Donnerstag, 28. März 2024

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Guter Mond
Wer baut da oben das Dorf?

Tonnenweise haben US-Amerikaner Mondgestein auf die Erde geschleppt. Es ist längst analysiert und die Mondoberfläche gut kartografiert. Trotzdem wollen plötzlich alle zurück zum Mond. Technisch machbar wäre vieles. Nur zu welchem Zweck und mit welchem Ausgang?

Von Karl Urban | 30.03.2018
Hinter lichter Baumkulisse steht der Vollmond am Nachthimmel
Der Mond ist das neue alte Ziel der Menschheit (imago / Harald Lange )
Donald Trump: "The directive I'm signing today will refocus America's space program on human exploration and discovery."
Jan Wörner: "Der Mond bietet ganz viele Möglichkeiten und deshalb habe ich gesagt: Lasst uns doch gucken, wie wir eine dauerhafte Station auf dem Mond aufbauen."
Andrew Jones: "By the mid 2030s the plan would be to put Chinese astronauts on to the moon."
Donald Trump: "It marks an important step in returning American astronauts to the moon"
Elon Musk: "It is 2017. We should have a lunar base by now. What is going on?"
Guter Mond. Oder: Wer baut da oben das Dorf? Von Karl Urban.
Vor fast 50 Jahren landeten erstmals Menschen auf dem Mond. Eine technische Meisterleistung. Und jetzt geht es offenbar wieder los: Die einen entwickeln gigantische Raketen, andere vermuten im vermeintlich knochentrockenen Regolith-Staub wertvolle Rohstoffe. Und wieder andere hoffen, mit dem Mond zumindest die Wählergunst aufzufrischen.
Donald Trump: "Thank you very much, vice president Pence, for helping – where is our vice president, great job, great job – to restore American leadership in space."
Am 11. Dezember 2017 versammelt Donald Trump Vertraute, Journalisten und lang gediente Astronauten im Weißen Haus.
Donald Trump: "This time we will not only plant our flag and leave our footprint. We will establish a foundation for eventual missions to Mars and perhaps one day to many worlds beyond."
Die Amerikaner wollen dieses Mal nicht nur ihre Flagge und einige Fußspuren hinterlassen, sagt der US-Präsident. Sie wollen eine Basis gründen. Als Ausgangspunkt für Missionen zum Mars und darüber hinaus.
Donald Trump: "I suspect we will be finding other places to land in addition to the moon. What do you think Jack. Where is Jack?"
Fast hilflos wendet sich Donald Trump an Jack Schmitt, den 82-jährigen Astronauten und im Jahr 1972 letzten Menschen auf dem Mond.
Donald Trump: "What do you think Jack? We will find some other places out there? There are a couple of other places, right? We will learn."
"Was glauben Sie Jack? Werden wir dort draußen andere Orte finden? Es gibt da einige Orte, richtig? Wir werden lernen."
Alle Nationen könnten ihre eigenen Ziele verfolgen
Donald Trump spricht nicht von Transportmitteln, nicht über Geld. Auch über den Zeitpunkt schweigt er sich aus. Aber gerade die Zeit drängt.
"Wir haben nun mal die konkrete Situation, dass die internationale Raumstation in vielleicht zehn Jahren zu ihrem Ende kommt."
Jan Wörner wurde 2015 zum Chef von Europas Raumfahrtagentur ESA gewählt. Damals hat man ihn nach seinen Visionen gefragt. Wie soll die Präsenz des Menschen im All danach aussehen? Und Wörner skizzierte seine Idee: Alle Nationen und Gruppen mit Ambitionen könnten ihre eigenen Ziele verfolgen –in einem Punkt aber sollten sie gemeinsame Sache machen: in einer Art Monddorf.
"Um klarzumachen, dass "dauerhafte Station" für mich heißt, dass verschiedene Akteure mit ihren speziellen Eigenschaften und ihren Wünschen dorthin gehen können, ob das nun Nationen sind oder Privatunternehmen, ob das eher robotische Aktivitäten sind oder vielleicht auch astronautische, habe ich gesagt, muss ich eine Analogie finden, die auf der Erde ein Zusammenführen dieser verschiedenen Dinge darstellt. Und das sind die Dörfer. Dörfer sind der Inbegriff dessen, in denen verschiedene Leute mit verschiedenen Interessen zusammenkommen. Deswegen habe ich das Ganze "Moon Village" genannt."
