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Unionsfraktionsvize: Kein Bedarf für gesetzgeberische Konsequenzen

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat Forderungen der FDP nach Gesetzesänderungen wegen der Bespitzelungsaffäre bei der Telekom zurückgewiesen. Man müsse nichts beschließen, was längst verboten sei, sagte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende. Die Branche habe mit Blick auf den Vertrauensverlust selbst großes Interesse an der Verhinderung von Datenmissbrauch.

Moderation: Jochen Fischer | 03.06.2008
    Jochen Fischer: Der Skandal um die Deutsche Telekom wird zunächst also keine schärferen Gesetze nach sich ziehen. Das sagte Bundesinnenminister Schäuble nach einem Krisentreffen in seinem Ministerium. Die Gesetze reichten aus. Was also folgt aus der Datenbespitzelung bei der Telekom? Darüber möchte ich mit dem CDU-Abgeordneten Wolfgang Bosbach sprechen. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen Herr Bosbach!

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen Herr Fischer.

    Fischer: Reichen Ihnen die gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz ebenfalls aus?

    Bosbach: Wir sollten zunächst einmal, bevor wir entscheiden, ob der Gesetzgeber schon wieder tätig wird, Verlauf und Ergebnis des Ermittlungsverfahrens abwarten. Aber eins kann man sicherlich jetzt schon sagen. Erstens: Das, was der Telekom vorgeworfen wird, beziehungsweise das, was sie schon eingestanden hat, ist glasklar rechtswidrig. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Da geht es um den Bußgeldtatbestand des Missbrauchs von Daten.

    Fischer: Ja. Das sind 300.000 Euro!

    Bosbach: Da geht es um den Straftatbestand "Bruch des Post- und Fernmeldegeheimnisses". Insoweit müssen wir nicht noch einmal beschließen, dass etwas verboten ist, was schon immer verboten war. Die Frage ist nur, ob die Sanktionen hinreichend abschreckende Wirkung haben. In einem kleinen Betrieb sind 300.000 Bußgeld sicherlich ein großer Betrag, aber in einem Weltkonzern wie bei der Telekom, wo es tagtäglich um Milliarden geht, da kann ich mir vorstellen, dass dieser Betrag überhaupt keine abschreckende Wirkung hat.

    Fischer: Wie hoch sollte er denn Ihrer Meinung nach sein?

    Bosbach: Ich glaube abschreckende Wirkung hätte in einem Konzern wie bei der Telekom allenfalls ein zweistelliger Millionenbetrag.

    Fischer: Was passiert denn nun als nächstes, Herr Bosbach? Der Innenminister sprach davon, schnell zu handeln. Was heißt denn das genau?

    Bosbach: Der ganze Sachverhalt muss zügig aufgeklärt werden, und zwar rückhaltlos und ohne Ansehen möglicherweise von betroffenen Personen. Das ist auch in überragendem wirtschaftlichen Interesse der Telekom.

    Fischer: Wie wollen Sie das organisieren?

    Bosbach: Die Telekom organisiert das zunächst einmal selber und es ist Sache der Strafverfolgungsbehörden. Wir Politiker sind weder Kriminalisten noch Staatsanwälte. Das müssen die aufklären, die dafür zuständig sind. Das ist zunächst einmal Sache des Unternehmens selber. Dann hat René Obermann dankenswerterweise von sich aus schon externen Sachverstand angefordert - in Person von Dr. Schäfer, dem ehemaligen Richter am BGH, der ein ausgewiesener Datenschutzexperte ist - und das Unternehmen wird und muss alle Unterlagen den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen, damit der Sachverhalt rasch aufgeklärt werden kann.

    Fischer: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Herr Schaar hat gestern hier bei uns im Deutschlandfunk vorgeschlagen, zum Beispiel die Rechtsstellung der Datenschützer in den Unternehmen zu verbessern, sie also zum Beispiel mit Kündigungsschutz zu versehen, damit sie sich auch etwas trauen zu sagen. Was halten Sie davon?

    Bosbach: Ich glaube nicht, dass es den Datenschützern an hinreichendem Mut fehlt. Das ist doch nicht der Punkt, sondern der Punkt ist, dass Missbrauch so weit das menschenmöglich ist in Zukunft ausgeschlossen wird. Sehen Sie mal diese Unternehmen sind ja im Rechenzentrum streng gesichert. Den Zugang zu diesen Daten haben nur besonders berechtigte Personen. Das ist gar nicht so einfach, an diese Daten heranzukommen. Offensichtlich war es aber möglich und nach Lage der Dinge sogar auf Anweisung von oben. Deswegen müssen wir überlegen, wie das verhindert werden kann. Dabei kann uns der Bundesdatenschutzbeauftragte helfen. Dabei kann uns die Bundesnetzagentur helfen. Da geht es also nicht nur um rechtliche, sondern auch um technische Fragen. Aber dass es den betrieblichen Datenschutzbeauftragten an Mumm fehlt, das glaube ich nicht. Entscheidend ist aber, dass Recht und Gesetz akzeptiert werden. Wenn jemand mit 100 durch die Fußgängerzone fährt, dann hat nicht der Gesetzgeber versagt, sondern der Autofahrer.

