Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Unionsstreit um Asylpolitik
Die CSU zündelt weiter

Noch immer ist kein Ende im Unionsstreit um die Asylpolitik in Sicht. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärte Innenminister Horst Seehofer, er lasse sich von der Kanzlerin nicht zurechtweisen. Offene Kritik kommt von Bündnis 90/Die Grünen: Die CSU nehme keinerlei Rücksichten auf Deutschland und Europa.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 23.06.2018
    Bundesinjnenminister Horst Seehofer (CSU) spricht über den Streit mit der CDU über die Asylpolitik
    Der Streit um die Asylpolitik geht weiter (AFP / Christof STACHE)
    Die CSU zündelt weiter, ohne dass bisher absehbar ist, welche Exit-Strategie die Christsozialen hätten, wenn sie ihre Forderungen nicht durchsetzen können – wenn es also nach dem EU-Gipfel Ende Juni keinen nennenswerten Durchbruch in der europäischen Flüchtlingspolitik gibt. Die Chancen dafür stehen derzeit eher schlecht. Umso verantwortungsloser sei der Streit der Unionsparteien, meint die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner, im Gespräch mit unserem Hauptstadtstudio:
    "Also wir erleben einen immer absurderen bayerischen Krawallstadel. Und meine Sorge ist schon, dass sich die CSU da mittlerweile durch Söder und Dobrindt sowas von treiben lässt und keinerlei Rücksichten mehr nimmt auf Deutschland, auf Europa und wir deshalb wirklich noch in eine größere Krise schlittern."
    Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärt Innenminister Horst Seehofer, er lasse sich von der Kanzlerin nicht zurechtweisen. Dass Angela Merkel mit ihrer Richtlinienkompetenz gedroht habe, sei "höchst ungewöhnlich". Er, Seehofer, unterstütze eine europäische Lösung. An deren Zustandekommen zweifelt allerdings auch Parteifreund Markus Söder, Ministerpräsident in Bayern:
    "Man sieht im Vorfeld bereits, wie schwer das werden wird, da wirklich zu einer einheitlichen europäischen Lösung zu kommen."
    Mehrheit der Bundesbürger hält an Merkel als Kanzlerin fest
    So skeptisch blickt Söder voraus auf das Sondertreffen mehrerer EU-Staaten zur Flüchtlingspolitik am Sonntag in Brüssel. Unterdessen zeigen neue Umfragen im Zuge der Regierungskrise, dass eine Mehrheit der Deutschen wünscht, Angela Merkel solle Kanzlerin bleiben. In der Sache selbst erhält aber die CSU eine Mehrheit für ihre Forderungen in der Flüchtlingspolitik. Europa-Expertin Franziska Brantner hält dem entgegen:
    "Wir wissen ja mittlerweile, dass Herrn Seehofers Pläne – wir weisen an der deutschen Grenze zurück und dann nehmen die Österreicher und Italien brav alle zurück – keine Lösung ist. Weil sowohl Österreicher als auch Italien gesagt haben: Nein danke, da machen wir entweder dicht. Das bedeutet das Ende des Grundrechts auf Asyl. Oder gesagt haben: Dann nehmen wir einfach wieder keine Fingerabdrücke. Das heißt, wir müssen immer wieder betonen, dass Seehofer Pläne einfach nicht realistisch umsetzbar sind."
    Anhaltender Widerstand kommt auch aus der CDU: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet schließt heute im "Kölner Stadt-Anzeiger" mögliche Kontrollen an der Grenze zu Belgien, Luxemburg oder den Niederlanden aus. Politisch und auch rechtlich umstritten bleibt die Frage, was mit jenen Flüchtlingen geschieht, die an der österreichisch-deutschen Grenze Asyl beantragen, obwohl sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden. Seehofers Beamte im Innenministerium sehen die Möglichkeit zur Zurückweisung, viele Europarechtler sind jedoch skeptisch. Franziska Brantner fordert deshalb andere Lösungen:
    "Es wäre übrigens hilfreich, wenn man sich zum Beispiel mal den Beschluss des Europaparlaments dazu anschaut – dass man eine gemeinsame Grenzkontrolle braucht, eine gemeinsame Registrierung, danach eine Verteilung. Und dass wir auch klar legale Kontingente aus UN-Flüchtlingslagern brauchen, um diesen Seeweg nicht mehr nötig zu machen."
    Widersprüchliche Signale aus der SPD
    Diesen Plänen habe die CSU im Europaparlament sogar zugestimmt, betont Brantner. Im Übrigen seien die Grünen, wenn es denn zum Bruch kommen sollte, auf Neuwahlen vorbereitet. Das betonen auch die Linkspartei und die AfD. Widersprüchliche Signale sendet dagegen die SPD. Einerseits erklärt Generalsekretär Lars Klingbeil:
    "Wir sehen das Chaos in der Union. Und zur Professionalität gehört, sich auf alles Szenarien vorzubereiten."
    SPD-Vize Olaf Scholz lehnt die Spekulationen um eine Neuwahl hingegen ab, wie er in einem Interview mit der "Rheinischen Post" deutlich machte. Skeptisch wiederum klingt der scheidende Parteichef der NRW-SPD. Mike Groschek sagte heute auf dem Landesparteitag in Bochum: "Wenn Horst Seehofer in zehn Tagen noch im Amt ist, ist Merkel im Grunde nur noch Vizekanzlerin von eigenen Gnaden und nicht mehr Kanzlerin dieses Landes."