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Untergang einer Kinonation

Die öffentliche Meinung im Iran ist die von Präsident Mahmud Ahmadineschad, und wer etwas anderes veröffentlichen will, dem ergeht es wie Amir Hassan Cheheltan: Sein jüngster Roman "Killing Americans in Teheran" wartet seit Monaten auf eine Druckerlaubnis der iranischen Regierung. Oder es ergeht einem wie den iranischen Filmemachern, die sich ziemlich geschickt anstellen, um der staatlichen Kontrolle im Land zu entgehen.

Von Martin Ebbing | 24.08.2008
    Jafar Panahi war schon immer erfindungsreich, wenn es darum ging, die iranische Zensur zu unterlaufen.

    Bei seinem letzten Film Offside hatte er einfach das Drehbuch unter dem Namen eines Freundes eingereicht, um eine Genehmigung zu erhalten. Das Thema des neuen Filmes, den er in diesem Jahr drehen wollte, war so gewählt, dass die Zensoren eigentlich keinen Anstoß nehmen konnten.

    "Vor anderthalb Jahren las ich ein Buch mit Kurzgeschichten über den Krieg zwischen dem Iran und dem Irak. Eine davon hatte es mir angetan. Sie erzählte vom letzten Tag des Krieges. Die Soldaten wollen von der Front nach Hause zurück, aber der Zug will sie nicht mitnehmen, weil er bereits überfüllt ist. Sie legen sich zum Schlafen auf die Schienen, weshalb der nächste Zug dann anhalten muss. Ich dachte, dies ist ein guter Stoff, den man erweitern könnte. Wir haben dann ein Drehbruch geschrieben, in dem die Fahrt in diesem Zug etwas über den Krieg erzählt."

    Der vom Irak aufgezwungene Krieg in den Jahren von 1980 bis 1988 ist bis heute für die offizielle Propaganda ein wichtiges Thema. Es wird dazu benutzt, an die Freiwilligen zu erinnern, die für die Verteidigung des Irans und die islamische Revolution ihr Leben gegeben haben, an die Opferbereitschaft zu appellieren und den Nationalstolz zu fördern.
    Panahi reichte das Drehbuch bei den einschlägigen Behörden ein, erhielt aber keine Antwort. Die Zeit drängte aber.

    "Der Krieg war im Sommer zu End und deshalb mussten wir auch im Sommer drehen. Wir brauchten mindestens zwei bis drei Monate um uns vorzubereiten, und als ich merkte, dass es zu spät wurde, habe ich einen offenen Brief geschrieben, in dem es hieß: "Diejenigen, die vom Krieg Besitz ergriffen, aber manchmal nie selbst am Krieg teilgenommen haben, haben den Film verhindert."

    Der Protest half natürlich nichts. Das Projekt ist gestorben.
    Panahi ist aus der Sicht des Regimes schlicht der falsche Mann für diesen Film.

    "Sie wissen, was für Filme ich mache. Ich mache soziale Filme und keine Propaganda, wie sie es wollen."

    Bevor Ahmadinejad Präsident wurde, hatten die Filmemacher im Iran es bereits nicht einfach, aber immerhin konnten sie mit einigen Schwierigkeiten noch ihre Filme drehen, die dann im Ausland Preise gewannen, aber in den iranischen Kinos nicht zu sehen waren.

    "Es dauerte neun Monate, bis ich die Drehgenehmigung für den "Kreis" bekam. Das war zu Anfang der Amtszeit von Reformpräsident Khatami. Damals wurde öffentlich in den Zeitungen gefragt, warum man mir keine Genehmigung geben wolle, und die Regierung gab schließlich nach. Der Film wurde aber nie im Kino gezeigt. Für "Crimson Gold" hatte ich auch eine Genehmigung, für "Offside" nicht, konnte ihn aber dennoch drehen. Beide Filme sind im Iran nicht in die Kinos gekommen."

    Mit Ahmadinejad haben sich die Bedingungen radikal verschärft. Das Kulturministerium verlangt schon den ersten Entwurf eines Drehbuches vorgelegt zu bekommen, und offensichtlich gibt es Regisseure, die prinzipiell keine Genehmigung mehr erhalten.

    "Das Wichtigste ist, wer den Film drehen will. Ich weiß, dass ich bei dieser Regierung, die alles einschränkt und dies auch öffentlich sagt, Schwierigkeiten bekommen werde, wenn ich nur einen Film über dieses Glas Saft auf dem Tisch drehen will."

    Es trifft nicht nur Jafar Panahi, sondern auch Regisseure wie Abbas Kirostami, Amir Naderi, Mohsen Makhmalbaf oder Bahman Ghobadi - alles Namen, die den internationalen Rang des iranischen Films verkörpern.
    Die goldenen Zeiten des iranischen Films drohen von der Zensur der Regierung Ahmadinejad erstickt zu werden.

    "Überall auf der Welt folgen einer golden Periode auch flaue Zeiten. Das hängt von der Situation des Landes ab. Man muss aber optimistisch bleiben. Ich sehe immer noch ein großes Potential unter all den Filmleuten, die hier im Iran arbeiten. Sie lieben das Kino und das ist die Form, in der sie sich ausdrücken. Deshalb glaube ich, dass es noch Hoffnung gibt, dass neue Wege gefunden werden."

    Auf keinen Fall will Panahi das Land verlassen, wie es ihm die Staatssicherheit schon einmal nahegelegt hatte.

    "Es ist besser für das Regime, wenn wir nicht mehr hier sind. Als ich vor ein paar Jahren zur Staatssicherheit gebracht haben, haben sie zu mir gesagt, verlass das Land. Bleib nicht hier!"

    Panahi denkt über neue Wege und Möglichkeiten nach.
    Sein Sohn Pana Panahi hat in diesen Tagen seinen ersten eigenen Film fertig gestellt. Er handelt von einer Polizeiaktion gegen die im Iran verbotenen Satellitenschüsseln. Alle Aufnahmen für diesen Film sind ganz ohne Genehmigung in der eigenen Wohnung gedreht worden.