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Uni Marburg
Roboter Pepper gibt Vorlesung

Gleich zu Semesterbeginn kamen die Studierenden eines Linguistik-Seminares an der Uni Marburg ins Staunen: Statt ihres Professors begrüßte sie ein Roboter zur ersten Seminarsitzung. Das stieß nicht nur auf Begeisterung.

Von Ludger Fittkau | 20.10.2017
    Der humanoide Roboter "Pepper" ist so programmiert, dass er auf die Gefühlslage seiner Gesprächspartner reagiert.
    Vielleicht lehren bald Roboter? Der humanoide Roboter "Pepper" ist so programmiert, dass er auch auf die Gefühlslage seiner Gesprächspartner reagiert. (imago/Hollandse Hoogte)
    Roboter: "Darf ich um Aufmerksamkeit bitten – es geht jetzt los."
    Ein etwas mehr als ein Meter großer, weißer Roboter namens Pepper begrüßt etwa 100 Erstsemester eines Linguistik-Seminars an der Uni Marburg. Die Studierenden sind überrascht, sie wussten vorher nichts von dem Robotereinsatz zum Semesterbeginn. Ihr Professor Jürgen Handke hatte auch die Presse eingeladen, um zu zeigen, welche Aufgaben ein Roboter in der Lehre übernehmen kann.
    "Okay, let´s start a quiz."
    Der kleine Roboter stellt den erstaunten Studierenden in englischer Sprache eine linguistische Aufgabe und gibt ihnen drei Minuten Zeit, sie zu lösen, bevor er die nächste Frage stellt. Eine studentische Tutorin, die durch die Reihen geht und bei der Lösung der Roboter-Aufgabe hilft, beschreibt die erste Reaktion der Erstsemester:
    "Es war sehr still im Hörsaal, sehr ungewöhnlich still. Ich glaube, der Überraschungseffekt ist gelungen. Und dadurch, dass Pepper auch verstärkt war, denke ich schon, dass das verstanden wurde, ja."
    Interaktionsfähiger Roboter für die Lehre
    Das Bundesforschungsministerium fördert dieses Experiment mit interaktionsfähigen Robotern in der Lehre. Der in Marburg eingesetzte Roboter Pepper kann in mehreren Sprachen kommunizieren. Projektleiter Jürgen Handke betont, es gehe nicht darum, Lehrende aus Fleisch und Blut abzuschaffen:
    "Als Erstes denken wir bei maschinellen Systemen ganz allgemein immer an ersetzen. Als ich im Jahr 1996 Computer in der Lehre einsetzte, da war ich hier weit und breit der einzige. Da stand am nächsten Tag ein Presseartikel in der lokalen Presse: Computer ersetzt Professoren. Das ist die typisch deutsche Herangehensweise. Erst mal negativ, der ersetzt mich, keine Chance. Wir wollen den anderen Weg gehen, wir wollen, dass Menschen und Roboter Freunde werden."
    "My Name is Pepper. I am three years old and I love humans."
    Die Studierenden, die jetzt mit Pepper konfrontiert sind, waren zuvor nur recht allgemein per Fragebogen um ihre Meinung dazu gebeten worden, was sie vom Einsatz von Robotern in der Lehre halten. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katarina Weber ist für die Evaluation des Projektes und die Rückmeldungen der Studierenden verantwortlich:
    "Und dabei ist herausgekommen, dass es noch einige Vorbehalte gibt, bisher. Es gab so eine Phrase, die kam immer wieder vor. Ich glaube, ich habe eine Freifeldfunktion gehabt im Fragebogen, eine Kommentarfunktion und da haben ganz viele geschrieben: Roboter können keine Menschen ersetzen."
    Doch jetzt, da ihnen der kleine Roboter Pepper statt des Professors Fragen stellt, sind einige Studierende durchaus fasziniert:
    - "Ja, sehr interessant, mal was anderes jetzt. So einen Begleiter hat man auch nicht alle Tage im Unterricht."
    - "Glauben sie denn, dass das Schule machen könnte, dass das häufiger eingesetzt werden könnte?"
    - "Ja, auf jeden Fall. Ich denke schon, dass dies hier übertragen wird auf andere Bereiche, auch in der Lehre. Auch an anderen Universitäten, mit Sicherheit, ja."
    Nicht nur Begeisterung
    Andere Seminarteilnehmer sind da nicht so euphorisch. Etwa Annabel Schwarz, die Deutsch und Englisch fürs Lehramt studiert:
    "Um ehrlich zu sein, bin ich nicht so richtig davon überzeugt. Ich finde das zwar gut, wenn man moderne Technik mit einbindet. Aber ich denke, dass das zu weit weg ist von dem, was man hier als Student gewöhnt ist. Ich bin doch eher für den Frontalunterricht, wenn sich der Professor vorne hinstellt und unterrichtet. Es ist sicher ganz lustig, so einen Roboter mal in Aktion zu sehen, aber ich denke nicht, dass das besser zum Lernerfolg führt oder dass man sich hier besser konzentriert oder mitmacht. Ich denke, das lenkt eher ab."
    Verschiedene Marburger Studierende wollen nicht ausschließen, dass in ferner Zukunft Roboter eine größere Rolle in der Lehre einnehmen könnten. Doch große Freude angesichts dieser Zukunftsaussichten kommt nicht auf:
    "Ich finde das auch relativ unnötig, dass man das so macht. Weil eine Spontanität von einem Menschen ist einfach irgendwie besser, als die ganze Zeit auf den Roboter warten zu müssen, bis der antwortet. Wenn die Technologie mal ein bisschen weiterentwickelt ist, könnte das ganz gut werden, aber in dem Stadium im Moment. Klar, man muss mit rumexperimentieren, aber im Großen und Ganzen finde ich es dann doch eher Schwachsinn."
    "Ich sehe das auch ein bisschen kritisch, weil zwischenmenschliche Aktionen gehen ein bisschen verloren. Diese Interaktion zwischen den Menschen."