    Fischer: Vielleicht auch die Aufsicht. Die Branche spricht von einem krassen Einzelfall in diesem Fall. Was ist denn eigentlich, wenn es keiner war? Brauchen wir dann nicht doch schärfere Strafen? Geht die Diskussion dann wieder von vorne los?

    Bosbach: Ja, aber zunächst sollten wir doch nicht die ganze Branche unter Generalverdacht stellen. Wer meint, dass das was in der Telekom passiert ist auch andernorts passiert sei, der mag es sagen und Ross und Reiter nennen. Aber es kann doch nicht sein, dass wir jetzt über die gesamte Telekommunikationsbranche einen Generalverdacht aussprechen. Die Branche selber hat ein überragendes Interesse daran, dass sich so etwas nicht ereignet oder wiederholt, denn neben Bußgeld und Strafe spielt doch der Vertrauensschaden eine große Rolle. Diese Telekommunikationsunternehmen hüten einen sehr kostbaren, sehr sensiblen Schatz und wenn die Kunden das Gefühl bekommen, mit meinen sensiblen Daten wird Schindluder getrieben, dann ist der wirtschaftliche Schaden, den diese Unternehmen haben, sehr, sehr groß und deswegen haben sie selber ein Interesse an Aufklärung und Verhinderung von Missbrauch.

    Fischer: Das Sammeln von Telekommunikationsdaten, das spielt ja auch in der Terrorismusbekämpfung eine wichtige Rolle. Muss man nun im Lichte dieser Telekom-Ereignisse über eine Veränderung bei der Vorratsdatenspeicherung nachdenken, wie es ja schon gefordert wird?

    Bosbach: Nein, das müssen wir nicht. Das heißt Nachdenken ist immer gut, aber nicht das Thema Vorratsdatenspeicherung ad acta legen. Damit würden wir erstens gegen Europarecht verstoßen und zweitens auch einen inhaltlichen Fehler machen. Zunächst einmal stammt der gesamte Vorgang, um den es hier geht, aus einem Zeitraum; da gab es das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung überhaupt noch nicht. Die Telekom hat auch noch gar nicht mit der Vorratsdatenspeicherung begonnen, denn der Startschuss wird dort erst am 1. Januar 2009 gegeben. So lange läuft die Übergangsfrist.

    Fischer: Aber es wird einem doch Angst und Bange, Herr Bosbach, wenn die Telefondaten zukünftig noch länger im staatlichen Auftrag von privaten Unternehmen vorgehalten werden müssen?

    Bosbach: Nein. Angst und Bange muss es Ihnen werden, Herr Fischer. Wenn Missbrauch getrieben wird mit den Daten, nicht wenn sich an Recht und Gesetz gehalten wird. Diese Verbindungsdaten dürfen nur herausgegeben werden: Erstens zu den gesetzlich vorgeschriebenen Zwecken, das heißt zur Verhinderung und Aufklärung schwerster Straftaten, und zweitens nur nach einem richterlichen Beschluss. Und wenn man sagt, wir wollen nicht, dass diese Daten gespeichert werden, dann muss man wissen, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus wesentlich erschwert werden würde, weil der Terrorismus heute hoch kommunikativ ist. Er arbeitet hoch konspirativ. Gerade die Aufdeckung, die Aufklärung dieser Kommunikationsverbindungen ist von überragender Bedeutung. Und zweitens: Viele Straftaten werden wir dann nicht mehr aufklären können. Dann muss man den Opfern von Straftaten sagen, also von solchen Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, "tut mir leid, wir können den Sachverhalt nicht aufklären, wir können den Täter nicht ermitteln" und dabei bleiben die Opfer auf ihrem Schaden sitzen.

    Fischer: Aber dem Missbrauch kann Tür und Tor geöffnet werden, wie wir gerade an diesem Fall sehen.

    Bosbach: Ja, aber selbstverständlich kann der Staat niemals, wenn er Vorschriften erlässt, die Hand dafür ins Feuer legen, dass nichts passiert. Wir müssen nur jetzt aus den Ermittlungen die notwendigen Konsequenzen ziehen. Aber es kann doch nicht sein, weil ein paar Figuren bei der Telekom grob rechtswidrig und möglicherweise strafrechtlich relevant gehandelt haben, dass wir deshalb die Möglichkeiten zur Terrorabwehr zum Nachteil der Menschen in unserem Lande erheblich einschränken.

    Fischer: Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Wolfgang Bosbach im Deutschlandfunk. Vielen Dank!