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Untergetauchte RAF-Mitglieder
LKA veröffentlicht Fahndungsvideos

Vor bald 20 Jahren hat sich die Rote Armee Fraktion aufgelöst. Doch einige Mitglieder der sogenannten Dritten Generation leben immer noch im Untergrund und beschäftigen die Polizei regelmäßig. Jetzt hat die Polizei zusätzlich zu den bekannten Fotos Fahndungsvideos veröffentlicht.

Dietrich Mohaupt im Gespräch mit Sandro Schroeder | 13.11.2017
    Zwei Verdächtige, wahrscheinlich Burkhard Garweg (vorne) und Ernst-Volker Staub (hinten rechts) beim Besteigen eines Regionalbusses in Osnabrück
    Zwei Verdächtige, wahrscheinlich Burkhard Garweg (vorne) und Ernst-Volker Staub (hinten rechts) beim Besteigen eines Regionalbusses in Osnabrück (LKA Niedersachsen)
    Sandro Schroeder: Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette. Wahrscheinlich sind Ihnen diese drei Namen kein Begriff, jedenfalls nicht so wie die Namen: Andreas Baader. Gudrun Ensslin. Ulrike Meinhof. Die Rote Arme Fraktion, kurz RAF, verübte in den 1970er Jahren linksextremen Terror in Deutschland. Baader, Ensslin, Meinhof wurden deswegen zu deutschlandweit gesuchten und bekannten Terroristen. Jetzt, vierzig Jahre nach den ersten Anschlägen und bald zwanzig Jahre nach der offiziellen Auflösung der RAF, sucht die Polizei wieder nach Mitgliedern der Roten Armee Fraktion. Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat sich deswegen heute mit der Fahndung an die Öffentlichkeit gewandt. Dietrich Mohaupt verfolgt das Ganze in Niedersachsen für uns. Herr Mohaupt, wer sind Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette, nach denen gesucht wird?
    Dietrich Mohaupt: Die drei gehören zur sogenannten Dritten Generation der RAF – vermutlich sogar zur Kommando-Ebene dieser dritten Generation – Staub war in den 1980ern festgenommen und zu vier Jahren Haft verurteilt worden, war dann im Untergrund verschwunden – Daniela Klette wird als "Gefährtin" oder Freundin Staubs bezeichnet, die beiden sollen unter anderem zusammen mit Burkhard Garweg 1993 zum Beispiel einen Sprengstoffanschlag auf die JVA im hessischen Weiterstadt verübt haben. Später sollen insgesamt mindestens 9 bewaffnete Raubüberfälle auf das Konto der drei Gesuchten gehen. Unter anderem sollen sie im Juli 2015 einen Geldtransporter in Groß Mackenstedt bei Bremen überfallen haben – die Szene wird auch in einem der heute veröffentlichten Fahndungsvideos gezeigt – zu sehen ist, wie ein weißer VW-Bulli den Transporter in einer Grundstückseinfahrt blockiert und wie maskierte Personen den Geldtransporter aus automatischen Waffen beschießen. Die Täter waren damals wirklich schwer bewaffnet, die Polizei spricht von einer Panzerfaust und mindestens einem Kalaschnikow-Gewehr – Frank Federau, Sprecher des Landeskriminalamts Niedersachsen warnt deshalb eindringlich:
    "Wir wissen, dass dieses Trio insgesamt sehr gewalttätig ist, wir wissen sie schwer bewaffnet sind und deswegen sagen wir: Vorsicht vor diesem Trio. Sie könnten im Extremfall auch von der Schusswaffe Gebrauch machen."
    Öffentliche Fahndungsvideos
    Mohaupt: Deshalb die klare Warnung: Wer einen der Gesuchten erkennt – nicht ansprechen, Polizei rufen!
    Schroeder: Warum haben sich die Ermittler jetzt entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen?
    Mohaupt: Bereits im vergangenen Jahr wurden mehrere Fotos der Gesuchten veröffentlicht – bisher ist die Fahndung aber völlig erfolglos geblieben. Für die Behörden Rätsel – es gab Fotos, auf denen besonders Staub eigentlich gut zu erkennen ist, ein etwa 50-jähriger Mann mit Bart einem sehr markanten Merkmal, nämlich auffallend hervorstehende und schiefe Zähne. Aber keine Fahndungserfolge, deshalb jetzt mit Videos in der Öffentlichkeit, u.a. von einem Überfall auf einen Supermarkt in Hildesheim und von einer Überwachungskamera aus einem Bus in Osnabrück. Die Fahnder erhoffen sich, dass Zeugen die Männer vielleicht an der Art ihrer Bewegungen, ihres Gesamterscheinungsbildes wiedererkennen können, man setzt jetzt tatsächlich darauf, dass die Videos – also bewegte Bilder – zu mehr Hinweisen aus der Bevölkerung führen.
    Schroeder: Das Trio ist ja seit Jahren untergetaucht. Gibt es denn auch Hinweise auf einen möglichen Unterstützerkreis, der ihnen beim Untertauchen hilft?
    Theorien über Verbindungen
    Mohaupt: Konkrete Hinweise dazu gibt es nicht – aber Behörden vermuten schon, dass es aus den 70er und 80er Jahren noch Netzwerke in Deutschland gibt, die den Gesuchten jetzt das Leben im Untergrund erleichtern. Es gibt da offenbar Theorien über Verbindungen nach Süddeutschland, über Netzwerke eher im Norden Deutschlands – sehr konkret wollte Frank Federau vom Landeskriminalamt Niedersachsen in diesem Zusammenhang nicht werden. Gesucht werde nicht nur in Deutschland, betonte der LKA-Sprecher.
    "Es gibt die dritte Theorie und die wird von uns auch mit berücksichtigt. In den Verhandlungsmaßnahmen wissen wir von der RAF-Historie, dass es bezüglich des linksextremistischen Spektrums sehr gute Kontakte gegeben hat, Richtung Holland, Richtung Frankreich, Richtung Spanien und ETA et cetera. Vielleicht sind sie nach den Taten sehr schnell wieder zurück ins benachbarte Ausland gefahren."
    Schroeder: Die Arbeit des Landeskriminalamts wurde ja auch immer wieder kritisiert, von Ermittlungsfehlern war die Rede. Ist diese Kritik an den Behörden denn berechtigt?
    Mohaupt: Es gibt tatsächlich diese Kritik an den Ermittlungsbehörden – Grund: erfolglose Fahndung! So hatte es zum Beispiel im Sommer vergangenen Jahres einen Überfall gegeben, auf Geldtransporter in Cremlingen bei Wolfenbüttel – ein Zeuge hatte damals Staub sogar erkannt – vermutlich wollte er den Supermarkt auskundschaften – und die Polizei informiert. Die Ermittler legten sich bei dem Geschäft auf die Lauer – aber offenbar nicht lange genug. Als der Überfall dann tatsächlich stattfand, waren die Polizisten schon wieder abgezogen. Bei einem anderen Überfall soll die Polizei auf eine Ringfahndung im Umkreis des Tatorts verzichtet haben – auch das führte damals zu Kritik. Aber – für beide Fälle gilt wohl: hinterher ist man immer schlauer, von Ermittlungspannen will man bei den Ermittlungsbehörden nicht sprechen.