Tatsächlich scheint sich auch die ESA wieder auf den Mond zu besinnen, nachdem sie ihn lange vernachlässigt hat. Mit SMART-1 flog bisher nur eine wenig ambitionierte europäische Raumsonde zum Mond. Das ist jetzt 15 Jahre her. Aber mittlerweile arbeitet die ESA gemeinsam mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos an neuen Landern - und sie sind damit längst nicht die einzigen.
Im Jahr 2007, vor gerade einmal zehn Jahren, startete China seine erste Raumsonde zum Mond. Mit Chang'e 1 begann das bisher wohl ehrgeizigste Mondprogramm des 21. Jahrhunderts.
"Das chinesische Explorationsprogramm sah drei Schritte vor: Zuerst einen Orbit um den Mond erreichen, dann eine weiche Landung mit einem Rover durchführen und am Ende landen, um Proben zu sammeln und zur Erde zurückzubringen."
Das chinesische Mondfahrzeug "Jadehase".
Das chinesische Mondfahrzeug "Jadehase". (dpa/picture-alliance/An Xin)
Allee der Kosmonauten in Berlin-Marzahn
Der Journalist Andrew Jones verfolgt das chinesische Raumfahrtprogramm schon lange. Die Hälfte der selbst gesetzten Ziele hat China bereits umgesetzt. Im Dezember 2013 landete mit dem 140 Kilogramm schweren 'Jadehasen' der erste eigene Rover auf dem Mond. Die nächsten Sonden sollen im Sommer 2018 und im Jahr 2019 starten. Der Weg ist für den Mondexperten der ESA, Bernard Foing, vorgezeichnet:
"Die Chinesen entwickeln ihr starkes bemanntes Programm weiter. Mit der Raumstation namens Tiangong festigen sie ihre Präsenz im Erdorbit. Man kann eine natürliche Entwicklung hin zu einer kleinen Infrastruktur auf dem Mond mit Menschen sehen. Nach einigen unbemannten Landungen könnten sie in der Lage sein, Menschen mit Fracht auf dem Mond zu landen."
Und nicht nur staatliche Raumfahrtagenturen zeigen derzeit Interesse am Mond. Die Allee der Kosmonauten in Berlin-Marzahn, in einem schmucklosen zweigeschossigen Flachbau residiert ein deutsches Raumfahrt-Startup.
"Wir nennen uns ja PT Scientists, weil das mit den Part Time Scientists stimmt ja nicht mehr."
Karsten Becker war von Anfang an bei den Part Time Scientists dabei. Vor neun Jahren gegründet von ein paar Berliner Elektronikbastlern und Hackern aus dem Umfeld des Chaos Computer Clubs.
"Da kommt er: Das ist einer unserer schnellsten Rover. Es macht auch ein bisschen Spaß, damit im Gelände herumzuheizen."
Die Gruppe nahm als eines von anfänglich 32 Teams am Google Lunar X-Prize teil, einem im Jahr 2007 ausgelobten Preis. Der Preis war gedacht als Türöffner für die kommerzielle Mondfahrt. Im Januar 2018 zog Investor Alphabet das Preisgeld zurück, ohne dass es eines der Teams zum Mond geschafft hätte. Aber mehrere Gruppen tüfteln weiter. Das hier herumfahrende Gefährt der PTScientists: nur ein kruder Prototyp - das Team ist schon viel weiter.
"Er ist eine Softwareentwicklungsplattform. Da kann man zum Beispiel Algorithmen testen: Wie richtet man die Räder richtig aus oder welche Parameter sind für die Übertragung optimal?"
"Wie fährt man nicht gegen irgendwelche Vitrinen im Flur. Der ist noch nicht gut optimiert zum Lenken. Es ist es ein etwas einfacherer Algorithmus."
