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"Unsere Unternehmensspitzen müssen bunter werden"

Die Sprecherin der Frauen in der Unions-Fraktion, Rita Pawelski, legt den 30 DAX-Unternehmen nahe, freiwillig mehr Frauen in ihre Führungsspitzen zu holen. Andernfalls werde die Politik noch deutlich stärkeren Druck ausüben müssen, sagt sie.

Rita Pawelski im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 17.10.2011
    Tobias Armbrüster: Brauchen deutsche Unternehmen eine Frauenquote? Und wenn ja, wie hoch soll der Frauenanteil sein? Die Frage wird heute Mittag in Berlin gestellt, dort werden sich Vertreter der 30 DAX-Unternehmen mit mehreren Ministern der schwarz-gelben Koalition treffen. Die Unternehmensvertreter sollen dabei vor allem sagen, welchen Frauenanteil sie in ihren einzelnen Unternehmen erreichen möchten.
    Am Telefon ist Rita Pawelski. Sie ist Sprecherin der Frauen in der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Frau Pawelski.

    Rita Pawelski: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Pawelski, was erwarten Sie von diesem Treffen heute Mittag?

    Pawelski: …, dass ein Durchbruch sich entwickelt für Frauen in Führungspositionen, und wenn ich von Frauen in Führungspositionen rede, dann meine ich nicht nur die Frauen im oberen Management, sondern ich meine ausdrücklich die Frauen in den Vorständen und in den Aufsichtsräten.

    Armbrüster: Wie soll denn so ein Durchbruch aussehen?

    Pawelski: Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie heute ganz klar definieren, wie viel Frauen sie demnächst auch in Vorständen und Aufsichtsräten berücksichtigen wollen.

    Armbrüster: Warum brauchen wir eine solche Quote, eine solche Voraussage für eine Quote?

    Pawelski: Wir brauchen Unternehmen, die erfolgreich und wirklich mit einem festen Willen mehr Frauen in ihren Unternehmen entwickeln wollen, weil es bewiesen ist – es gibt da ja viele Wirtschaftsstudien -, dass geschlechtergemischte Unternehmensführungen besser sind als rein männerdominierte, und darum ist es gut für die deutschen Unternehmen, wenn sie Frauen mehr berücksichtigen, auch vor dem Hinblick der demographischen Entwicklung, Fachkräftemangel. Wir müssen die Frauen fördern, wir müssen sie berücksichtigen und wir müssen zulassen, dass sie auch in den Vorständen und Aufsichtsräten sind.

    Armbrüster: Reicht es denn dann aus, Frau Pawelski, wenn man da der Wirtschaft sozusagen freie Hand lässt, oder brauchen die vielleicht ein bisschen Druck?

    Pawelski: Sie brauchen Druck, und was da Druck erzeugt, das haben wir in dem letzten Jahr gesehen. Die Gruppe der Frauen hat vor 14 Monaten einen Beschluss gefasst zur Frauen in Führungspositionen, sie haben einen Stufenplan bis hin zur Quote entwickelt, und als wir diesen Plan aufgestellt haben, gab es zwei Frauen in den Vorständen, mittlerweile sind es sieben.

    Armbrüster: Das heißt, Sie wollen konkrete Vorgaben machen für die Unternehmen, wie viele Frauen sie in Führungspositionen beschäftigen sollen?

    Pawelski: Unser Endziel ist eine Quote von 30 Prozent, die 2018 erreicht sein sollte. Aber wir sind mit einem ersten Schritt, mit einer Flexiquote für Vorstände, nicht für Aufsichtsräte, wären wir einverstanden, wenn es dann eine deutliche zweistellige Zahl ist.

    Armbrüster: Das klingt jetzt alles nach Zwang, Frau Pawelski.

    Pawelski: Druck!

    Armbrüster: Druck.

    Pawelski: Zwang ist es, wenn wir Gesetze erlassen, ist ja meist ein Zwang dahinter. Wer zahlt schon freiwillig Steuern? Auch das ist ja ein gewisser Zwang, oder?

