Aus den Feuilletons

Ruf nach Steuersenkungen für den Kunststandort Deutschland

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Der Galerist Johann König
Johann König zählt zu den einflussreichsten Galeristen zeitgenössischer Kunst. In der "Welt" beschäftigt er sich mit dem Kunststandort Deutschland. © Theresa Kottas-Heldenberg/dpa
Von Paul Stänner · 21.06.2020
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Die Politik ist schuld! Sie hat das Geschäft mit der Kunst immer weniger lukrativ gemacht, schreibt der Berliner Galerist Johann König in der „Welt“. Damit auch künftig noch Kunst in Deutschland gehandelt wird, müssten "die Abgaben runter", fordert er.
"Heute wollen manche Zeitgenossen im Coronavirus ein beinahe religiöses Zeichen für die drastischen Einschränkungen unseres Lebens erkennen", schreibt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Zsuzsa Breier, Kulturwissenschaftlerin mit DDR-Hintergrund, will sagen: mit Erfahrungen im Lockdown hinter der Mauer. Sie antwortet jenen guten Menschen, Soziologen oder Philosophen, die glauben, im Corona-induzierten Stillstand sei ein sozialer Fortschritt zu finden.
Aber nein, heißt es in der NZZ. "Was kann an einem aus Todesangst erzwungenen Lebenswandel positiv sein?", fragt sie und folgert: "Die Corona-Zeit wird uns nicht verwandeln. Pest, Kriege und Diktaturen machten die Menschen nicht besser. Entfalten konnte sich unsere Gesellschaft durch die Prosperität unserer freien und marktwirtschaftlichen Gesellschaften."

Helga Schuberts "kleiner Sieg über die Diktatur"

Das wird vermutlich auch die Bachmann-Preisträgerin Helga Schubert unterschreiben. Der TAGESSPIEGEL erinnert dran, dass Schubert schon einmal vor 40 Jahren nach Klagenfurt reisen wollte, aber von den DDR-Bürokraten nicht freigelassen wurde. So gesehen sei ihre Auszeichnung ein "kleiner Sieg über die Diktatur".
In allen Klagenfurt-Feuilletons spielt die digitale Form des Literaturtreffens eine Rolle. Ist sie nun maßstabsetzend oder eher nicht? Der TAGESSPIEGEL sieht in Videokonferenzen keine Zukunft: "So innig wie dieser Tage wurde das baldige Wiedersehen im kommenden Jahr selten herbeigesehnt."
Die TAZ untersucht, wie sich ohne Publikum die "Techno- und Psycho-Dynamik" der Streitereien zwischen Jurorinnen und Juroren und Autorinnen und Autoren entwickelte - und weiß jetzt: "Die Erfahrung mit den Talkshows der Coronazeit zeigt: Ohne ständiges Gieren nach Zustimmung bleiben die Diskutierenden eher bei der Sache und kommen schneller zum Punkt."
Was eigentlich dafür sprechen könnte, die digitale Form beizubehalten, aber so – auch das weiß die TAZ – ist es nicht im Sinne der Veranstalter, die die Jury eben auch nach Unterhaltungswert zusammengestellt haben. Die TAZ urteilt über die Urteiler und kommt zu einem ruppigen, hübsch formulierten Jurybashing.
Heftig gebasht wird Berlin wegen seiner banausigen Kulturpolitik. Der TAGESSPIEGEL will über eine Kunstaustellung in Kurt Tucholskys Geburtshaus in der Lübecker Straße 13 berichten und kann dies nicht ohne grundsätzliche Bemerkung: "Es gibt ja nicht viele Geburtshäuser populärer und kluger Schriftsteller in Berlin. Trotzdem hat es die Kulturverwaltung nie geschafft, hier einen informativen Anlaufpunkt für die vielen Tucholsky-Fans zu etablieren. Die Lübecker Straße dokumentiert nicht nur materielle, sondern auch geistige Armut."

Warum sterben in Deutschland die Galerien?

Armut ist im Grunde auch das Thema eines Artikels in der WELT, der vom Berliner Galeristen Johann König stammt. Nach einer charmanten Einleitung, in der er einräumt, dass gelegentliches Jammern zum Unternehmergewerbe gehöre, legt er die aus seiner Sicht schwierige Lage des Kunsthandels dar: "Warum aber sterben in Deutschland die Galerien? Die Antwort ist meiner Meinung nach simpel: Politische Entscheidungen haben das Geschäft immer weniger lukrativ gemacht, für den Kunsthandel stellt der Standort Deutschland mittlerweile einen Wettbewerbsnachteil sondergleichen dar."
Es folgt eine detaillierte Darlegung der steuerlichen Probleme, die deutsche Galerien beeinträchtigen. Johann König - und damit auch diese Ausgabe des Blicks in die Feuilletons – schließt mit folgendem Zitat:
"Es müssen also, ein wahrer Klassiker des Unternehmers, die Abgaben runter. Denn wenn erst der Kunsthandel wieder zu einem Thriving Business wird, wird eine Konkurrenz entstehen, von der alle profitieren: die Künstler, die Galerien, die Museen, die Sammler, die gesamte Kulturlandschaft – und am Ende, sogar der Finanzminister. Der nämlich sieht am Ende langfristig gar nichts mehr, wenn der Sammler nichts mehr in Deutschland, sondern alles sehr viel günstiger in New York oder der Schweiz kauft."
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