Auf dem Mond Rohstoffe fördern
Aus den Kapuzenpullover tragenden Nerds der Anfangsjahre wurden selbstbewusste Geschäftsleute, auf deren weißen Hemden das Logo eines großen deutschen Autobauers aufgestickt ist. Aus den ersten schuhkartongroßen Rovern, die eher an Kinderspielzeuge erinnerten, wurden zwei rund 30 Kilogramm schwere und robuste Fahrzeuge. Denn die Part Time Scientists wollen gleich zwei Rover starten.
"In unserer ersten Mission geht es vor allem darum zu zeigen, dass wir ein Raumschiff entwickeln können, das auf dem Mond landen kann, und dass wir dann die Rover absetzen können."
An Bord von Landestufe und Rover ist Platz für Experimente. Forscher aus aller Welt sind eingeladen, darauf kleine, gerade milchtütengroße Module zum Mond zu schießen – gegen eine Gebühr, versteht sich. Der Mondforscher der ESA, Bernard Foing, ist von dieser Idee begeistert.
"Sie wollen einen Markt für den Transport von Nutzlast schaffen, eine Art Paketdienst zwischen Erde und Mond."
Mehrere US-Unternehmen entwickeln derzeit Ideen, auf dem Mond Rohstoffe zu fördern, die als Baumaterial für Gebäude des Dorfs dienen könnten. Oder um dort Wasser oder Raketentreibstoff herzustellen. Die PTScientists wollen sich anders in das zukünftige Monddorf einbringen: Sie verbauen in ihrem Lander einen Mobilfunksender von einem ihrer Sponsoren.
"Uns geht es darum, weiter zu denken. Wir wollen Infrastruktur im Weltraum anbieten. Das heißt, wenn jetzt die ESA das Moon Village aufbauen möchte oder eine Precursor-Mission macht, dann wollen wir Kommunikations-Infrastruktur in Form von LTE-Basisstationen auf den Mond bringen, die dann von den Rovern oder Astronauten oder was auch immer sich auf der Oberfläche bewegt, genutzt werden können."
Die Frage bleibt: Was sucht der Mensch auf dem Mond? Was gibt es dort, was wir nicht schon längst gefunden haben? Wir waren ja schon Mal da. Und haben ihn dann jahrzehntelang links liegen lassen.
"Man sagt in China, ein Mädchen ist hübsch wie der Mond. Sie hat ein Gesicht so rund wie der Mond. Der Mond ist überall dabei, in vielen Redewendungen, in vielen Ausdrücken. Der Mond hat wirklich Priorität in China."
Andrew Jones: "In China nutzen sie immer noch den Mondkalendar. Aber es geht auch ums Prestige: Wer Raumsonden zum Mond fliegt, sie dort sanft landet und Proben zurückbringt oder sogar Menschen landet: Der steigert das internationale Ansehen Chinas immens."
So gut wie jedes von Menschen gebaute Teleskop ist auf den Mond gerichtet worden. Hunderte Raumsonden sind zu ihm geflogen, zwölf Menschen auf ihm gelandet. Er ist der einzige Himmelskörper, von dem wir viele Kilogramm Gestein zur Erde gebracht haben. Über den Mond wissen wir heute viel – aber längst nicht alles.
"Wir haben uns wirklich sehr kleine Bereiche angeschaut und vor allem muss man auch mal ganz fairerweise dazu sagen, dass die Leute, die sich das angeschaut haben, allesamt Militärpiloten waren und ein Geologe, der dann mal bei der letzten Mission mitgenommen wurde."
Ohne Mond sähe die Erde anders aus
Das sieht nicht nur Karsten Becker so, sondern auch Matthias Maurer - frisch ernannter Astronaut der ESA - und Vollblut-Wissenschaftler.
"Damals wurde eine Flagge in den Boden gerammt und man hat gesagt: Okay, jetzt waren wir oben. Es wurde sehr wenig Wissenschaft gemacht. Gerade als die Wissenschaftmissionen anfangen sollten: Bei Apollo 17 war das schon großer Schwerpunkt, aber Apollo 18, 19 und 20 waren ja schon geplant und die Wissenschaft bei denen wäre wirklich super gewesen. Aber damals wurde es eingestellt, weil der Vietnamkrieg leider wichtiger war."Ralf Jaumann 01:24
"Wissenschaftlich gibt es sehr viele Fragen."
