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Unter die Erde statt in die Atmosphäre

CCS steht für Carbon Capture and Storage: Kohlendioxidabscheidung und Lagerung. Mit Hilfe dieser Technik soll CO2 aus Verbrennungsprozessen der Industrie abgefangen und unterirdisch gespeichert werden. Viele Bundesländer wollen das aber nicht auf ihrem Gebiet zulassen.

Von Axel Flemming | 23.02.2011
    Oberste Priorität sei weiterhin die Sicherheit der Bevölkerung, so steht es in einem Positionspapier des Kabinetts von Ministerpräsident Matthias Platzeck. Und sein Wirtschaftsminister Ralf Christoffers sagt, wenn sich bei der Erkundung des Untergrundes herausstellen sollte, dass die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne, werde auch nicht gespeichert. Der Politiker der Partei die Linke fordert ein CCS-Gesetz, das zunächst auf Forschungs-, Pilot- und Demonstrationsanlagen in ganz Deutschland beschränkt sein sollte:

    "Wir sagen klar und deutlich, ein nationales CCS-Gesetz muss bundesweit gelten. Es kann keine versteckten Ausstiegsklauseln für Länder beinhalten."

    Damit geht der Streit zwischen Brandenburg und dem Bund um das geplante CCS-Gesetz weiter, das die Abtrennung und Verpressung von Kohlendioxid regeln soll. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte letzte Woche erklärt, dass die Bundesländer selbst entscheiden dürften, ob sie die CCS-Technik auf ihrem Gebiet zulassen. Die Regierung in Potsdam will einem Gesetz nicht zustimmen, dass quasi nur Brandenburg in die Pflicht nimmt oder nur in Brandenburg die Speicherung von Kohlendioxid zulässt. Argumentation: Die Versorgung mit Energie und der Klimaschutz ist eine nationale Aufgabe.

    "Völlig klar ist, dass die anfallende Menge von CO2, die es in Deutschland gibt, ich sag mal mit Sicherheit nicht nur in Deutschland gespeichert werden könnte, wenn es denn notwendig wäre. Deswegen sieht die CCS-Richtlinie der europäischen Union eine Erprobung und Demonstration vor, um die Möglichkeiten, Wirtschaftlichkeit und ökologische Folgewirkungen, regionale Folgewirkungen auszuloten. Es geht gegenwärtig um eine Speicherkapazität von drei Millionen Tonnen, das ist begrenzt."

    Denn derzeit bläst die Industrie der Bundesrepublik jährlich 60 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Kritiker befürchten, dass Brandenburg zum Experimentierfeld für die Technik werden könnte, die Betroffenen zu Versuchskaninchen. In Beeskow und Neutrebbin im Oderbruch, den Gemeinden, die für die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid vorgesehen sind, gibt es heftigen Widerstand bei der Bevölkerung. Denn bisher wird die Technologie nirgendwo anders in Deutschland erprobt.

    Und die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in denen besonders viele Lagerstätten möglich wären, wehren sich ausdrücklich gegen CO2-Lager auf ihrem Gebiet. Eine Mehrheit im Bundesrat scheint derzeit nicht gesichert. Schon 2009 war ein erster Anlauf an Schleswig-Holstein gescheitert. Die Grünen spotten, CCS sei kein Königsweg, sondern eine Sackgasse. Der Fraktionsvorsitzende Axel Vogel:

    "Ja wir begrüßen, dass eine Landesregierung, die immer danach sich drängt, Verantwortung zu übernehmen in bestimmten Bereichen, dass es jetzt ihr auch ermöglicht wird, Verantwortung zu übernehmen. Aber das möchte sie an der Stelle überhaupt nicht. Sie möchte die Verantwortung auf den Bund abschieben. Ich habe kein Problem damit, wenn der Bund sagt, die Länder entscheiden selber, ob bei ihnen eingelagert wird oder nicht, weil wir da eine klare Position haben: In diesem Bundesland wollen wir keine Einlagerung!"

    Die Linken stecken in einer Zwickmühle: Wirtschaftsminister Christoffers gilt als Verfechter der umstrittenen Technologie, Teile seiner eigenen Partei kritisieren ihn. Denn im Wahlkampf 2009 war man noch mit der Forderung nach einem langfristigen Ausstieg aus der Braunkohleförderung und gegen CCS angetreten. Die Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser:

    "Die Zwickmühle besteht darin, dass wir vor anderthalb Jahren fast einen Kompromiss ausgehandelt haben. Wir waren der Auffassung, dass wir CCS nicht zur Anwendung kommen müsste, weil sie für uns nicht zukunftsfähig ist. Jetzt bedeutet der Kompromiss Erforschung und Erprobung, zu diesen Formulierungen stehen wir."