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Unsichtbare Kräfte

Astronomie. - Die sogenannte Dunkle Materie ist eines der größten Rätsel der Astronomie. Offenbar dominiert sie die Schwerkraftverhältnisse im Universum, aber nachzuweisen ist sie mit optischen Instrumenten eben nicht. Das Fachmagazin "Nature" berichtet heute von einem amerikanischen Astronomenteam, das indirekt eine ganze Galaxie nachgewiesen hat, die komplett aus Dunkler Materie aufgebaut ist.

Von Guido Meyer | 19.01.2012
    Es mag zwar kein Bier auf Hawaii geben, dafür aber eines der leistungsstärksten Fernrohre der Welt, das Keck Teleskop. Mit seiner Hilfe haben Astronomen zehn Milliarden Lichtjahre weit ins Weltall hinausgeschaut. Das Licht aus diesem Gebiet des Kosmos‘ also hat sich vor zehn Milliarden Jahren auf den Weg Richtung Erde gemacht – und damit zu einer Zeit, als es diese noch gar nicht gab. Dort haben Astronomen eine Galaxie entdeckt, die damit zu den am weitesten entfernten überhaupt gehört. Und sie ist dunkel, unsichtbar für das menschliche Auge.

    "Wir haben diese Galaxie nicht im optischen Spektrum gefunden. Sie strahlt kein Licht ab, da sie komplett aus Dunkler Materie besteht. Durch ihre Gravitationswirkung verrät sie sich jedoch. Sie übt durch ihre Schwerkraft einen Einfluss auf benachbarte Galaxien aus. Somit konnten wir sie indirekt nachweisen."

    Die Astronomin Simona Vegetti von der Abteilung für Physik am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. Der Gravitationslinseneffekt kam den Kosmologen hier zuhilfe. Dabei verändert eine Galaxie im Vordergrund durch ihre Schwerkraft das Licht einer anderen Galaxie, die sich weiter entfernt hinter ihr befindet – und zwar so, dass scheinbar ein Ring aus Licht entsteht.

    "Befindet sich zusätzlich nun eine kleinere Satellitengalaxie in der Nähe der vorderen, verändert sie durch ihren Schwerkrafteinfluss die Form des Licht-Rings. Er ist nicht mehr perfekt rund. Genau das haben wir entdeckt."

    Und das ist auch das einzige, was die Astronomen von dieser Satellitengalaxie entdeckt haben. Licht geht von ihr keines aus – sei es, weil ihre Sterne nur schwach leuchten oder sie bereits ausgebrannt sind.

    "Vielleicht befinden sich nicht viele Sterne in dieser kleinen Galaxie. Sicher ist, dass in ihr die Dunkle Materie die dominante Kraft ist. Deswegen ist die gesamte Galaxie so gut wie dunkel. Wir können viel Masse nachweisen, sehen sie aber nicht."

    Astronomen glauben, dass Dunkle Materie die Basis für die Entstehung aller Galaxien ist. Interstellares Gas gerät in ihren Bann und verdichtet sich zu Sternen. Wird kein Gas von der Dunklen Materie angezogen, bleiben diese Masseansammlungen dunkel. Computersimulationen zeigen, dass Satellitengalaxien bei der Entstehung von Galaxien die Regel sein sollten. Vegetti:

    "Allein unsere Milchstraße sollte etwa 10.000 solcher Begleiter haben. Doch wenn wir uns unsere Galaxie ansehen, entdecken wir nur dreißig. Die Frage ist also: Wo sind all die fehlenden Satellitengalaxien? Existieren sie, und wir sehen sie nur nicht, weil es in ihnen nur Dunkle Materie aber keine Sterne gibt? Oder gibt es sie gar nicht?"

    Sollten in den nächsten Jahren nicht mehr solcher dunklen, kleinen aber massereichen Objekte nachgewiesen werden, hieße das, dass sich die Kosmologen – wieder einmal – anderer Modelle bedienen müssten, um die rätselhafte Dunkle Materie zu erklären.