Am Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt betreibt auch Ralf Jaumann seit vielen Jahren Studien zum Mond, ohne dass seine Vorschläge für neue Mondsonden bislang die nötigen Mittel erhalten hätten.
"Wir wissen immer noch nicht genau, wie er entstanden ist. Das ist eine absolut entscheidende Frage, weil ohne Mond würde die Erde völlig anders aussehen als sie das tut."
Jahrzehntelang glaubten Planetenforscher, der Mond sei durch den Einschlag mit einem massiven, etwa marsgroßen Planeten auf der jungen Erde entstanden. Doch noch immer rätseln die Wissenschaftler, warum Mondgestein dann fast völlig identisch mit dem Erdmantel ist, tief im Erdinneren. Vielleicht waren die Proben der Apollo-Astronauten einfach schlecht ausgewählt. Dazu kommt: Die Zeitskala des gesamten Sonnensystems basiert auf den Analysen weniger Proben vom Mond. Viele Geologen bezweifeln mittlerweile, dass die Auswahl der gesammelten Gesteine wirklich ausreicht und damit auch die Zeitskala des Sonnensystems neu aufgestellt werden müsste: Wann genau endete die Zeit der großen Einschläge auf den Planeten und Monden – und wann konnte auf der Erde Leben entstehen?
"Der Mond hat den Vorteil, dass er alle seine Einschlagskrater, also Kollisionen seiner Vergangenheit, immer noch bewahrt hat. Auf der Erde werden die ja immer wieder verändert und in den Untergrund geschoben oder aufgeschmolzen. Hier ist alles weg, was vorher passiert ist. Auf dem Mond ist das alles noch da."
Auf der Mondrückseite oder in den Kratern an den Polen des Mondes ist noch nie eine Raumsonde gelandet. Ralf Jaumann hätte nichts dagegen, frische Gesteinsproben von dort in die Finger zu bekommen.
"Ich würde nicht nein sagen. Wenn Sie mir eine Probe geben, ganz egal von wo, würde ich wetten, die wäre wissenschaftlich interessant. Das ist völlig klar."
Der Termin des chinesischen Neujahrsfestes richtet sich nach dem Lauf des Mondes
Wieviel Wasser steckt wirklich im lunaren Gestein? (NASA)
Wie viel Wasser steckt wirklich im lunaren Gestein?
Der Mond, das ist pures, unberührtes, uraltes Gestein. Ein geologisches Eldorado. Und es werden chinesische Forscher sein, die es neu erschließen. Spätestens 2019 dürften erstmals seit 40 Jahren zwei Kilogramm Mondgestein zur Erde gebracht werden. Es sind Pläne, die auch die NASA lange gehegt, aber nie umgesetzt hat, sagt Clive Neal von der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana.
Clive Neal: "Mit der Raumsonde Chang'e 4 gehen die Chinesen zuerst auf die Rückseite des Mondes, vermutlich in das Südpol-Aitkin-Becken. Und der Nachfolger Chang'e 5 wird einige junge Basaltgesteine auf der Vorderseite besuchen und feststellen, ob es vor einer Milliarde Jahren noch bedeutsame Magnetfelder auf dem Mond gab."
Die Pläne gehen aber längst auch darüber hinaus: Wie viel Wasser steckt wirklich im lunaren Gestein? China ergründet damit eine entscheidende Bedingung für eine Mondbasis. Denn jeder von der Erde mitgebrachte Liter Wasser für künftige Bewohner wäre extrem teuer. Es gibt neue Erkenntnisse, die nun näher erforscht werden müssten.
"Wir dachten, der Mond sei trocken. Aber als wir die Analysewerkzeuge hatten, uns die Gesteine noch detaillierter anzusehen, entdeckten wir einen völlig neuen Mond."
