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Unheilige Allianz

Paläontologie. - Vor rund 200 Millionen Jahren stellte wieder einmal ein Massenaussterben die Weichen des Lebens auf der Erde neu: Es war das vierte, seitdem die Tiere auf der Erde aufgetaucht sind, und es machte endgültig den Weg für die Dinosaurier frei.Der Auslöser für das alles könnten Gashydrate im Meeresboden zusammen mit einem Vulkanausbruch gewesen sein, heißt es in der aktuellen "Science".

Von Dagmar Röhrlich | 22.07.2011
    200 Millionen Jahre ist es her, am Ende der Trias, als der Superkontinent Pangäa zu zerbrechen begann. Das war mit einem gewaltigen Vulkanausbruch verbunden, der weite Teile Amerikas, Europas und Afrikas unter dicken Lavadecken begrub. Der Atlantik entstand:

    "Aus früheren Untersuchungen wissen wir auch, dass der Beginn dieses Ausbruchs mit einem Massenaussterben zusammenfällt. Daraus ergeben sich zwei Fragen. Einmal die, ob der Vulkanismus den Klimawandel, der damals einsetzte, ausgelöst hat. Und die zweite Frage ist, was war die Ursache des Massenaussterbens."

    Micha Ruhl von der Universität von Utrecht wollte herausfinden ob beides einzig und allein am Vulkanismus hing - oder ob noch andere Prozesse eine Rolle spielten:

    "Österreich zählt zu den wenigen Orten, an denen Sedimente aus dieser Zeit überliefert sind. Deshalb haben wir dort Proben genommen. Wir untersuchten die Sporen und Pollen in diesen marinen Sedimenten und außerdem den Kohlenstoffgehalt und die chemische Struktur von besonderen organischen Molekülen. Sie steckten in Wachs, das Blätter vor 200 Millionen Jahren produziert haben und das damals ins Meer gespült worden war. Alle diese Informationen erzählten uns, wie die Vegetation aussah, wieviel Kohlenstoff damals in der Atmosphäre war, wie schnell der Klimawandel ablief."

    Und die Daten erzählen auch etwas über die Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs. Den gibt es in leichteren und schwereren Varianten, und alle Lebewesen neigen dazu, die leichtere in ihre Biomasse einzubauen. Deshalb steckt beispielsweise in Methan, das durch biologische Prozesse entsteht, besonders viel leichter Kohlenstoff. Das Kohlendioxid aus den Vulkanen hingegen hat einen höheren Anteil an schwerem Kohlenstoff. Ruhl:

    "Unseren Analysen zufolge fing alles mit dem Vulkanausbruch an, das sehen wir an den schweren Kohlenstoffvarianten. Das freigesetzte Kohlendioxid löste einen ersten Temperaturanstieg aus. Der erhöhte die Temperatur im Meer, und dadurch wurden Gashydrate im Meeresboden instabil. Darauf deuten die Unmengen an leichtem Kohlenstoff hin, die die Atmosphäre überflutet haben, denn die Gashydrate bestehen aus gefrorenem Wasser und organischem Methan. Da Methan ein sehr viel stärkeres Treibhausgas ist als Kohlendioxid, geriet das Klima aus den Fugen - und das wiederum löste das Massenaussterben aus."

    Innerhalb kurzer Zeit überfluteten zwölf Billionen Tonnen Kohlenstoff die Atmosphäre - Kohlenstoff, der aus Kohlendioxid stammte, aber vor allem aus Methan. Das ist mehr als doppelt so viel wie bislang angenommen. Daraufhin schnellte nicht nur die Temperatur hoch, auch die Meeres-Chemie geriet durcheinander. Vor 200 Millionen Jahren könnte also eine "Allianz" zwischen dem Flutbasaltausbruch und den Gashydraten im Meeresboden zum Tod von rund 80 Prozent aller damals bekannten Arten geführt haben.