Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Universität Hildesheim
Lehrer besser auf Migrantenkinder vorbereiten

Die Universität Hildesheim hat ein Zentrum für Bildungsintegration gegründet. Ein Ziel: Lehramtsstudenten sollen lernen, wie sie Kinder aus Einwandererfamilien besser fördern können.

Von Michael Engel | 20.02.2014
    Baufahrzeuge am Campus der Universität Hildesheim. Noch ist der mehrstöckige Gebäudekomplex vis à vis zur Mensa ein Rohbau. Heute ist Richtfest. Die Uni hat es eilig. Dort soll nämlich auch das heute gegründete Zentrum für Bildungsintegration einziehen, sagt der Präsident Professor Wolfgang-Uwe Friedrich.
    "Wir haben mit dem Zentrum für Bildungsintegration vor, erstens die Forschung im Bereich Bildungsintegration, Partizipation zu stärken. Wir haben Professuren eingerichtet wie 'Diversity Education'. 'Deutsch als Zweitsprache', 'Frühpädagogik', 'Heterogenität und Unterricht', das gehört alles in dieses Spektrum. Dann wollen wir selbstverständlich auch mehr Studierende mit Migrationshintergrund gewinnen, das heißt, attraktiv machen für Personen, die nicht einen so leichten Zugang haben wie Deutsch-Muttersprachler. Das ist das zweite Anliegen. Und hinzukommt, dass wir mehr Lehrerinnen und Lehrer wollen, die Migrationshintergrund haben."
    Zwölf Professoren erforschen die Ursachen, die für die Bildungsbenachteiligung verantwortlich sind: Es geht um strukturelle Ursachen, Formen der institutionellen Diskriminierung. Bei vielen Schülerinnen und Schülern, die vorzeitig die Schule verlassen müssen, ist die mangelnde Sprachkompetenz ein wesentlicher Grund dafür. Um dem Manko besser zu begegnen, erforscht Elke Montanari die Möglichkeiten der Mehrsprachigkeit im Unterricht. Sie ist Professorin für "Deutsch als Zweitsprache".
    "Wir müssen unsere Lehramtsstudierenden deutlich besser vorbereiten auf Mehrsprachigkeit. Das heißt, wir werden in den einzelnen Fächern Diskurse führen, zum Beispiel im Fach Sachunterricht oder im Fach Kunst, indem Schülerinnen und Schüler sagen, ich versteh‘ das nicht, kann mir das noch mal erklärt werden. Indem wir die Mehrsprachigkeit mit einbeziehen. Also welche Worte aus der Kunst kommen denn zum Beispiel aus dem Russischen? Erfahrungen des Verstehens und Nichtverstehens gemeinsam reflektieren, und wir hier aus Hildesheim auch Lehrkräfte haben, die das können."
    In Hildesheim gibt es 2600 Lehramtsstudierende. Mit den Absolventen der Erziehungswissenschaften und der Sozialpädagogik sind es mehr als 3500 angehende Akademiker, die sich für die Angebote zur Bildungsintegration interessieren können. Einige Projekte laufen schon: Lehramtsstudierende besuchen in Projekten ein Jahr lang Familien mit Migrationshintergrund, begleiten die Kinder sprachlich, treffen die Eltern und machen dabei wichtige Erfahrungen: Missverständnisse, aber auch Ängste werden abgebaut. Filiz Keküllüoglu ist die Koordinatorin des Zentrums für Bildungsintegration:
    "Die Lehrer und Lehrerinnen sind zum Teil mit dieser einwanderungsbedingten Vielfalt etwas überfordert, weil sie bislang nicht sehr diversitätssensibel ausgebildet wurden. Und dass sie sich dessen einfach bewusst werden. Also es ist quasi unmöglich, vorurteilsfrei zu sein. Aber der wichtige Weg ist, erst mal vorurteilsbewusst zu sein, dass man sich dessen bewusst wird, wie Stereotypen entstehen, wie Diskriminierungen entstehen, wie Diskriminierung vonstattengeht. Und die angehenden Lehrerinnen und Lehrer müssten sich dessen bewusst werden. Und das ist eine Sache, die man sich nicht einfach anlesen kann - nicht nur - man muss sich damit auch sehr reflexiv auseinandersetzen."
    Um den Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund zu erhöhen, bietet die Uni Hildesheim auch einen Schülercampus an. Hier kommen sie mit Lehrerstudenten ins Gespräch. Die niedersächsische Landesregierung unterstützt das Zentrum für Bildungsintegration mit rund drei Millionen Euro. Wichtiges Motiv dabei: Die Bildungsressourcen in Familien mit Migrationshintergrund besser zu nutzen. Das Modellvorhaben sollte Vorbild auch für andere Standorte mit Lehrerausbildung sein, findet Unipräsident Wolfgang-Uwe Friedrich.
    "Nicht jede Universität braucht so ein Zentrum zu gründen. Aber alle Universitäten müssen sich dem Problem widmen. Und dazu leisten wir einen Beitrag. Nicht mehr und nicht weniger."