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Universität der Azoren
Hoffnung Ozean

Studieren mitten im Atlantik? Die Universität der Azoren ermöglicht jungen Leuten aus der abgeschiedenen Region einen Hochschulabschluss. Doch mittlerweile möchte die Institution weg vom Image einer Provinz-Hochschule und wirbt vermehrt Wissenschaftler aus dem Ausland an.

Von Tilo Wagner | 13.07.2015
    Zwei Delfine schwimmen im Meer.
    Die Azoren sind eines der fischreichsten Gebiete der Welt, allein über drei Dutzend verschiedene Wal- und Delfinarten sind hier schon gesichtet worden. (AFP / Ryan Nakashima)
    Madalena Chirila hat gerade ihr Erasmus-Semester in Ponta Delgada beendet. Auf dem Campus der größten Azoreninsel São Miguel hat die 20-jährige Rumänin Wirtschaftsinformatik studiert. Ihr Fazit fällt positiv aus, vor allem weil die Professoren der kleinen Universität genügend Zeit hatten, sich um die Gaststudierenden aus Europa zu kümmern:
    "Hier auf den Azoren konnte ich alles miteinander vereinbaren. Zu Beginn haben mir viele Freunde gesagt: Erasmus, das ist doch eine einzige große Party, das wird schwierig, dabei noch richtig zu studieren. Aber ich habe genau das geschafft und viele Kurse belegen können. Und das alles in dieser wunderbaren Natur, wo alles grün ist, und mit dem riesigen Ozean direkt vor der Tür."
    Lange Zeit gingen die Kinder der wenigen reichen, azorianischen Familien zum Studium auf das portugiesische Festland. Bis vor 40 Jahren die Universität gegründet wurde, um einer breiteren Schicht junger Menschen auf den von Landwirtschaft und Fischerei geprägten neun Azoreninseln Zugang zur Hochschulbildung zu garantieren.
    Die Vize-Direktorin der Azoren-Universität, Ana Alves, betont deshalb, dass die Ausbildung der azorianischen Bevölkerung immer im Vordergrund stand. Das habe sich nun geändert:
    "Unsere Universität versucht mehr Studierende von außerhalb anzulocken und eine multikulturelle Umgebung zu schaffen. Denn davon profitiert die Universität. Natürlich ist die Ausbildung der lokalen Bevölkerung weiterhin für uns wichtig, doch wenn jemand aus dem Ausland zu uns kommt und hier studiert, was er in seiner Heimat so nicht studieren kann, dann ist das für uns ein Zeichen der Anerkennung."
    Vulkanologie und Meereskunde
    Die Universität unterhält neben dem Hauptcampus in Ponta Delgada auch Fachbereiche auf zwei weiteren Inseln. Als internationales Forschungszentrum kann sich die Hochschule vor allem durch zwei Studienbereichen profilieren: Die Vulkanologie, die auf dem Archipel vulkanischen Ursprungs hervorragend erforscht werden kann. Und die Meereskunde:
    Helder Silva ist Direktor des Fachbereichs für Ozeanografie und Fischerei. Die Fakultät hat ihren Sitz in Horta auf der Insel Faial - 285 Kilometer westlich vom Campus in Ponta Delgada. Die Azoren sind eine der fischreichsten Gebiete der Welt, allein über drei Dutzend verschiedene Wal- und Delfinarten sind hier schon gesichtet worden. Zudem sei die Erforschung des Meeresgrundes zu einem wichtigen Forschungsschwerpunkt geworden, sagt Helder Silva.
    "Wir haben noch ein großes Wachstumspotenzial, vor allem was die Sichtbarkeit unserer Arbeit hier anbetrifft. Doch in einigen internationalen Rankings tauchen wir schon jetzt in den Top Ten der besten Forschungseinrichtungen auf. So zum Beispiel bei der Erforschung von Tiefseebergen."
    In den Top Ten der besten Forschungseinrichtungen
    Bisher wurden im Fachbereich für Meereskunde und Fischerei nur Master- und Promotionsstudiengänge angeboten. Das soll sich nun ändern, sagt Helder Silva:
    "Unsere Universität bietet ab dem kommenden Lehrjahr einen Bachelor in Meereswissenschaften an. Unser Fachbereich für Ozeanografie und Fischerei wird die Koordination übernehmen. Doch das Studium findet vor allem auf dem Campus in Ponta Delgada statt, wo nicht nur Meeresbiologie, sondern auch die Geschichte, die Wirtschaft und die Soziologie der Meere studiert werden sollen."
    In Horta gibt es mittlerweile eine Reihe von kleinen Unternehmen im Bereich der Meeresbiologie, die von ehemaligen Studierenden der Azoren-Universität gegründet wurden. Das macht auch den Verantwortlichen der Regionalpolitik neuen Mut: Denn wenn ein Teil der Uniabsolventen nach ihrem Studium nicht mehr nach Europa auswandert, sondern sich ihren Arbeitsplatz auf den Inseln selbst schafft, fördert das auch die lokale Wirtschaft.