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Unsicherer Job bremst Kinderwunsch

Akademiker haben weniger Kinder als der Durchschnitt der Bevölkerung. Und das nicht etwa, weil die Zeit zur Kinderbetreuung fehlt, sondern weil Wissenschaftler oft in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen.

Von Karl-Heinz Heinemann | 06.10.2009
    Haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an den Hochschulen beschäftigt sind, weniger Kinder als andere Leute? Die Antwort von Sigrid Metz-Göckel ist eindeutig:

    "Ja! Die Wissenschaftlerinnen sind horrend seltener Mütter."

    Die emeritierte Professorin am Hochschuldidaktischen Zentrum der Technischen Universität Dortmund, hat mit ihrem Team die Personaldaten und die Besoldungsstatistiken aller Hochschulen in acht Bundesländern durchforstet, denn nur aus den Besoldungsdaten geht hervor, welcher Hochschulbeschäftigte auch Kinder hat. Sie stellte ihrer Ergebnisse auf der Bonner Tagung vor. Wie viele Wissenschaftler bekommen nun Kinder?

    "Es gab immer die Diskussion in der Öffentlichkeit der hohen Kinderlosigkeit der Akademikerinnen. Da war eine Zahl von 40 Prozent in der Diskussion. Bei unserer Population muss man sagen, im Mittelbau, das ist eine Altersgruppe von 22 bis 44 sind 73 Prozent ohne Kinder."

    Wissenschaftlerinnen sind deutlich häufiger kinderlos als ihre männlichen Pendants. Nur wer es geschafft hat, Professor zu werden, der leistet sich Kinder: 62 Prozent der männlichen Professoren haben Kinder. Von den immer noch relativ wenigen Frauen, die den sicheren Hafen einer Professur erreicht haben, ist es nur ein Drittel, das den Mut zu einem Kind hat.

    Die Dortmunder Hochschulforscherinnen haben die Zahlen von 1998 und 2006 verglichen und dabei festgestellt, dass in der Zeit nicht nur das Personal an den Hochschulen zugenommen hat, sondern dass dabei auch der Frauenanteil von 21 auf 28 Prozent wuchs. Doch die meisten kamen in prekäre Beschäftigungsverhältnisse: fast 80 Prozent im wissenschaftlichen Mittelbau sind nur befristet beschäftigt, Frauen häufiger als Männer, immer mehr arbeiten mit Teilzeitverträgen. Und das ist die Hauptursache für Kinderlosigkeit, meint Sigrid Metz-Göckel:

    "Bei den Männern eindeutig die Teilzeit, 90 Prozent der Männer in Teilzeitjobs sind kinderlos. Und die Teilzeit hat rasant zugenommen. Die unsichere Perspektive, denn der Mittelbau hat deutlich weniger Kinder im umgekehrten Verhältnis als die Professoren."

    In der zweiten Studie, die auf der Bonner Tagung vorgestellt wurde, haben Inken Lind und Kathrin Samjeske vom Bonner Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften über 8000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach ihren Erfahrungen, Wünschen und Schwierigkeiten befragt. Inken Lind:

    "Man kriegt ja auch nicht nur einfach ein Kind, weil man endlich eine feste Stelle hat. Wir haben einen privaten Faktoren, das Wichtigste ist einfach Partnerschaft. Und das macht in der Wissenschaft jetzt auch nicht leichter, denn Mobilität ist gefragt, zum Teil müssen Beziehungen auf Distanz geführt werden, insgesamt sind Beziehungen in der Gesellschaft brüchiger geworden."

    Inken Lind hat auch nach der Rollenverteilung in den Partnerschaften gefragt, und ihr Ergebnis ist ernüchternd. Bei den kinderlosen Paaren geht es noch partnerschaftlicher zu als in denen mit Kindern. Kommen Kinder, dann gibt es im Haushalt mehr zu tun, und dann fallen auch die aufgeklärten Wissenschaftler in traditionelle Rollenmuster zurück. Sind nun Frauen und Männer, die Wissenschaft und Elternschaft unter einen Hut bringen, wirklich stärker belastet als die Kinderlosen? Die Antwort darauf ist erstaunlich:

    "In der Tat ist es so, das keine andere Gruppe so wenig erschöpft ist wie die Väter. Das kann man jetzt aber wahrscheinlich nicht darauf zurückführen, dass Vaterschaft so wenig anstrengend ist, sondern das korreliert sicherlich ein bisschen mit dem vorherrschenden Rollenverteilung, die wir dort immer noch haben. Die erschöpfteste Gruppe in unserer Stichprobe waren die kinderlosen Frauen. Frauen sind erschöpfter als Männer, kinderlose Frauen besonders."

    Wie erschöpft sich jemand fühlt hängt davon ab, wie er mit seiner Work-Life-Balance zufrieden ist. Wissenschaftler, und vor allem Wissenschaftlerinnen mit Kindern sind offenbar die mutigeren und belastbareren.

    Das Fazit auf dieser Tagung: Dass Hochschulen Krippenplätze für ihre Angestellten bereit halten ist schön und gut, aber nicht das Entscheidende.

    Es sind die unsicheren Arbeitsbedingungen, die den wissenschaftlichen Nachwuchs daran hindern, selbst Nachwuchs zu bekommen.