Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Ungute Nachbarschaft

Eigentlich stände einem zeitnahen EU-Beitritt Kroatiens nicht viel im Weg. Doch Slowenien stimmt gegen eine Aufnahme. Hintergrund der Blockade: Slowenien fordert von seinem Nachbarland direkten Zugang zu internationalen Gewässern, den es nicht hat.

Von Doris Simon, Brüssel | 19.06.2009
    Am Morgen vor der Verhandlungsrunde war der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader noch zuversichtlich, oder gab sich zumindest erfolgreich diesen Anschein. Ausführlich beschrieb er die bislang guten Beziehungen zwischen beiden Ländern: Slowenien und Kroatien hätten bereits zu jugoslawischen Zeiten eng zusammengearbeitet, Kroatien habe Slowenien bei dessen erfolgreichen Beitrittsbemühungen unterstützt, und jedes Jahr Reise halb Slowenien nach Kroatien, um dort den Sommerurlaub zu verbringen. Ja, den Grenzstreit gebe es, sagte Sanader, der sei eine offene Frage, aber:

    "Diese offene Frage hat auch Slowenien nicht daran gestört 2004 Mitglied der Europäischen Union und der NATO zu werden. Und ich sage immer, wenn Slowenien 2004 der EU beigetreten ist, mit der offenen Frage mit Kroatien, dann kann es auch Kroatien heute tun."

    Im Mai legten die EU-Kommission und die tschechische Ratspräsidentschaft einen Kompromissvorschlag vor, wie der 18 Jahre alte Streit über den Grenzverlauf zwischen Kroatien und Slowenien beigelegt werden könnte. Doch die Voraussetzungen für eine Vermittlung sind hochkompliziert: Slowenien will keine internationale Gerichtsentscheidung akzeptieren - weil die nur gegen Slowenien ausgehen könnte, wie es in Brüssel heißt. Die Kroaten ihrerseits wehren sich vehement gegen jedes Zugeständnis an den Nachbarn und gegen die von Ljubljana angeführten angeblichen historischen und moralischen Rechte.

    Und dann ist da noch der Streit über die Dokumente: Slowenien findet, dass die Karten, die Kroatien über den Grenzverlauf präsentiert hat, die Diskussion unzulässig beeinflusst haben. Immer mehr nervt die anhaltende Blockade der Beitrittsverhandlungen die EU-Mitgliedsländer und das Europaparlament. Das sei doch ein Problem zwischen zwei Ländern und habe nichts mit den Beitrittsverhandlungen zu tun, findet nicht nur die CDU-Europaabgeordnete Doris Pack, die sich seit Jahren mit den Ländern des westlichen Balkans beschäftigt:

    "Es vergiftet das Klima und das ist eigentlich unnötig. Ich glaube in der Frage gibt es nur Verlierer. Wir auch. Und inzwischen kann keiner mehr, weder die Slowenen, noch die Kroaten, einem Vermittler irgendetwas abgeben, sonder eigentlich kann das nur noch irgendein Gericht lösen, damit keiner das Gesicht verliert."

    Die Vermittlung der EU sollte den Knoten durchschlagen. Danach sollten sich die Regierungen vorab verpflichten, die Entscheidung eines ad hoc Schiedsgerichtes mit fünf von beiden Seiten benannten Richtern zu akzeptieren und von ihren Parlamenten ratifizieren zu lassen. Kroatien sagte ja, aber Slowenien zögerte, bevor es eine Reihe von Änderungswünschen vorlegte.

    Beim Außenministertreffen an diesem Montag gab es keine Einigung in der Vermittlung von Erweiterungskommissar Olli Rehn. Der sprach vom Augenblick der Wahrheit.

    Alle Voraussetzungen seien da, sagte Rehn, um diesen Streit zum Europäischen Gipfel am Donnerstag beizulegen. Kroatiens Ministerpräsident Sanader brachte gestern zwei neue Ideen vor, wie der Streit um die Dokumente aus der Welt zu schaffen sei.

    "Wie dann letztendlich diese Grenzfrage gelöst wird, ist es am besten wenn Kroatien der Europäischen Union beitritt, wie auch Slowenien. Es wird dann eine interne Grenze der Europäischen Union und es gibt da eh keine Grenze wegen Schengen. Also, ich glaube, es ist dann eher in der Zukunft zu lösen."

    Doch diese Vorschläge passten den Slowenen nicht, sie sagten gestern Nein. Die Kroaten wiederum wollten dem nach slowenischen Wünschen abgeänderten Vermittlungspapier der EU nicht zustimmen. Daraufhin erklärte Sloweniens Regierungschef Borut Pahor, sein Land müsse in diesem Fall die Suche nach einer Einigung einstellen.

    "Das war die Gelegenheit mit Kroatien die Grenzfrage zu lösen. Aber nun, nachdem Kroatien diesen Prozess verlassen hat, ist dies unmöglich geworden."

    Die Regierung in Zagreb protestierte postwendend: Keineswegs habe Kroatien den Verhandlungsprozess verlassen. Die EU-Kommission schweigt zu allen Statements, weil sie fürchtet, andernfalls von einer der beiden Seiten nicht mehr als Vermittler akzeptiert zu werden. Wie es nun weitergeht, blieb gestern offen. Sicher ist allerdings eines: Durch Sloweniens Blockade wird es fast unmöglich, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien noch bis zum Jahresende abzuschließen. Und in der Europäischen Union wächst das Unbehagen, schließlich gibt es zwischen mehreren früheren jugoslawischen Republiken Grenzstreitigkeiten – und allen Ländern des westlichen Balkans hat die EU die Aussicht auf einen Beitritt versprochen, und sei es eines sehr fernen Tages.