Mondsonden lieferten in den letzten zwei Jahrzehnten Daten, aus denen globale Karten zur chemischen Zusammensetzung entstanden. Gezielt auf den Mond gelenkte Sonden bestätigten den Befund: In den obersten Metern des Mondstaubs ist ein wenig Wassereis vorhanden. Und selbst die für trocken gehaltenen Gesteinsproben aus der Apollo-Ära waren noch für eine Überraschung gut.
"Wir wissen heute, dass es auf dem Mond Regionen gibt, in denen flüchtige Stoffe ebenso häufig vorkommen wie im Erdmantel, im Inneren der Erde. Das ist ein wirklicher Paradigmenwechsel in der Wissenschaft."
Vermutlich existiert nur wenig reines Wassereis. Aber es bestünde die Möglichkeit, Wasser herzustellen: In ständig beschatteten Kratern an den Polen steckt Wasserstoff im Regolith, dazu gibt es reichlich Sauerstoff.
Andrew Jones: "Ich habe mich mit einer Forscherin von der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie unterhalten, die an Entwürfen für eine bemannte Basis auf dem Mond arbeitet. Ich war mir sicher, sie würde mit mir gar nicht darüber sprechen wollen. Aber dann habe ich sie gefragt, was sie speziell an Chang'e 5 interessiert: Wenn die Raumsonde diese Proben zur Erde bringt, welche Fragen sollen daran untersucht werden? Und sie sagte mir: Wir würden diese Proben gerne daraufhin testen, wie wir daraus Sauerstoff für eine Basis gewinnen können."
Während sich chinesische Forscher also längst mit den Herausforderungen einer Mondbasis auseinandersetzen, geht es bei den anderen Raumfahrtnationen nicht so recht voran. Die Idee, zum Mond zurückzufliegen, hatte schon George Bush senior. Und auch sein Sohn, George W. Bush.
Falcon Heavy liefert doppelt so viel Schub
Doch all diese Pläne wurden irgendwann eingemottet, weil andere Ziele wichtiger wurden. Seit Jahren diskutieren die Vertreter der USA, Russlands, Japans, Kanadas und der Europäischen Raumfahrtagentur auch über eine Raumstation im Mondorbit. Der Name des Projekts: Deep Space Gateway - das Tor zum Weltraum. Doch das Deep Space Gateway wäre kaum ein Zehntel so groß wie die aktuelle Internationalen Raumstation. Ausflüge von dort zur Mondoberfläche wären wegen der anvisierten Umlaufbahn schwierig.
Clive Neal: "Ich bin nicht völlig aus dem Häuschen wegen des Deep Space Gateways. Aber ich glaube, wir könnten es an einen Punkt bringen, von dem aus sich Forschung und Erkundung des Mondes als logische nächste Schritte ergeben. Nur momentan sieht es danach aus, als würden wir schlicht die Internationale Raumstation in die Nähe des Mondes verschieben, nur um die Leute weiter beschäftigen zu können, die wissen, wie man eine Raumstation betreibt. Und das finde ich nicht wirklich logisch, wenn Menschen eigentlich jenseits des Erdorbits planetare Oberflächen erforschen wollen."
Immerhin tut sich bei der Logistik so einiges: Lange gab es keine Raketen, um Menschen oder gar hunderte Tonnen Nahrung, Wasser, Habitate, Fahrzeuge oder Werkzeug zum Erdtrabanten zu bringen. Die alte Mondrakete Saturn V war längst eingemottet. Und ein neuer Träger nicht verfügbar. Das ist heute anders.
Am 6. Februar 2018 hebt sich die Falcon Heavy in den Orbit, die neue Rakete der Raumfahrtfirma SpaceX. Sie liefert doppelt so viel Schub wie die zuvor stärkste Rakete auf dem Markt. Und doch ist sie für Firmenchef Elon Musk nur ein Zwischenschritt der Raketen-Gigantomanie. Denn er plant den Aufbruch der Menschheit ins Planetensystem.
"We can send something up to orbit that is almost nine meters in diameter."
Neun Meter im Durchmesser – und eine Nutzlastkapazität, die jene der Saturn V weit übersteigt. Das soll die sogenannte Big Falcon Rocket in mehreren Jahren schaffen.
