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Universität Augsburg
Streit um die Konfliktforschung

Augsburg ist seit dem Religionsfrieden von 1555 eng mit dem Thema Frieden verbunden. Augsburg verleiht alle drei Jahre den Friedenspreis und seit 2009 gab es an der Universität den einzigartigen Studiengang "Friedens- und Konfliktforschung". Wie es damit weiter geht, darüber ist jetzt ein Streit entbrannt.

Von Torsten Thierbach | 14.07.2016
    Studenten sitzen während einer Volkswirtschafts-Vorlesung im großen Hörsaal der Universität Augsburg.
    Studenten an der Uni Augsburg. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Seit dem Jahr 2009 widmet sich der Politikwissenschaftler Christoph Weller an seinem Augsburger Lehrstuhl vor allem der Friedens- und Konfliktforschung. Auch die Stadt war stolz. Sie erhoffte sich, so ihren Titel "Friedensstadt" auch in die Welt der internationalen Forschung tragen zu können. Doch jetzt hat die Uni beschlossen, Wellers Studiengang abzuschaffen.
    Sein Forschungsschwerpunkt soll ab dem Wintersemester in einem neuen Fach aufgehen. "Sozialwissenschaft: Konflikte in Politik und Gesellschaft" wird es heißen. Doch damit gehe nicht nur ein Aushängeschild für die Friedensstadt Augsburg verloren, so Weller: "Dadurch zeichnet sich die Friedens- und Konfliktforschung aus, dass sie sagt: Wir haben Fragestellungen, gesellschaftliche Problemstellungen, die mit Friedensfragen zusammen hängen. Und die lassen sich nicht disziplinär bearbeiten, sondern sie erfordern eine interdisziplinäre Bearbeitung."
    Gerade in einer Friedensstadt wie Augsburg müsse eine für alle Fachrichtungen offene Friedensforschung möglich sein, so Weller. Doch genau das drohe jetzt verloren zu gehen. Sein Vorwurf: In dem neuen Fach spielen nur noch sozial- und politikwissenschaftliche Aspekte eine Rolle. Allein die Zulassungsvoraussetzungen machten eine interdisziplinäre Forschungsarbeit fast unmöglich, so der Friedensforscher: "In denen sind Anforderungen enthalten, die man nur erfüllen kann, wenn man entweder Politikwissenschaft oder eben Soziologie gemacht hat. Und dadurch ist die Interdisziplinarität in der Studierendengruppe minimal."
    Mehr Studienplätze durch Fächerzusammenlegung
    Während Weller um die Qualität der etablierten Friedensforschung in Augsburg bangt, argumentiert die Uni mit den zusätzlichen Studienplätzen, die durch die Fächerzusammenlegung entstehen. Tatsächlich würden sie sich auf 60 verdoppeln. Auch eine bessere Betreuung für die Studierenden wäre gewährleistet, so der Dekan der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Bernhard Hofmann. Er sieht in der Umstrukturierung eine inhaltliche Verbreiterung: "Verbreiterung deswegen, weil der Studiengang auf das Thema 'Konflikte' abheben wird auf seiner ganzen sozialwissenschaftlichen und politikwissenschaftlichen Breite. Wir meinen auch, dass die Verankerung des Studiengangs in diesen Disziplinen kräftige Wurzeln schlagen wird, sodass ein wirklich fundierter und grundierter Studiengang die Folge sein wird."
    Aber eben einer, der nur noch auf zwei Beinen steht, so Weller. Denn erst eine Forschung über Politik- und Sozialwissenschaften hinaus, werde dem Thema Frieden gerecht, so der Professor. Für ihn ist die Uni-Entscheidung eine zugunsten der Studierendenzahlen und gegen die inhaltliche Qualität. Doch an der müssen sich die Absolventen messen lassen, wenn sie zum Beispiel als Friedensforscher im Auswärtigen Amt an Verhandlungen mit Konfliktparteien beteiligt sind oder Flüchtlinge bei der Rückkehr in ihre Heimat zu begleiten. Deshalb müsse die fachliche Vielfalt in der Lehre gegeben sein.
    Eine sehr spezifische Lernsituation
    "Da waren Ethnologen, da waren Studierende der sozialen Arbeit, da waren Leute, die Literaturwissenschaft studiert hatten, natürlich auch Soziologinnen, Politikwissenschaftlerinnen. Aber wie sich die Studierenden untereinander interdisziplinär irritiert, angeregt, neugierig gemacht haben: Das war eine sehr spezifische Lernsituation in diesem Studiengang."
    Dennoch: Die anderen sechs Professoren des Instituts für Sozialwissenschaften haben Weller überstimmt. Und damit die Konfliktforscher ihren Konflikt möglichst bald beilegen, versucht sich Dekan Hofmann in versöhnlichen Tönen: "Es ist natürlich so, dass alle Kolleginnen und Kollegen ausnahmslos an einem Strang ziehen werden und ziehen wollen. Und mir liegen keine Informationen darüber vor, dass jemand gehindert wäre, seinen Schwerpunkt in Forschung und Lehre nachzugehen."
    Offen bleibt, ob Friedensforscher aus Augsburg auch in Zukunft qualitativ das bieten können, was der Titel "Friedensstadt" erwarten lässt.