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UNO kritisiert Deutschland
Giftmüll vom Exportweltmeister

Ein UNO-Sonderberichterstatter hat untersucht, welche Rolle Deutschland bei der Produktion giftiger Substanzen spielt. Sein Urteil alarmiert: Deutsche Chemieriesen exportieren Pflanzenschutzmittel in Regionen mit niedrigen Sicherheitsstandards. So gefährden sie indirekt die Gesundheit afrikanischer und lateinamerikanischer Bauern.

Von Anja Nehls | 07.12.2015
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg).
    Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide: Auf Glyphosat sollte verzichtet werden, meint die UN. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Die Menschenrechte und der Umgang mit gefährlichen Stoffen und Chemikalien stehen in einem Zusammenhang. Herstellung, Anwendung und Entsorgung giftiger Substanzen beschert den beteiligten Unternehmen satte Gewinne – aber gefährdet unter Umständen die Gesundheit von Menschen. Ein wichtiges Thema für den UN-Menschenrechtsrat. Wie Deutschland mit dem Problem umgeht, sollte deshalb UN-Sonderberichterstatter Baskut Tuncak in den vergangenen sechs Tagen herausfinden.
    Nach Gesprächen mit Vertretern des Gesundheits-, Umwelts-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzministerium, des Bundesinstituts für Risikobewertung und Unternehmen wie BASF, Bayer Crop Sciences und dem Verband der chemischem Industrie war Baskut Tuncak allerdings nur teilweise zufrieden. Zwar gehe die chemische Industrie in Deutschland weitgehend sorgfältig mit gefährlichen Substanzen um, die Unternehmen seien aber auch verantwortlich dafür, schädliche Auswirkungen woanders zu vermeiden:
    "Chemikalien, die bereits in der EU verboten sind, werden immer noch von deutschen und europäischen Unternehmen für den Export hergestellt. Und zwar auch in Länder, die kein funktionierendes System für das Chemikalienmanagement haben, wie Afrika, Südostsasien oder Lateinamerika. Die Arbeitnehmer und Gemeinden in Entwicklungsländern sind durch diese Praktiken extrem gefährdet."
    Bayer gelobt Besserung, allerdings ohne konkreten Zeitplan
    Ein Beispiel dafür sei zum Beispiel das Pestizid Paraquad, eine hochgefährliche Substanz, bei der bereits ein kleiner Teelöffel tödlich sein kann. Ein Konzern mit Hauptsitz in der Schweiz stellt das Produkt immer noch her zum Beispiel für den Export nach Süd- und Mittelamerika. In der EU ist Peraquad seit Jahren verboten.
    Baskut Tuncat ruft zusammen mit dem UN-Sonderberichterstatter für Nahrung dazu auf, auf die Herstellung und den Gebrauch sogenannter HHps, also hochgefährliche Pestizide, komplett zu verzichten und sie durch andere zu ersetzen. Auch in Deutschland werden diese Pestizide weiter hergestellt, deshalb hat er mit der Firma Bayer darüber gesprochen:
    "Bayer hat zugegeben, dass noch HHPs hergestellt werden, hat aber auch eingeräumt, dass es hier Veränderungen geben muss. Sie haben mir gesagt, dass daran gearbeitet wird, nach und nach aus diesen Produkten auszusteigen. Was für mich allerdings nicht so befriedigend war, dass es keinen konkreten Zeitplan dafür gibt."
    Viel Nachholbedarf für Deutschland
    Auch an andere Stellen gibt es Nachholbedarf in Deutschland, findet Baskut Tuncat. Zwar gebe es in der EU eine Spielzeugrichtlinie für sicheres chemiefreies Spielzeug, in einigen Fällen haben aber Untersuchungen ergeben, dass die Grenzwerte für giftige Chemikalien überschritten werden.
    Der vorbeugende Schutz von Kleinkindern steht für den UN-Sonderberichterstatter im Vordergrund seiner Arbeit. Deshalb empfiehlt er auch, auf das umstrittene und möglicherweise krebserregende Pflanzenschutzmittel Glyphosat zu verzichten. Und zwar solange, bis zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass es nicht gesundheitsgefährlich ist.
    Weltweit sollte es für sämtliche Chemikalien einheitliche Standards für alle Stufen der Produktion und Verwendung geben, so Tuncat. Die deutsche Bundesregierung müsse sich in dieser Hinsicht viel stärker einbringen.