Freitag, 29. März 2024

Archiv

"Unsongs" des Norwegers Moddi
Aus der Giftkammer

Als der Singer-Songwriter Moddi vor zwei Jahren heftig kritisiert wurde, weil er plante, ein Konzert in Israel zu geben, war die Idee zu einer neuen Platte geboren. Inhalt: Protestsongs. Jetzt ist sein neues Album mit dem Titel "Unsongs" erschienen.

Von Agnes Bührig | 17.09.2016
    Der norwegische Sänger Pål Moddi Knutsen und die norwegische Musikerin Ofelia Østrem Ossum im Maschinenhaus in Berlin.
    Moddi und die norwegische Musikerin Ofelia Østrem Ossum im Maschinenhaus in Berlin. (dpa-Zentralbild)
    Moddi, steht barfuß auf der Bühne. Wuschelige, blonde Haare, eine Countrygitarre vor dem Bauch, im Gesicht ein Ausdruck von Unschuld. Er singt von einem mutigen israelischen Offizier: Eli Geva, der seine Männer im Libanonkrieg 1982 nicht verheizen wollte und dafür aus der Armee entlassen wurde. Diesen Protestsong vorzutragen, das wurde der norwegischen Sängerin Brigitte Grimsrud in Israel 1982 untersagt. Für Moddi der Anstoß zu seinem neuen Album "Unsongs".
    "Auf der Platte habe ich zwölf Songs ausgewählt, die nicht von vornherein politisch waren. Sie wurden es aber, als sie zensiert wurden. Es ist zum Beispiel ein Kinderlied aus Mexiko darunter, das auch als Kommentar zum Drogenhandel gelesen werden kann. Als die mexikanische Regierung es verbot, wurde es politisch", sagt Moddi.
    Es sind Lieder, für die Menschen ermordet, ins Gefängnis gebracht oder einfach nur ignoriert wurden. Weil sie zur Revolution in Algerien aufriefen oder die Unterdrückung von Minderheiten kritisierten. So wie der Text zu "The Shaman and the Thief". Er handelt von der Kolonisierung Nordeuropas, mit der die Volksgruppe der Saami ihr Land verlor. Moddi singt den Titel mit Mari Boine - selbst eine samische Sängerin.
    Song über umstrittene Landnahme
    Auch der Song "A matter of Habit" handelt indirekt von umstrittener Landnahme. Er stammt vom israelischen Singer-Songwriter Izhar Ashdot. 2012 veröffentlicht, als kritischer Kommentar zur israelischen Armee, löste er in seiner Heimat Diskussionen aus. Aus dem landesweiten Radio der israelischen Streitkräfte wurde er verbannt:
    "Learning to kill is a matter of habit
    The more you have done it, the better you're at it
    It starts on the alleys of Sechem at night
    The borderlines blur in the evening light"
    "Musik ist eine Universalsprache, aber man kann mit ihr kein Friedensabkommen schließen", sagt Moddi.
    "Ich glaube aber, dass wir Frieden bekommen können, wenn wir über unsere Meinungsunterschiede sprechen. Und da sind diese Lieder ein goldener Schlüssel, sich direkt mit den Konflikten auseinanderzusetzen. Über Dinge zu sprechen, die man normalerweise nicht bespricht. Dazu bietet die Musik einen Weg."
    Einen Weg, wie ihn die Band Pussy Riot 2012 wählte, als sie in den Altarbereich einer russisch-orthodoxen Kirche in Moskau eindrang. Mit einer Art Punk-Gebet geißelte sie die Allianz von Staat und Kirche in Russland - und landete dafür im Gefängnis.
    Coverversion von Pussy Riots "Punk Prayer"
    Moddis "Punk Prayer" klingt ganz anders als das Original. Die wilde Punk-Musik ist in ein nachdenkliches Singer-Songwriter-Stück verwandelt, in der Ferne ist Orgelakustik zu vernehmen. Damit alle Stücke im Album zusammenpassen, hat Moddi sie stark bearbeitet. "Einige Songs sind in Melodie und Struktur gleich geblieben, andere habe ich ganz neu geschrieben und übersetzt, ohne darüber nachzudenken, ob sie dem Original gleichen", sagt Moddi.
    "Dann haben zwei norwegische Komponisten die Arrangements für Streichorchester dazu geschrieben. Die Idee ist, dass ich mit meiner Gitarre um die Welt reisen und von Orchestern begleitet werden kann, um die verbotenen Lieder zu spielen."
    Kontroverse Songs, in der friedlichen Akustik der Singer-Songwriter-Tradition freundlich glatt gebügelt: Mit der politischen Kraft der Originalsongs hat das leider nicht mehr viel zu tun. Vielmehr handelt es sich bei den Liedern auf "Unsongs" um gut gemachte und gut hörbare Unterhaltung. Moddis Idee ist verdienstvoll, aber authentischer wirkt er, wenn er in seinen selbst geschriebenen Songs von seinem eigenen Lebensgefühl singt.
    Tourdaten in Deutschland: 24.09.2016 Emergent Sounds Festival in Köln, 06.10.2016 Silent Green in Berlin, 07.10.2016 Häkken in Hamburg, 08.10.2016 Bedroom Disco in Darmstadt