    Ergänzungen:
    Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette sollen 1993 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gefängnis im hessischen Weiterstadt verübt und seitdem mindestens neun bewaffnete Raubüberfälle begangen haben. Die bisherige Fahndung sei erfolglos geblieben, erklärte der Dlf-Niedersachsen-Korrespondent Dietrich Mohaupt in "Deutschland heute".
    Deshalb veröffentliche das ermittelnde Landeskriminalamt Niedersachsen nun unter anderem ein Video eines Überfalls auf einen Geldtransporter in Groß Mackenstedt bei Bremen, begangen im Juli 2015. Weitere Videos zeigen die Verdächtigen beim Überfall auf einen Supermarkt in Hildesheim und in einem Bus in Osnabrück.
    Die undatierten Fahndungsfotos des BKA zeigen die gesuchten Ex-RAF-Terroristen Burkhard Garweg, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette.
    So sahen die gesuchten Ex-RAF-Terroristen Burkhard Garweg, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Daniela Klette in jüngeren Jahren aus (dpa / picture alliance / Bka)
    Die Polizei erhoffe sich dadurch mehr Hinweise aus der Bevölkerung, sagte Mohaupt. Da die Verdächtigen mutmaßlich bewaffnet und gewaltbereit seien, warnen die Ermittler allerdings jeden, die Gesuchten anzusprechen. Wer einem der Verdächtigen begegne, solle sofort die Polizei rufen, sagt LKA-Sprecher Frank Federau in einem der Videos:
    "Deswegen bitte nicht selbstständig an diesen Personenkreis herantreten, sondern unverzüglich die Polizei informieren!"