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Uni Frankfurt
Streit um Atteste bei Prüfungsunfähigkeit

Müssen Studierende, die aus Krankheitsgründen von einer Prüfung zurücktreten wollen, die Symptome dieser Krankheit vor dem Prüfungsamt offenlegen? Über diese Frage herrscht Streit an der Universität Frankfurt. Studentenvertreter drohen mit Klage.

Von Alexander Musik | 26.11.2014
    Studenten während einer Vorlesung in einem überfüllten Hörsaal der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
    Studenten während einer Vorlesung in einem überfüllten Hörsaal der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. (picture alliance/dpa - Frank Rumpenhorst)
    Dirk Reheis, studentischer Senator und Mitglied der "Grünen Hochschulgruppe", ist erbost. Mehrere Punkte stören ihn an der Bestimmung, dass zum Prüfungsrücktritt aus Krankheitsgründen ein einfaches Attest nicht mehr ausreicht.
    "Der wichtigste ist sicher, dass wir das für einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Studierenden halten, die Symptome offenzulegen gegenüber einem Prüfungsaussschuss. Wo einfach kein Vertrauensverhältnis wie zu einem Arzt besteht. Selbst wenn die verschwiegen sein müssen, gibt's bestimmte Sachen, die man einem Prüfungsausschuss nicht erzählen möchte."
    Damit nicht genug: Reheis und auch AStA-Vorstand Daniel Katzenmaier fürchten auch Hürden bei der universitären Karriere eines Prüflings.
    "Im Prüfungsausschuss sitzen in der Regel auch Professoren drin, die dann vielleicht auch potenzielle Arbeitgeber in Zukunft sind, dass man dann seinem zukünftigen Arbeitgeber Details von seinen Krankheiten offenlegen müsste, die einem vielleicht peinlich sind oder einem zum Nachteil gereichen könnten."
    Olaf Kaltenborn, Sprecher von Universitätspräsident Werner Müller-Esterl, winkt ab. Wir agieren rechtskonform, sagt er.
    Formelle Bescheinigung genügt seit 1990 nicht mehr
    In der Tat genügt es laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 1990 nicht, wenn ein Arzt lediglich formell die Prüfungsunfähigkeit bescheinigt. Es muss ein Befund diagnostiziert sein, aus dem sich nachvollziehbar die Prüfungsunfähigkeit ergibt. Ob ein einfaches Attest dafür ausreicht oder ob Krankheitsverläufe und -symptome anzugeben sind, das regeln die Hochschulen unterschiedlich. Mitunter sogar von Fachbereich zu Fachbereich verschieden.
    Beispiel Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Hier verlassen sich die Prüfungsämter auf die Atteste der Psychotherapeutischen Beratungsstelle. 860 Studierende kamen 2013 zur Beratung, ein Viertel davon gab als Begründung Prüfungsangst an, sagt die Leiterin, Professorin Ursula Luka-Krausgrill.
    "Ich kann schon nachvollziehen, dass Studierende damit Probleme haben, so was vorzulegen. 'Ne Stellungnahme zur psychischen Gesundheit, andererseits müssen die Prüfungsämter auch entscheiden, es geht ja um Fristverlängerungen oder sogar ein Aussetzen einer bestimmten Frist, wenn erst mal eine Behandlung erfolgen muss, sodass die Prüfungsämter auch Argumente brauchen."
    AStA sah "Vertrauensbruch"
    Die Therapeutinnen nennen die Diagnose im Attest explizit beim Namen. Unmut darüber habe es noch nie gegeben. An anderen Universitäten schon. An der Ruhr Uni Bochum wurden Atteste mit Krankheitssymptomen noch bis Mai 2013 verlangt – aber nur in den Studiengängen Maschinenbau sowie Chemie und Biochemie. Nach Protesten des AStA, der darin einen "Vertrauensbruch" gegenüber Studierenden und Ärzten sah, wurde die Regelung gekippt. Anderswo in Nordrhein-Westfalen ist sie weiterhin gültig: An der Uni Köln muss der Arzt "Art und Verlauf der Krankheit" belegen, an der Uni Düsseldorf die "Krankheitssymptome". Bayern ist weniger streng: Die Uni Bamberg etwa weist ausdrücklich darauf hin, dass das Attest keine Diagnose enthalten muss. Das eben will der Grüne Dirk Reheis auch für Frankfurt erreichen.
    "Weil, ansonsten wird ja allen Studierenden unterstellt, dass sie den Prüfungsausschuss betrügen würden und den Ärzten, dass sie vielleicht Gefälligkeitsatteste ausstellen. Da wird die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt!"
    Im Übrigen seien er und auch der AStA-Vorsitzende bereits auf die Universitätsleitung zugegangen: Man sei einverstanden, dass das Attest benennt, ob der Prüfling an einer mündlichen, schriftlichen oder praktischen Prüfung nicht teilnehmen könne. Reheis hofft nun auf einen Kompromiss bei der nächsten Senatssitzung am 10. Dezember.