    Armbrüster: Aber meinen Sie, kann man mit Zwang wirklich wirtschaftlichen Erfolg erreichen?

    Pawelski: Da in der Vergangenheit in dem Bereich wenig getan wurde, aber klar ist, dass wir die Frauen in den Führungspositionen brauchen, denke ich, müssen wir einen gewissen Zwang ausüben. Aber noch mal: ich sage nicht Zwang, sondern ich sage Druck, und durch Druck entwickelt sich etwas. Und allein, dass sich heute 30 DAX-Unternehmen treffen, um über das Thema zu reden, und zwar nicht das erste, sondern das zweite Mal, beweist, dass unser Papier schon Erfolg hat, dass wir auf dem richtigen Wege sind, dass sie sehen, wenn sie von alleine nichts machen, kommt wirklich dann eine starre feste Quote.

    Armbrüster: Nun gibt es ja, was die Frauenquote angeht, in der Bundesregierung zwei sehr unterschiedliche Positionen. Da ist einmal die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, sie möchte die Flexiquote, Sie haben die angesprochen, also dass jedes Unternehmen sozusagen für sich selbst festlegen kann, wie viele Frauen es in Führungsetagen beschäftigt. Und dann ist da die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, sie will eine feste Quote. Wo stehen Sie mit Ihrem Vorschlag?

    Pawelski: Ursula von der Leyen unterstützt unser Papier, das wir entwickelt haben. Wir haben eine feste Quote vorgesehen. Aber wir wollen unsere Familienministerin und Frauenministerin Kristina Schröder auf ihrem Weg begleiten. Noch mal: Wenn es der erste Schritt sein kann, wirklich Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten, nicht in allgemeinen Führungspositionen, sondern ganz ausdrücklich in diesen beiden Positionen, unterzubringen, wenn wir dort eine höhere Beteiligung von Frauen sehen, dann kann es für eine gewisse Zeit eine Flexiquote geben. Aber klar muss sein, dass zu einem bestimmten Datum die 30 Prozent erreicht sein müssen.

    Armbrüster: Das heißt, da meinen Sie, da müsste Kristina Schröder noch mal nachbessern?

    Pawelski: Ich kenne nicht ihr genaues Papier, ich kenne den Gesetzentwurf noch nicht. Wir müssen schauen, was drinsteht, und dann müssen wir uns darüber unterhalten. Und wie gesagt: Es geht kein Gesetz aus dem Parlament so raus, wie es reingekommen ist.

    Armbrüster: Es gibt, Frau Pawelski, gegen alle Quotenbemühungen allerdings auch eine Menge Widerstand. Auch viele Frauen sind dagegen, zum Beispiel die Hauptgeschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Gabriele Sons. Sie hat sich strikt dagegen ausgesprochen und gesagt, so was sei Unsinn und außerdem ein Risiko, weil mit einer solchen Quote ganz neue Vorstandsressorts geschaffen werden, die es bislang gar nicht gab und die auch nicht gebraucht werden. Was sagen Sie dazu?

    Pawelski: Es gibt ja ganz viele Vorurteile gegen die Quote und da werden ja auch viele konstruiert, damit man Frauen abschreckt. Noch mal ganz deutlich: Eine Quote ist nur eine Hilfskrücke, um Frauen in bestimmte Ämter zu bringen. Nachher müssen sie selbstverständlich Leistung bringen, sie müssen kompetent sein. Eine Quote ist kein Regenschirm, der die Frauen ständig schützt, sondern sie müssen nachher natürlich dann auch ihre Frau stehen. Aber wir brauchen eben eine Quote, um Frauen durch die gläserne Decke kommen zu lassen und in die Ämter reinzubringen.