"Die Big Falcon Rocket kann viel weiter fliegen, beispielsweise bis zum Mond. Wir können mit dieser Rakete Missionen auf der Mondoberfläche durchführen, ohne dort neuen Treibstoff herstellen zu müssen. Das erlaubt uns den Bau einer Mondbasis. Es ist 2017. Wir sollten längst eine Mondbasis haben. Was ist da los?"
Das Geld kommt nicht mehr nur aus staatlichen Haushalten
Bei all dieser Raketengigantomanie bleibt nur eine Frage: Wer soll für die neuen Riesenraketen bezahlen?
Auch die NASA entwickelt derzeit eine Schwerlastrakete. Jeder Flug dieser Giganten dürfte Milliarden US-Dollar kosten, eine Mondbasis, vielleicht sogar ein permanent bemanntes Monddorf sicher einige hundert Milliarden. Karsten Becker glaubt: Die privaten Anbieter können Lastflüge deutlich billiger machen als staatliche Raumfahrtagenturen das jemals konnten – und die neuen Mondpläne damit bezahlbar machen.
"Wenn man gewillt ist zu sagen, unsere erste Mission darf eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben, schief zu gehen, dann spart man mehr Geld, als eine zweite Mission kosten würde. Man sieht es ja bei SpaceX: Die sind, je nachdem wie man es rechnet, locker um einen Faktor sechs oder zehn unter dem, was die NASA ausgibt. Auch für unsere Mission gilt ja: Wenn die erste Mission fehlschlägt, ist es immer noch billiger, nochmal eine Mission zu machen als die ESA-Version der Mission zu fliegen. Das muss man sich halt überlegen."
"Ich habe da überhaupt nichts dagegen. Meine einzige Frage ist natürlich: Stimmt das wirklich?"
Ralf Jaumann hat ein Forscherleben lang an dutzenden Raumsonden jener vermeintlich überteuerten staatlich finanzierten Missionen mitgearbeitet.
"Ist es wirklich so: Wenn es die großen Organisationen machen, dann das kostet es Geld und wenn man es privat macht, kostet es kein Geld? Da müssen die großen Organisationen durchaus etwas falsch machen. Im Grunde genommen haben die aber einen immensen Erfolg. Wenn Sie die NASA angucken: Das ist eine riesige Erfolgsgeschichte und Erfolg kostet nun mal."
Doch die ökonomischen Bedingungen verändern sich, das Geld kommt nicht mehr nur aus staatlichen Haushalten: Luxemburg führte kürzlich ein Gesetz ein, das den Bergbau im All regelt – und zog damit Milliarden-schwere Investoren an. Zwei ehemalige Teilnehmer am Lunar XPrize wollen Rohstoffe auf Asteroiden und dem Mond fördern.
Clive Neal. "Wir müssen herausfinden, wie viel von diesen Rohstoffen existiert und wie viel davon leicht abzubauen ist. Davon hängen diese Businesspläne ab."
Der Mond hat eigene Ressourcen: Baumaterial, Wasser, Metalle oder Helium-3. Sie zur Erde zu bringen und zu verkaufen, bringt keinen Profit. Doch wenn es gelänge, dort Rohstoffe für den Mond zu gewinnen, würde sich das Transportkosten stark reduzieren. Die Ressourcen könnten nicht nur eine staatlich finanzierte Mondbasis versorgen, sondern auch zahlende Touristen. Bis es so weit ist, gilt es noch Vieles herauszufinden: Lassen sich Gebäude für Reisende mit 3D-Druckern aus Mondstaub kreieren? Ist Bergbau auf dem Mond möglich? Und wie ergiebig sind sie überhaupt, die Bodenschätze, dank derer sich die Mondfahrt von Mutter Erde abnabeln könnte?
"Wenn wir genug finden, können wir sie abbauen. Dann haben wir einen ganz neuen Wirtschaftszweig auf dem Mond. Wir bringen den Mond in unsere ökonomische Einflusssphäre. Das ist wichtig, denn wenn diese Wirtschaft erst einmal stimuliert ist, wird sie sich nachhaltig entwickeln; ohne nennenswerte Zuschüsse oder lediglich mit einer Anschubfinanzierung der Regierung."
