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Unterlassungserklärung
NPD geht gegen ehrenamtlichen Radiosender vor

Der Thüringer NPD-Landesvorsitzende Tobias Kammler geht juristisch gegen den Erfurter Sender Radio F.R.E.I vor. Seiner Meinung nach hat das Bürgerradio gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Dass Rechte gerade gegen kleinere und ehrenamtliche Medien vorgehen, scheint Methode zu haben, vermuten Betroffene.

Von Stefanie Gerressen | 24.09.2016
    Teilnehmer einer Kundgebung der NPD, einer trägt eine NPD-Flagge.
    Bild von einer NPD-Demonstration am 1. Mai in Schwerin. (dpa / Jens Büttner)
    Seit sieben Jahren arbeitet Johannes Smettan ehrenamtlich für Radio F.R.E.I. in Erfurt. Vor knapp einem Jahr führte ihn eine Reportage nach Buttlar: ein kleines malerisches Dorf an der hessisch-thüringischen Grenze. Wie an vielen Orten werden auch hier auf einen Schlag etwa 50 Flüchtlinge untergebracht. Eine Zerreißprobe für die Dorfgemeinschaft. Smettan konzentriert sich in seiner Reportage auf die Helfer und erzählt ihre Geschichten. Wie diese:
    "Eine der Frauen, die den Flüchtlingen geholfen hat, sagt in dem Betrag, dass Herr Kammler und Co ihnen eben nicht das Dorfgemeinschaftshaus anzünden soll. Sie beschreibt die Angst, die sie hatte, als plötzlich Neonazis in dem Dorf auftauchten."
    Kammler ist ein Name, den man in Thüringen gut kennt: Es handelt sich um den Vorsitzenden der NPD Thüringen, Tobias Kammler. Politisch spielt die NPD zwar kaum noch eine Rolle in Thüringen. Aber sie ist auch hier eng vernetzt mit anderen rechtsextremen Organisationen wie der III. Weg oder die Identitäre Bewegung. Tobias Kammler sieht sich aber in der Buttlar-Reportage in einem falschen Zusammenhang.
    "Denn da drinnen wird ja gesagt, dass ich wohl in Buttlar vor dem Dorfgemeinschaftshaus gestanden hätte und dieses mit mehreren hätte anzünden können. Oder die noch einen Wachschutz gerufen hätten, der eben das verhindert hat, damit wir das Haus nicht anzünden können. Und das ist ja schon ein Vorwurf, dass ich einen Mord geplant hätte oder einen schweren Landfriedensbruch mit Brandstiftung – und das lasse ich eben nicht auf mir sitzen."
    NPD-Landesvorsitzender geht juristisch gegen Radiosender vor
    Kammler sei nicht einmal in Buttlar gewesen. Dass er als Kopf einer rechten Partei exemplarisch für etwas steht, vor dem Bürger Angst haben könnten, lässt er nicht gelten. Sein Anwalt hat deshalb Radio F.R.E.I. eine Unterlassungserklärung und eine Schadenersatzforderung geschickt. Beides lehnt Radio F.R.E.I. ab. Rechtlich ordnet Tim Staupendahl, der Anwalt von Radio F.R.E.I., die umstrittene Passage als Meinungsäußerung eines Dritten ein. Und nicht etwa als Schmähkritik.
    "Von diesem Bereich sind wir weit, weit entfernt. Eine Tatsachenbehauptung steckt überhaupt nicht in dem wörtlichen Zitat drin. Und von einer Schmähkritik sind wir ganz weit entfernt. Zumal selbst eine Kritik des Herrn Kammler wirklich nur um die Ecke gedacht werden könnte."
    Ist der Beitrag nun rechtmäßig oder nicht? Tobias Kammler klagt zwar nicht, aber er könnte es. Darum strebt Radio F.R.E.I. eine sogenannte negative Feststellungserklärung an. Ein Gericht soll eindeutig urteilen, ob der Beitrag rechtmäßig ist. Rückenwind kommt durch eine Art unerwartetes Gutachten. Autor Johannes Smettan hat für seine Reportage aus Buttlar jüngst den Bürgermedienpreis der Landesmedienanstalten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verliehen bekommen. Laut Jury eine herausragende journalistische Leistung:
    "Neben der handwerklichen Kompetenz und der unaufgeregten Art, in der die Gesprächsführung stattfindet, fasziniert dieser Radiobeitrag über die Art und Weise, wie ein hochgradig relevantes politisches Thema auf die Ebene einer Dorfgemeinschaft transportiert wird. Dafür unseren herzlichen Glückwünsch!"
    Der Prozess um die Buttlar-Reportage ist im Dezember. Die Kosten dafür kann das Erfurter Radio durch eine Spendenkampagne decken.
    Ähnlicher juristischer Streit auch bei anderen Radiosendern
    Einen ähnlichen juristischen Streit hatte jüngst auch das freie Radio Dreyeckland aus Freiburg im Breisgau mit einem AfD-Mitglied. Deren Geschäftsführer Michael Menzel sieht darin Methode von Rechten.
    "Es dreht sich darum, dass bestimmte Parteien aus dem rechten Spektrum versuchen wollen, die Deutungshoheit, wie sie wahrgenommen werden wollen in der Öffentlichkeit, mit allen Mitteln durchzusetzen. Wenn jemand rassistisch redet, will er nicht als rassistisch wahrgenommen werden."
    Und versuche, das auch gerichtlich durchzusetzen. Zum Teil mit Erfolg. Inzwischen sogar vorsorglich, erzählt Menzel: Immer häufiger bekäme Radio Dreyeckland sogar vor bestimmten Veranstaltungen aus dem rechten Spektrum Abmahnungen, damit Berichterstattung entsprechend angepasst würde. Das ist Johannes Smettan und Radio F.R.E.I. noch nicht passiert. Aber eine Masche vermutet auch Smettan. In seiner Berichterstattung fühlt er sich jedenfalls beeinflusst, sagt der 31-Jährige.
    "Selbst, wenn dann der Richter unserer Argumentation folgt und das so ausgeht, dass der Beitrag nicht zu beanstanden ist, werde ich noch wahrscheinlich ein, zwei Jahre lang immer, wenn ich einen Beitrag mache, darüber nachdenken, ob ich dieses Zitat so hineinnehme. Wie ich mit Namensnennung umgehe – also, das hat schon was verändert und das wird auch nach dem Gerichtsverfahren nicht anders sein."