagt."

    Bundessozialministerin Ursula von der Leyen hat heute vorgeschlagen, Sozialarbeiter in Familien zu schicken, die noch keinen Antrag auf Leistungen wie Nachhilfe oder Musikunterricht gestellt haben. In der Hauptstadt hat eine andere Aufgabe Vorrang: die Umsetzung des Bildungspakets durch die Berliner Verwaltung.