Weltraummächte müssen an einem Strang ziehen
Werden sich auf dem Mond wirklich Geschäfte machen lassen? Oder wird am Ende doch kaum mehr entstehen als eine kleine Raumstation, die nur wenige Wochen im Jahr überhaupt besetzt ist, weil Flüge dorthin die Budgets der Raumfahrtagenturen sonst sprengen würden?
"Der Mond ist einfach das ideale Sprungbrett ins Weltall. Wir glauben, dass wir auf dem Mond einfach alle Technologie testen können, die man braucht, um eine Kolonie auf dem Mars zu realisieren. Und dass man ihn auch benutzen kann, um dann von dort aus quasi als Tankstelle weiter ins Weltall vorzustoßen."
Der Aufbruch des Menschen wird wohl nur gelingen, wenn die Weltraummächte an einem Strang ziehen. Selbst Indien schickt in diesen Tagen eine neue Raumsonde zum Mond – die Vereinigten Arabischen Emirate planen erste planetare Raumsonden, Australien hat eine eigene Raumfahrtagentur gegründet. Mitstreiter gäbe es also reichlich. Doch ob sich der Traum vom Moon Village so schnell erfüllt, steht weiter in den Sternen. Denn mit China und den USA können ausgerechnet die zwei größten und zahlungskräftigsten Akteure derzeit gar nicht zusammenarbeiten. Planetologe Clive Neal:
"Wir US-Forscher müssen bei einer bilateralen Zusammenarbeit mit China vorsichtig sein, weil das im Moment illegal ist. Dieses Gesetz muss geändert werden. Und hoffentlich wird es sich in nicht allzu ferner Zukunft auch ändern. Es verhindert momentan jede Kollaboration.
Der Mond symbolisiert den nächsten großen Schritt - darin sind sich die wichtigen Akteure im 21. Jahrhundert einig. Der kalte Krieg ist lange vorbei und wer dieses Mal der erste dort oben ist, sollte eigentlich keine Rolle mehr spielen. ESA-Chef Jan Wörner:
"Es gibt jetzt eine Diskussion, wer für welchen Bereich im All die Führung übernimmt. Die Chinesen sind interessiert, die Japaner, die Russen sowieso. Ich glaube, dass wir da auch in der Zukunft eine gemeinsame Sache hinbekommen, die uns in der Raumfahrt sehr eng aneinander bindet. Das ist sehr wichtig."
"Die ESA an sich ist ein Zusammenschluss von 23 europäischen Ländern. Das heißt, wir müssen jeden Tag in der ESA Brücken bauen zwischen den verschiedenen Ländern."
"Ich hoffe, dass wir wirklich noch internationaler werden"
ESA-Astronaut Matthias Maurer jedenfalls beschäftigt sich derzeit intensiv mit China.
"Und das können wir sehr gut und als kleiner Partner in einem großen Programm sind wir sehr flexibel aufgestellt. Wir haben in der Zusammenarbeit mit Russland sehr viele Erfahrungen sammeln können, aber auch mit der NASA und jetzt als ISS-Partner. Von daher denke ich, ist die ESA eigentlich der ideale Partner um als Brückenbildner auch nach China zu fungieren."
Maurer bereitet sich gerade auf seinen ersten Flug zur ISS vor. Und er lernt chinesisch. Im Sommer 2017 nahm er als erster Ausländer überhaupt an einem Überlebenstraining mit chinesischen Raumfahrern teil. Vielleicht gehört er zu einer neuen Generation von Raumfahrern, die in unbekannte Gefilde aufbricht: zu Zielen im Planetensystem – und zu neuen Partnern auf der Erde.
"Ich denke und ich hoffe, dass wir wirklich noch internationaler werden und dass wir China in das internationale Team in Richtung Mond mit einbinden können. Denn je weiter wir wegfliegen, desto komplexer wird das Ganze auch. Wir brauchen die ganzen Kompetenzen der unterschiedlichen Raumfahrtnationen und gemeinsam können wir viel, viel mehr erreichen, als wenn wir alles doppelt aufbauen."