Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Universität Wien
Die Alma Mater der Wiener Moderne

Die Universität Wien feiert heute ihren 650. Geburtstag. Dabei waren die Anfänge der von Herzog Rudolf IV. gegründeten Hochschule eher kläglich. Erst mit dem Aufstieg Wiens zum Zentrum des Habsburgischen Weltreichs gewann sie kontinuierlich an Bedeutung.

Von Beatrix Novy | 12.03.2015
    Das Hauptgebäude der Universität in Wien.
    Das Hauptgebäude der Universität in Wien. (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Zu ihrem 650. Jubiläum dreht die Universität Wien das ganz große Rad - vom Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das ihr dieses Jahr gewidmet war, bis hin zum Tatort, der eigens in ihren Hallen gedreht wurde. So schafft man heute Aufmerksamkeit. Aber um sie ging es auch Herzog Rudolf IV., als er am 12. März 1365 die Stiftungsurkunde für die Hohe Schule in Wien unterschrieb.
    Der Herzog war jung und ehrgeizig. Es wurmte ihn, dass seine Familie, die Habsburger, im Wettbewerb um die deutsche Königs- und Kaiserwürde nie zum Zug kam, immer waren andere von der Versammlung der Kurfürsten gewählt worden, zum Beispiel sein Schwiegervater: Kaiser Karl IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger. Der hatte seine Residenz zum Goldenen Prag ausgebaut: mit dem St. Veitsdom, der Karlsbrücke - und der ersten Universität Mitteleuropas. So etwas wollte der junge Herzog Rudolf in seiner Stadt Wien auch haben.
    Wissenschaftliches Erkenntnisstreben galt seit dem 12. Jahrhundert auch der dominanten geistigen Macht, der Kirche, nicht mehr nur als subversiv. In Paris mahnte der kluge Theologe Hugo von St. Viktor:
    "Lerne alles, später wirst du sehen, dass nichts überflüssig ist. Beschränkte Wissenschaft ist nicht erfreulich."
    Vorbehalte gegen Studenten
    Domschulen und freie Lerngemeinschaften zahlender Studenten, die sich um einen Lehrer scharten - das waren die Keimzellen der Universitäten, die sich zuerst in Italien, England, Frankreich entwickelten. Gelehrt wurden Theologie, Recht, Medizin, dazu, als Basisstudium, die freien Künste, die für Jahrhunderte die Hochschulen prägen sollten: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie. Wie üblich hatte auch diese Entwicklung ihre Gegner. Der gelehrte Poet Philip de Grève erklärte, an den neuartigen Hochschulen werde nicht mehr richtig gelernt.
    "Weil man die Zeit für die Vorlesungen und Disputationen lieber mit zahllosen Besprechungen und Zusammenkünften vergeudet."
    Und wohin das bei Studenten führt, wusste er auch:
    "Sie versammeln sich nächtens, marschieren bewaffnet auf, brechen in Häuser ein, entführen junge Mädchen und Frauen und bedrängen sie in frevelhaften Gelagen."
    Keine Lehrerlaubnis für die Königsdisziplin
    Und solchen Leuten wollte Herzog Rudolf IV. in Wien ein eigenes Stadtviertel zur Verfügung stellen. Den Bürgern hatten diese Kolonien zugewanderter Studenten und Gelehrter, mit Sondergerichtsbarkeit, Steuerfreiheit, eigenen Regeln, Riten und Kleidung nie gefallen. Aber während die frühen Universitäten ihre Privilegien noch mühsam hatten durchsetzen müssen, fielen sie der Wiener Hochschule in den Schoß - Rudolf "der Stifter" gründete sie per Dekret. Eine neuartige Methode, mit der ihm allerdings Kaiser Karl IV. in Prag auch schon zuvorgekommen war. Schlimmer: Im Gegensatz zu Prag bekam Wien vom Papst keine Lehrerlaubnis für die Königsdisziplin, die Theologie. Und als Herzog Rudolf nur ein paar Monate später im fernen Mailand starb, schien sein Prestigeprojekt schon wieder am Ende zu sein.
    Aus kläglichen Anfängen wurde doch noch eine Geschichte. Mit dem Aufstieg Wiens zum Zentrum des Habsburgischen Weltreichs gewann die Universität kontinuierlich an Bedeutung, im 19. Jahrhundert wurde der Begriff Wiener Schule gleich für mehrere Fachrichtungen sprichwörtlich: Volkswirtschaft, Kunstwissenschaft, Rechtslehre, Musiktheorie. Die Alma Mater gehörte zu dem reichen Nährboden, auf dem die Wiener Moderne gedieh, verkörpert in Namen wie Freud, Schönberg, Schnitzler, Klimt oder Loos; aber auch die von Naturwissenschaftlern und Ökonomen wie Mach, Carnap, Neurath, Schlick, Mitglieder des unter anderem von Ludwig Wittgenstein und Albert Einstein inspirierten Wiener Kreises, der mit den letzten Denktraditionen des absolutistischen Zeitalters aufräumen wollte.
    Wissenschaftliche Weltauffassung verband sich mit moderner Musiktheorie, Reformbewegungen und dem Caféhaus: Ein Stück Geistesgeschichte, das nur in Wien gedeihen konnte. Die Vertreibung der jüdischen Wissenschaftler durch die Nazis beendete die Epoche, auf die Wiens Universität mit ihren heute 92.000 Studenten, viele davon aus Deutschland, besonders stolz ist.