Donnerstag, 25. April 2024

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Universität Tübingen
Verborgene Schätze aus dem Keller

In den Institutskellern der Universität Tübingen entdecken Professoren und Studierende immer wieder wahre Schätze der Wissenschaft, die viele schon vergessen hatten. Jetzt werden sie nach und nach geborgen und ausgestellt. Dabei kommt den Studenten eine wichtige Aufgabe zu.

Von Michael Brandt | 24.07.2015
    Der Raum ist abgedunkelt, in einem Kreis stehen um die 20 schwarze Stelen, darauf Glaskästen und in ihnen hell beleuchtet zentimetergroße Figuren aus Mammutelfenbein. Löwen, Bären, Mammuts, ein Pferd, bei dessen Anblick Professor Ernst Seidl ins Schwärmen gerät:
    "Hier haben wir das Wildpferdchen vom Vogelherd. Das ist 42.000 bis 38 000 Jahre alt, und wenn man sich diese Skulptur ansieht, wie der Kopf gearbeitet ist in seiner geringen Größe, die Halslinie, die Rückenlinie, dann kommt man nicht umhin, festzustellen, dass das Figürchen aus der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb große Kunst ist, und damit zu den weltweit ältesten bekannten Kunstwerken gehört."
    Ernst Seidl ist der Leiter des MUT, des Museums der Universität Tübingen, das seit knapp 10 Jahren für die Sammlungen der Universität zuständig ist und das hier im Tübinger Schloss über einen Trakt mit großzügigen Ausstellungsräumen verfügt.
    Eine große Sammlung mit Gipsabgüssen antiker Statuen steht hier, rund 10.000 antike Originale, unter anderem eine perfekt erhaltene griechische Bronzefigur aus dem 4. Jahrhundert vor Christus. Und schließlich eine ägyptische Abteilung mit Exponaten, die eine Zierde für jedes Hauptstadtmuseum wären.
    Also hier auf dem Schloss Hohentübingen haben wir acht verschiedene kulturwissenschaftliche und archäologische Sammlungen zusammengefasst, seit 17 Jahren werden die öffentlich ausgestellt, und die Institute sind auch auf dem Schloss, das heißt, wir haben die unmittelbare Verbindung zu der Forschung in den Instituten und wir versuchen in diesem Museum auch ganz stark museal zu arbeiten, das heißt, nach außen zu gehen.
    Die Ausstellungskonzepte sind zeitgemäß, die Objekte werden nicht nur hingestellt, sondern geradezu in Szene gesetzt, es gibt Kataloge, Plakate, und zumindest in der Uni selbst ist kaum zu übersehen, dass es die Sammlungen gibt.
    "Es gibt halt immer überall Poster dazu. Es gibt irgendwelche Sonderausstellungen, ja... / und vor allem die Ausstellung hier, wie sich die Universität in der Nazizeit verhalten hat, die interessiert mich und da will ich so bald wie möglich mal hin."
    Alle zwei Jahre gibt es ein sogenanntes Jahresthema, bei dem das MUT möglichst viele Institute mit ihren eigenen Sammlungen ins Boot holen will. Derzeit ist es die Uni Tübingen im Nationalsozialismus, vor vier Jahren war es das Thema Himmel.
    Das Museum fragte damals nicht nur bei Kunstgeschichte, Archäologie, Theologie und anderen nach Exponaten, sondern auch bei der Astrophysik. Und an diesem Beispiel zeigt sich, dass es den insgesamt 45 Sammlungen der Uni Tübingen nicht immer und nicht überall so gut ging wie zum Beispiel dem Elfenbeinpferdchen. Nicht alle Institute sind sammlungsinteressiert, sagt Seidl dazu
    "Und dann hieß es zunächst, nee also, wüsste ich jetzt nicht, und dann hat der liebe Kollege ein bisschen sich auf die Suche begeben und er sagte: Naja, in der Garage haben wir ein Weltraumteleskop, das ist das einzige, das zwei Mal im All war und heil zurückkehrte."
    "Und natürlich wurde es in dann folgenden Ausstellung ein Publikumsrenner."
    Das zeigt, dass an der Uni Tübingen auch noch viele Schätze in Kisten und in Institutskellern schlummern und teilweise erst auftauchen, wenn ein Umzug ansteht. So war es etwa bei den Psychologen. Kurz vor dem geplanten Umzug wandte sich ein Mitarbeiter ans MUT, Apparaturen aus fünf Jahrzehnten seien bereits aussortiert und sollten in Müllcontainer.
    "Daraufhin haben wir relativ schnell reagiert und das erste exemplarische Praxisseminar dieser Art entwickelt. Die Psychologie war zunächst nicht amused, dass wir uns da eingemischt haben, aber dann haben plötzlich alle Professoren mitgeschrieben bei der Publikation und wir haben mit dem Praxisseminar eine Dauerausstellung gemacht."
    Und hier kamen die Studierenden ins Spiel, die seitdem aus der Arbeit des MUT nicht mehr wegzudenken sind. Das Entrümpeln von Institutskellern, das Aufarbeiten der Exponate, das Ausstellungskonzept und die dazugehörige Publikation wurden zu studentischen Projekten, 2-semestrigen Forschungsseminaren.
    "Was natürlich großartig ist: Wir können damit die Studierenden sehr gut erreichen, viel besser als in Vorlesungen oder so. Das ist sehr anstrengend für uns und auch für die Studenten, aber es ist einfach großartig, wenn wir zu den Ausstellungen 300-seitige Kataloge machen können und die Studenten mitschreiben."