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UNO-Nachhaltigkeitsgipfel
"Aus der Vergangenheit ein Stück weit gelernt"

Mit den 17 Nachhaltigkeitszielen setze die UNO Spuren und Signale der Hoffnung, sagte Klaus Milke von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch im DLF. Die 193 Staaten beschäftigten sich nun bereits mit Fragen der Umsetzung und hätten bis 2030 regelmäßige Zwischenberichte vereinbart. Das zeige, dass die UNO aus den Problemen mit der Umsetzung der Millenniumsziele gelernt habe.

Klaus Milke im Gespräch mit Doris Simon | 26.09.2015
    Blick auf die UNO-Vollversammlung in New York
    Die UNO-Vollversammlung ist zum Nachhaltigkeitsgipfel in New York zusammengekommen. (afp / Timothy A. Clary)
    Doris Simon: Der Nachhaltigkeitsgipfel hat im Einzelnen 17 nachhaltige Entwicklungsziele verabschiedet mit 169 genauen Vorgaben, umzusetzen bis 2030. Klaus Milke arbeitet für die Organisation Germanwatch, die sich für nachhaltige Entwicklung einsetzt, und er ist für uns früh aufgestanden in New York, wo er den Gipfel begleitet. Herr Milke, sind die Ziele, die sich die Weltgemeinschaft da gesetzt hat, realistisch und zu erreichen oder geht es hier mehr darum, eine Richtung zu weisen, wo es hingehen soll?
    Klaus Milke: Das letztere auf jeden Fall! Schönen guten Morgen aus New York!
    Simon: Guten Morgen!
    Milke: Die Ziele, die jetzt entwickelt wurden, und zwar nicht von heute auf morgen, sondern über einen zweijährigen Prozess unter Einbeziehung auch der Zivilgesellschaft, wo wir auch mitgewirkt haben als NGO, diese Ziele zeigen auf, was dringend erforderlich ist, um auch die Vereinten Nationen nicht zu einer durch Angst und Misstrauen vereinten Nation werden zu lassen, sondern wirklich Spuren und Signale der Hoffnung zu setzen. Was jetzt sehr schön ist zu sehen, ist, dass gestern die Ziele schon verabschiedet wurden, direkt nach der Papstrede, und alles, was jetzt folgt auf die Events von Frau Merkel, die Treffen, die sie und andere Gipfelteilnehmer jetzt durchführen, die gehen alle schon um die Frage, wie setzt man das jetzt um. Das ist sehr positiv zu sehen, was bei anderen Konferenzen erst weit danach passiert.
    Simon: Die Umsetzung der Ziele, die Sie gerade angesprochen haben, wo Sie große Hoffnungen haben, die ist ja freiwillig und jeder Staat entscheidet selbst über die Maßnahmen, wie er diese Ziele erreichen will. Kann denn das funktionieren? Da gibt es welche, die machen das ganz bestimmt ganz ordentlich, aber alle?
    "Sehr ambitioniert, aber dringendst erforderlich"
    Milke: Da hat man auch vorgesorgt und aus den Erfahrungen der Vergangenheit ein Stück weit lernen wollen – es wird im März ein großes Set von Indikatoren geben, also im März 2016, die klar aufzeigen, auch durch das Reporting, was die Staaten der Welt dann regelmäßig abgeben sollen, wie weit ist man in der Lage, die Ziele tatsächlich zu erreichen je als einzelnes Land und dann wird es große gemeinsame Reports geben, auch von den Vereinten Nationen selbst, die zeigen, sind wir alle auf der Spur, das zu tun, was gestern mehrfach unterstrichen wurde, niemanden zurückzulassen innerhalb der Staaten, aber auch, dass andere Staaten schwächere Staaten zurücklassen. Das ist sehr ambitioniert, aber es ist dringendst erforderlich, wenn man sich die Situation der Welt in sozialer Hinsicht, in Entwicklungshinsicht anschaut und wenn man den Zustand Planeten durch die Missachtung seiner planetaren Grenzen, wenn man sich das alles vor Augen führt.
    Simon: Ich höre da raus, Sie gehen davon aus, dass durch diese regelmäßigen Reports, die den Fortschritt bei den Maßnahmen beschreiben, dass man dadurch, weil man da nicht schlecht dastehen will, sozusagen auch gedrängt wird als Land, etwas zu tun. Ist das eine Erfahrung, die man auch gezogen hat daraus, dass bei den Millenniumszielen – die werden ja jetzt abgelöst durch das Neue – längst nicht all das erreicht wurde, was man sich da ambitioniert gesetzt hatte?