    Und natürlich gibt es Frauen, die sagen, wir brauchen das nicht. Das sind oft die Frauen, die es schon geschafft haben. Aber Hunderte Frauen schaffen es nicht, weil sie die gläserne Decke nicht durchstoßen können. Und wir haben mittlerweile in den Universitäten, in den bestimmten Bereichen mehr gut ausgebildete Frauen. Sie verlassen mit besseren Abschlüssen die Universitäten, sie sind in den Assessmentcentern besser als die Männer. Und sie sollen nicht in der Lage sein, wirklich einen Vorstandsposten zu erfüllen, auszufüllen? Das kann ich mir nicht vorstellen und ich glaube das einfach nicht, weil wir haben gute Unternehmerinnen im Mittelstand und der Mittelstand zeigt uns, dass es durchaus mit Frauen geht. Über 25 Prozent der Führungspositionen im Mittelstand sind Frauen und da läuft es oft besser als in den großen Unternehmen.

    Armbrüster: Sie haben jetzt gesagt, Frau Pawelski, die Frauen müssen sich in diesen Posten bewähren. Können Sie sich dann vorstellen, mal angenommen, sie bewähren sich nicht, dass man eine Quote auch wieder absenkt?

    Pawelski: Wir wollen, dass die Quote gänzlich abgeschafft wird, wenn dann die 30 Prozent erreicht sind. Das ist ja kein Dauerzustand. Aber man muss erst mal den Frauen eine Möglichkeit geben, eben zu beweisen, dass sie es können. Und zurzeit ist es ja so, es werden ja die Positionen, auf die man sich ja nicht bewerben kann, sondern man wird berufen, nach einem Ähnlichkeitskriterium besetzt. Also man nimmt den, der einem ähnlich ist, und das sind ja dann in der Regel Männer. Darum haben Frauen zurzeit kaum eine Chance, überhaupt in diese Positionen zu kommen.

    Armbrüster: Und dann können wir in einigen Jahren davon ausgehen, dass dann Frauen nach ähnlichen Kriterien ihre Nachfolger bestimmen?

    Pawelski: Wenn es dann ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gibt, ja.

    Armbrüster: Das heißt, Frauen werden auch wieder Netzwerke schaffen und dann Männer rauslassen?

    Pawelski: So wie das jetzt Männer machen.

    Armbrüster: Das heißt, da haben Sie keine Hoffnung, dass sich daran etwas ändert?

    Pawelski: Es sollte sich was ändern. Wir brauchen nicht nur Frauen, wir brauchen auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund, mit einem ausländischen Hintergrund in den Unternehmen, wir brauchen mehr junge Menschen. Unsere Unternehmensspitzen müssen bunter werden, so wie das in anderen Ländern schon möglich ist.

    Aber schauen wir doch mal die Länder zum Beispiel wie Norwegen. Norwegen hat als erstes Land eine Quote eingeführt. Mittlerweile ist es so, dass selbst die Unternehmen, die nicht unter das Gesetz fallen, Frauen in Führungspositionen übernehmen, weil sie merken, dass es dadurch ihren Unternehmen besser geht, dass das soziale Klima in den Unternehmen besser wird, dass das Unternehmen sich besser entwickelt, und von diesen Ländern kann man doch nur lernen. Frankreich hat eine Quote bestellt, Belgien, Österreich, Italien wollen eine Quote einführen. Viviane Reding, die europäische Justizkommissarin, hat ganz deutlich gesagt, dass sie, wenn bis 2012 sich das nicht ändert, eine Quote auf europäischer Ebene einführen will. Das sollten wir alles bei der Beratung dieses Gesetzes im Hinterkopf haben.

    Armbrüster: Wir werden darüber sicher heute im Laufe des Tages noch mehrfach hören. Im Bundesarbeitsministerium diskutieren heute Unternehmensvertreter gemeinsam mit der Bundesregierung über die Frauenquote in börsennotierten Firmen. Wir sprachen darüber mit Rita Pawelski. Sie ist Sprecherin der Frauen in der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Besten Dank, Frau Pawelski, für das Gespräch.

    Pawelski: Ich danke Ihnen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.