Zwei Staaten

Das Existenzrecht Palästinas ist nicht verhandelbar

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Die Flaggen von Israel und Palästina gehen ineinander über (Bildmontage)
Die Vereinten Nationen hatten 1947 beschlossen, dass im britischem Mandatsgebiet Palästina sowohl ein jüdischer als auch ein arabischer Staat entstehen sollte. © imago / Bihlmayerfotografie
Ein Kommentar von David Ranan · 20.07.2021
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Das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels ist in Deutschland Teil der "Staatsräson". Das hält David Ranan angesichts der Verbrechen in der Nazizeit für angemessen. Aber auch das Existenzrecht Palästinas sollte unantastbar sein, meint der Politologe.
"Das Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar" lautet ein Grundsatz deutscher Außenpolitik.
Wie aber steht es auf der anderen Seite mit dem Existenzrecht Palästinas?
Die Frage ist weniger abwegig, als sie vielleicht zunächst erscheint.
Denn die Vereinten Nationen hatten 1947 nicht nur beschlossen, dass im britischem Mandatsgebiet Palästina ein jüdischer Staat entstehen sollte, sondern gleichermaßen die Gründung eines arabischen Staates. Ebenso sollte die heilige Stadt Jerusalem neutral unter internationaler Kontrolle verwaltet werden.

Potenzielles palästinensisches Staatsgebiet schmilzt

Allerdings akzeptierte nur die jüdische Seite den UNO-Vorschlag. Die arabische Seite lehnte ihn auch deshalb ab, weil sie nicht hinnehmen wollte, dass ein Volk, das vor über 2000 Jahren in Palästina lebte, aufgrund eines religiösen Textes nun Rechte auf ein Land beansprucht, auf dem seit über 1000 Jahren Araber lebten.
Praktisch umgesetzt wurde von dem Plan der UNO nur 1948 die Gründung des Staates Israel. Der Krieg mit den arabischen Nachbarn führte dazu, dass Israel die ihm im Teilungsplan zugeteilten Gebiete expandierte. Jerusalem endete als eine zwischen Jordanien und Israel geteilte Stadt. Ein Großteil der nicht-jüdischen Bevölkerung wurde aus ihren angestammten Gebieten vertrieben.
Seit Israels Eroberung des Westjordanlands im Sechs-Tage-Krieg 1967 und mittels seiner systematischen Besiedlung, schmolz und schmilzt immer mehr das potenzielle palästinensische Staatsgebiet in sich zusammen. Das, was die Resolution der UNO ursprünglich forderte, kam nie zustande: die Gründung eines unabhängigen Palästinas.

PLO-Deklaration 1988 nur ein symbolischer Akt

Zumindest auf dem Papier gibt es diesen Staat jedoch. Die Palästinensische Befreiungsorganisation, PLO, hatte ihn 1988 ausgerufen. In der UNO erkennen 138 Länder dieses Palästina mittlerweile an. Bedeutende Ausnahmen bilden allerdings die USA und ein Großteil der Europäischen Union. Bundeskanzlerin Merkel hat sogar versichert, dass Deutschland ohne Israels Zustimmung Palästina nicht anerkennen würde.
Das, was Palästina hätte werden sollen, unterliegt bis heute der Kontrolle des israelischen Militärs und Geheimdienstes. Die Deklaration des palästinensischen Staates blieb nur ein symbolischer Akt.
Israel hingegen wird von beinah allen Mitgliedern der UNO anerkannt. Obwohl dessen Existenzrecht also von keiner ernstzunehmenden Seite in Frage gestellt wird, beharrt Deutschland auf dem Mantra, das Existenzrecht Israels sei nicht verhandelbar.
Praktisch hat die bedingungslose Pro-Israel-Position Deutschlands zur Folge, dass es sich immer wieder gegen die palästinensischen Interessen stellt. Unterm Strich bleibt Deutschland ein Mit-Ermöglicher der israelischen Besatzungspolitik und der rechtswidrigen Besiedlung des Westjordanlands – was leider schwerwiegende Konsequenzen für die Menschen in den von Israel besetzten Gebieten verursacht.
Palästinenser werden mittels der militärischen Macht Israels unterjocht und enteignet.
Hat Deutschland das moralische Recht dies zu tun? Ist es nicht höchste Zeit, dass wir uns an den historischen Beschluss der Vereinten Nationen erinnern und dem Mantra des Existensrechts Israels ein zweites hinzufügen?
Das da nämlich lautet: "Das Existenzrecht Palästinas ist nicht verhandelbar."

David Ranan ist ein israelisch-britisch-deutscher Politikwissenschaftler und Autor. Zuletzt erschien das von ihm herausgegebene Buch "Sprachgewalt: Missbrauchte Wörter und andere politische Kampfbegriffe", das sich mit politischer Terminologie und ihrer Manipulation beschäftigt im Verlag Dietz.

© Adi Halperin
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