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Unter Beobachtung

Einen Reisebus voller Journalisten führt Kurt Beck zur diesjährigen Sommertour nach Mainz und Rheinhessen. Weit weg scheint der Nürburgring. Doch das für Beck zurzeit politisch heikelste Thema ist immer mit an Bord.

Von Ludger Fittkau | 16.08.2012
    Kurt Beck ist ein gelöster und entspannter Reiseführer. Im grauen Anzug und weißen Hemd hat er die Journalisten auf seiner diesjährigen Sommerreise nicht dahin geführt, wo gerade die Lichter ausgehen in Rheinland-Pfalz, am Nürburgring nämlich. Im Gegenteil. Der Ministerpräsident geht lieber auf Nummer sicher und präsentiert einen allseits anerkannten Leuchtturm des Landes: die Mainzer Gutenberg-Universität, die im gerade zu Ende gegangen Exzellenzwettbewerb des Bundes eine gute Figur gemacht hat. Eine solche macht heute aber auch Kurt Beck. Das finden Marc Widmann von der "Süddeutschen" und Daniel Friedrich Sturm von der "Welt":

    "Er ist fröhlich, er hat uns heute morgen mit einem strahlenden Lachen begrüßt, und er will auch fröhlich sein und zeigen, dass er hier noch voll im Saft steht, sozusagen."

    "Er macht einen relativ gelösten Eindruck, was erstaunlich ist bei den Problemen, die er ja hat, Stichwort Nürburgring. Wir hatten ja von Berlin aus den Eindruck, dass er jetzt sehr unter Druck steht hier in Rheinland-Pfalz, so wie er ja einst als SPD-Vorsitzender ja auch massiv unter Druck gestanden hatte."

    Während die Journalisten aus der Hauptstadt im Weinkeller der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei nach ihrer Anreise ihr zweites Frühstück nehmen, erzählt Beck noch ohne Mikrofone, dass er schon am frühen Morgen mit Opel-Betriebsräten über die Zukunft des gefährdeten Unternehmens gesprochen hat. Anschließend habe er mit den Staatskanzleien anderer Bundesländer über die SPD-Haltung zum Steuerabkommen mit der Schweiz verhandelt. Auch das für ihn zurzeit politisch besonders heikle Thema Nürburgring spricht er von sich aus an. Thomas Holl von der "FAZ" beschreibt nach den ersten beiden Stunden Sommertour, wie er Beck wahrnimmt:

    "Er wirkt erholt, er war ja zwei Wochen an der Mosel, er wirkt aufgeräumt. Er sieht sich wieder als wichtigen Mitspieler der SPD auf nationaler Ebene, hat sehr ausführlich als Koordinator der SPD-Länder die kritische Haltung zu dem Schweizer Steuerabkommen noch mal formuliert. Also von Demut oder Selbstzweifel oder Angeschlagensein, wie man es noch in der Sondersitzung Nürburgring gesehen hat, keine Spur."

    Die schlechten Nachrichten zum Nürburgring, der vor genau vier Wochen Insolvenz anmelden musste, holen den SPD-Politiker jedoch auch heute ein. Am Morgen wird gemeldet, dass die wirtschaftlich weitgehend erfolglosen privaten Pächter der Rennbahn dem Insolvenzverwalter nun keine Pacht mehr zahlen. Diese Pächter halten - trotz Kündigung durch das Land als Eigentümer des Rings - immer noch das operative Geschäft an der Rennbahn in der Hand und drohen nun, das Insolvenzverfahren zu blockieren. Das lässt Kurt Beck natürlich nicht kalt, war er es doch, der vor zwei Jahren diese heute ungeliebten privaten Betreiber an den Ring geholt hat. Nun muss das Land als Gläubiger darauf hoffen, dass die beiden Insolvenzverwalter sich in dem Konflikt behaupten können. Kurt Beck:

    "Es ist so, dass wir ja rechtlich ja klare Positionen haben. Der Geschäftsführer und der Sachwalter, wie das bei einer eigengeführten Insolvenz heißt, werden die Aufgaben erfüllen. Aber sie informieren und, wie das das Recht vorsieht, und insofern bin ich sehr sicher, dass die beiden Herren und ihre Büros auch sehr wehrhaft sein werden."

    Wehren muss sich Kurt Beck auch – gegen den Angriff der rheinland-pfälzischen Landtagsopposition. Wegen der Nürburgring-Pleite will die CDU Ende August ein Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten durchführen. Mit Hilfe des grünen Koalitionspartners wird es Beck wohl abwehren können. Doch ob er das Thema Nürburgring damit auch abräumen kann? Zumindest klammert er das Thema beim Besuch der überregionalen Presse nicht aus, registriert Thomas Holl von der "Frankfurter Allgemeinen":

    "Er geht offensiv damit um. Vielleicht auch mit der Erleichterung, dass er nicht mehr dafür zuständig ist, sondern der Insolvenzverwalter und er auch inhaltlich dazu keine Stellung mehr nehmen muss zu aktuellen Fragen, wie etwa heute der Streit mit den Pächtern, die keine Pacht mehr zahlen wollen. Man muss sagen, er hat das Thema zumindest nach außen, für die Journalisten, für die Öffentlichkeit, als Negativthema für sich abgehakt. Und geht damit relativ entspannt um, muss man sagen, bis zur nächsten Pleite vielleicht."

    Weiter geht Becks Sommertour im Reisebus über den Mainzer Uni-Campus. Das Bordmikrofon des Busses hat jetzt Uni-Präsident Georg Krausch übernommen:

    "Der Campus ist ein eigener Stadtteil, inklusive zweier Kirchen und entsprechenden Restaurationen … "

    Mit sichtlichem Stolz auf seine Vorzeigeuni sitzt Kurt Beck in den hinteren Reihen und erzählt, dass er gerade im Urlaub eine Georg-Forster-Biografie gelesen hat. Das passt, denn das nächste Uni-Gebäude, an dem der Bus hält, ist nach dem Universalgelehrten und Mainzer Jakobiner benannt. Hier gibt’s noch mal einen Imbiss. Dann übernimmt der MP wieder die Reiseleitung:

    "Vielen Dank, und ich muss leider unsere Gäste bitten, dass wir wieder in den Bus krabbeln. Und mit einem herzlichen Dank an die Universitätsleitung und alle, die uns begleitet haben, sagen wir gleichzeitig Wiedersehen."

    Die Fahrt geht ins rheinhessische Weinland. Räumlich gesehen ist der Nürburgring weit weg. Doch nur räumlich gesehen. Marc Widmann von der "Süddeutschen Zeitung":

    "Es ist ein Thema, das ihn glaube ich, bis zum Ende begleiten wird. Wenn man immer sagt, es wird gut enden, es wird ein Supererfolg, wir haben den Turnaround geschafft, und dann wird es eigentlich immer schlimmer. Dann ist das etwas, was einem später auf die Beine fällt, und er wird auch heute noch das eine oder andere Mal drauf angesprochen werden."

    Journalisten lassen nicht locker – das weiß der leidgeprüfte ehemalige SPD-Bundesvorsitzende. Amtsmüde – da sind sich die Kollegen einig – wirkt Beck übrigens nicht.

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