Internierte Flüchtlinge in Libyen

"Menschen leiden unter einer totalen Hoffnungslosigkeit"

05:45 Minuten
In der Dunkelheit suchen mehrere Männer mit Taschenlampen in den Trümmern nach Opfern.
Bei dem Luftangriff auf ein Migrantenlager nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis hat es Anfang Juli viele Tote und Verletzte gegeben. © AFP/Mahmud TURKIA
Christoph Hey im Gespräch mit Marianne Allweis · 15.09.2019
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Zwangsarbeit, Gewalt, missglückte Mittelmeer-Überquerungen: Wer in den Internierungslagern in Libyen endet, hat keine Perspektive mehr, sagt Christoph Hey von "Ärzte ohne Grenzen". Die Bundesregierung müsse helfen.
Länder der Europäischen Union haben in den vergangenen Jahren ihre Rettungsoperationen im zentralen Mittelmeer zurückgefahren. Die Verantwortung wurde der libyschen Küstenwache Verantwortung übertragen.
Das hat seit 2017 zu einem deutlichen Rückgang der in Italien aus Afrika akommenden Flüchtlingen geführt. Laut den Vereinten Nationen wurden in diesem Jahr mehr als 6000 Migranten auf See von der libyschen Küstenwache aufgehalten und in das nordafrikanische Land zurückgebracht. Nicht selten landen diese Flüchtlige in Lagern.

45 Menschen auf 70 Quadratmetern

Ein solches Internierungslager in der libyschen Stadt Sintan hat Christoph Hey besucht. Von Juni bis September 2019 war er als Projektleiter der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" für die medizinische Hilfe in der Haftanlage tätig.
"Dort gibt es mitunter Räume, wo auf 70 Quadratmetern 45 Leute regelrecht zusammengepfercht sind", berichtet Hey. "Es gibt dort kein Tageslicht, die Frischluftzufuhr ist nicht gegeben, die Toiletten sind die Hälfte der Zeit kaputt, und die Menschen kommen sieben Tage die Woche nicht ins Freie."

Leiden unter "totaler Hoffnungslosigkeit"

Viele der Internierten hätten bereits vesucht, das Mittelmeer zu überqueren. Oftmals hätten sie viele Jahre Flucht hinter sich, seien Opfer von Vergewaltigung und Zwangsarbeit geworden.
"Das ist das Kernproblem, dass die Menschen eigentlich unter einer totalen Hoffnungslosigkeit leiden", sagt Hey. Die Internierten - darunter 130 Minderjährige - kämen aus Ländern, in denen teilweise auch Bürgerkriege herrschten. Sie könnten nicht mehr zurück in diese Länder - "und sie kommen auch nicht nach vorne", so Hey. "Die Menschen leiden, so wie wir denken, auch an psychischen Erkrankungen."

Menschen müssen evakuiert werden

Wegen der Bürgerkriegszustände im Land herrsche in Libyen keine Sicherheit. Vor wenigen Wochen sei in der Hauptstadt Tripolis ein Internierungslager bombardiert worden, wobei 60 Menschen ums Leben gekommen seien.
Hey appelliert an die deutsche Bundesregierung. Diese müsse sich dafür einsetzen, dass das Leid vor Ort in diesen Lagern gemindert wird und dass die Menschen aus diesen Lagern evakuiert werden.
(huc)
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