    Milke: Ja, die intelligente Vorgehensweise war ja jetzt, die Millennium-Ziele nicht zurückzulassen oder sich von ihnen zu distanzieren, sondern sie sind integraler Bestandteil dieser STGs, der sustainable development goals oder globalen Entwicklungsziele, wie man im Deutschen dazu sagt. Da setzen auch die Entwicklungsländer, die schwachen Länder, zentral darauf, dass jetzt nicht so getan wird, jetzt gibt es eine neue Agenda und das, was wir euch mal versprochen haben, halten wir nicht ein. Nein, viele Zusagen aus den MDGs, den millennium development goals, die sind jetzt noch mal verschärft worden, und es gibt jetzt einen Zeitplan für alle diese Ober- und Unterziele bis 2030 und dann muss Kassensturz gemacht werden. Da ist jetzt die Umsetzung der Lackmustest, auch durch ein Land wie Deutschland.
    Simon: Da hat ja Bundeskanzlerin Merkel angekündigt, in einem Punkt die Entwicklungshilfe von derzeit 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 0,7 Prozent zu steigern, das ist ja seit 45 Jahren im Übrigen die Vorgabe der Vereinten Nationen – wo sehen Sie denn angesichts dieser neuen Ziele Deutschland sonst besonders gefordert?
    "Obama und seine Administration sehr hilfsbereit"
    Milke: Deutschland hat ja eine durchaus gut entwickelte Nachhaltigkeitsarchitektur, das heißt, eine Nachhaltigkeitsstrategie mit Institutionen, mit Prozessen, die jetzt seit 2002 vonstatten gehen, und was im nächsten Jahr – und da ist ein Glücksfall passiert –, da soll die Nachhaltigkeitsstrategie von Deutschland wieder neu formuliert werden – das wird sie alle vier Jahre. Da jetzt die SDGs als Maßstab zu nehmen, als Benchmark zu nehmen, zu sagen, das, was wir da bisher uns vorgenommen haben, reicht das aus oder – da sind wir fest von überzeugt – als Zivilgesellschaft, wir müssen weit darüber hinaus gehen, einen Umsetzungsplan in Deutschland für diese SDGs zu machen und dabei zum Beispiel den Handelsbereich – TTIP als Stichwort – und auch die Finanzentwicklung weltweit, den Finanzkapitalismus nicht außen vor zu lassen, dass das nicht eben nur weiche Themen sind, womit wir uns auseinandersetzen, sondern wirklich die harten Themen der täglichen Politik.
    Simon: Sehen Sie denn da die Bereitschaft in Deutschland und anderswo – das Problem wird ja auch in Sachen Klima bis zur Klimakonferenz im Dezember noch weiter sich aufbauen, auch da entstehen harte Konflikte mit Wirtschafts- und Finanz- und Industriepolitik.
    Milke: Da braucht es sicherlich Staaten, die vorangehen und andere mitziehen und es im Grunde anderen unmöglich machen, sich völlig dagegen zu stellen. Das ist in der Vorbereitung dieses Gipfels übrigens auch sehr gut gelungen, und wir haben eine gute Situation, dass die USA auf multilateraler Ebene, soweit wie das Kongress und Senat ja etwas eingeengt überhaupt tun können, machen sie. Da ist Obama und seine Administration jetzt sehr hilfsbereit. Wir erhoffen uns gerade von Sonntagmorgen noch wichtige Leitlinien für den Prozess Richtung Paris, dass diese Dekarbonisierungsbeschlüsse von Elmau am G7-Gipfel in Deutschland ausgeweitet werden, dass auch andere Staaten sagen, ja, sowas halten wir auch für dringend erforderlich, machen wir mit. Gerade die USA haben im Moment mit China noch mal intensiv [Anm. d. Red.: An dieser Stelle lag ein technischer Fehler in der Verbindung vor.] China da wichtige Signale abgibt, das wäre für den gesamten Prozess Richtung Paris absolut hilfreich.
    Simon: Das war Klaus Milke von der Organisation Germanwatch zum Nachhaltigkeitsgipfel in New York. Herr Milke, vielen Dank!
    Milke: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.