Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


"Unmittelbar ändern würde sich durch ACTA erst einmal nichts"

Es ist das neue Schreckgespenst der Netzgemeinde: das Urheberrechtsabkommen ACTA, das geistiges und materielles Eigentum vor Diebstahl schützen soll. Doch schon jetzt kann der Download von illegal ins Netz gestellten Filmen zurückverfolgt werden.

DLF-Redakteur Benjamin Hammer im Gespräch mit Georg Ehring | 14.02.2012
    Georg Ehring: Die Freiheit des Internets sei bedroht, das war am vergangenen Wochenende der Tenor vieler Demonstrationen gegen das Urheberrechtsabkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement). Dabei ist das Internet auch heute kein rechtsfreier Raum. Auch wenn es viele einfach tun: Die Freiheit zum Kopieren und Weiterverbreiten von Texten, Filmen und Musik im Netz wird durch das Urheberrecht begrenzt. Frage an meinen Kollegen und Internet-Experten Benjamin Hammer: Wenn ich ein Werk im Internet interessant finde, was darf ich damit machen, ohne die Gefahr wegen Urheberrechtsverletzung bestraft zu werden - und was ist verboten?

    Benjamin Hammer: Herr Ehring, im Grunde gibt es da eine einfache Faustregel: Wenn man mit so etwas wie gesundem Menschenverstand durchs Internet surft, dann liegt man meistens richtig. Wenn ich im Internet zum Beispiel einen aktuellen Kinofilm finde - zum kostenlosen Herunterladen - dann spricht im Grunde alles dafür, dass er ohne das Einverständnis der Filmfirma ins Netz gestellt wurde. Dann spricht der Gesetzgeber von einer "offensichtlich rechtswidrigen Quelle" – und wenn ich die runterlade, mache ich mich strafbar. Übrigens kann so ein Download in den meisten Fällen auch ohne das ACTA-Abkommen jetzt schon zurückverfolgt werden. Im schlimmsten Fall droht mir dann ein Verfahren. Das gleiche gilt auch für sogenannte Streaming-Angebote, wenn ich also den Film quasi live im Internet schaue. Wenn es ein illegal kopierter Film ist, da gab es neulich ein Urteil, dann ist auch das verboten. Jetzt kommen wir aber zum gesunden Menschenverstand: Wenn es zum Beispiel Mediatheken sind von ARD, ZDF oder dem Deutschlandradio, dann geht das natürlich. Genauso kann ich mir bei Youtube Filme angucken oder bei last.fm Musik hören. Und ich darf mir auch in den meisten Fällen privat Kopien davon ziehen.

    Ehring: Viele Internetnutzer haben schon Abmahnungen oder Anzeigedrohungen erhalten, weil ihnen Herunterladen urheberrechtlich geschützter Dateien vorgeworfen wurde. Wie soll man sich denn verhalten, wenn man so etwas bekommt?

    Hammer: Erst einmal: Ruhe bewahren. Und ich habe vor der Sendung mit dem Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke gesprochen. Sein erster Rat: Man soll überprüfen ob das Schreiben echt ist, den Anwalt im Internet suchen. Es gibt nämlich auch Trittbrettfahrer, die so tun, als ob sie eine Abmahnung rausschicken können. Wenn das Ganze echt ist, dann muss ich erst einmal überprüfen: Habe ich vielleicht doch irgendetwas illegal heruntergeladen oder handelt es sich um einen Fehler? Und dann gibt es in diesen Abmahnungsschreiben sogenannte Unterlassungsverpflichtungserklärungen. Darin soll ich mich verpflichten, das Medium nicht mehr zu verbreiten oder zu nutzen. Rechtsanwalt Solmecke rät: Erst einmal nicht unterschreiben, denn oft sind die Formulierungen darin vage und es können hohe Kosten folgen. Die Lösung ist eine Verpflichtungserklärung, die man modifiziert hat. Also dann eben reinschreiben, was man bereit ist zu tun und was nicht. Und da, sagt der Anwalt, muss man sich meistens rechtliche Hilfe holen. Na klar, Anwalt Solmecke verdient damit sein Geld. Ich habe ihn dann auch gefragt, ob es wirklich immer ein Anwalt sein muss. Er sagt, wenn ich wegen ein oder zwei kopierten Medien abgemahnt werde, wenn es um drei-, vier- oder fünfhundert Euro geht, und ich weiß, ich habe wirklich nur diese Medien kopiert, dann kann ich zahlen. Ansonsten sollte ich mich an einen Anwalt wenden. Übrigens auch, wenn ich zu Unrecht verdächtigt werde.

    Ehring: Was würde sich eigentlich ändern, wenn ACTA in deutsches Recht umgesetzt wird?

    Hammer: Ja, das ist die Frage, wo es im Moment sehr sehr viel Streit gibt. Wenn wir die Politik fragen, zum Beispiel das Bundesjustizministerium, dann lautet die Antwort: Es ändert sich nichts. Bei den bestehenden deutschen Gesetzen gebe es eben keinen Unterschied dann, die gibt es schon. Wenn wir die vielen Gegner von ACTA fragen, dann ändert sich eine ganze Menge. Die kritisieren nämlich, dass die Formulierungen im Abkommen sehr vage gehalten sind. Zum Beispiel ist die Rede von "Durchsetzungsverfahren" oder von "Rechtsbefehlen zur Abschreckung". Keiner weiß genau, was sich dahinter verbirgt. Die Kritiker fürchten zum Beispiel, dass die Musik- und Filmindustrie dann noch enger mit den Internet-Providern zusammenarbeitet. Da ist dann zum Beispiel denkbar, dass der Internet-Provider massiv überwacht, was ich als Nutzer im Internet mache. Die Rede ist auch von Netzsperren. Falls auf einer Seite eine Raubkopie auftaucht, so die Furcht, dann wird die ganze Seite gesperrt und ist nicht mehr aufrufbar. Aber einfach gesagt: ACTA würde die Debatte weiter befeuern, unmittelbar ändern würde sich durch ACTA aber erst einmal nichts.