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Unternehmen aus NRW
Die Technik, die den Diesel sauber machen soll

Das Unternehmen Twintec aus dem Ruhrgebiet ist überzeugt, dass sie die erforderliche Technik hat, um Diesel-Pkw per Nachrüstung sauberer zu machen. Doch verkaufen kann sie sie noch nicht: Denn trotz großer Nachfrage hat das Kraftfahrtbundesamt sie bisher nicht freigegeben.

Von Klaus Deuse | 08.09.2017
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    Das von der Firma Twintec entwickelte BNox-System reduziert den Stickoxid-Ausstoß (imago stock&people)
    In der weitläufigen, hohen Werkshalle von Twintec im Industriepark Witten schwillt der Geräuschpegel an.
    "Wir sind gerade dabei, ein neues Fahrzeug umzurüsten und passen die entsprechenden Einbaukomponenten an", erläutert Marcus Hausser beim Gang durch die mit Hebebühnen und diversen Messgeräten bestückte Halle. Der hochgewachsene Vorstandsvorsitzende der Baumot-Group zeigt dabei mit ausgestrecktem Arm auf ein Auto, das man nur selten auf Deutschlands Straßen sieht.
    "Hier haben wir zum Beispiel das typische schwarze Londoner Taxi. Ein Teil der Flotte soll ja elektrisch werden. Ein Teil eben. Die Diesel sollen vor allen Dingen auch sauber werden. Und das haben wir uns dann mal beschafft und sind gerade dabei, das auch umzubauen."
    Hausser ist Vorstandsvorsitzender der Baumot-Group mit Sitz in Königswinter, einer börsennotierten Technologie-Holding mit fünf Tochterunternehmen im Bereich Abgasnachbehandlung und Motorentwicklung. Für die Ansiedlung von Twintec in Witten habe man sich entschieden, da man hier in diesem Industriepark neben der entsprechend großen Halle auch ausreichend Raum für die Entwicklungsabteilung gefunden habe. Im ersten Stock des Gebäudes gegenüber, wohin sich Hausser in Jeans, sportlichen Sneakers und weißem, offenen Hemd begibt. Hinter der Tür arbeiten Ingenieure an passgenau zugeschnittenen Abgasbehandlungsmethoden. So auch für Diesel-Pkw, für die man das sogenannte BNox-System entwickelt hat. Schließlich besitzt man bei Twintec seit Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Abgasreinigung von Dieselmotoren bei Nutzfahrzeugen.
    System reduziert Stickoxid-Ausstoß
    "Die großen Motoren, die großen Kaliber. Baumaschinen, Landmaschinen, Stadtbusse, Überlandbusse, Lkw. Bis hin zu Schiffen", zählt Hauser auf. Im Zuge der Dieselaffäre stellte sich fast automatisch die Frage: Warum sollte das, was in Großfahrzeugen funktioniert, nicht auch für Pkw mit einem Dieselmotor nutzbar sein? Mit eben dem entwickelten BNox-System?
    "Das ist im Grunde ein sogenanntes SCR-System. Eine selektive katalytische Reaktion, die da herbeigeführt wird. Also ein Katalysator im Auto, der unglücklicherweise Ammoniak braucht, um die Stickoxide in Stickstoff und eben ungefährliche Gase zu verwandeln."
    Ein Nachrüstsystem, das den Stickoxid-Ausstoß älterer Dieselfahrzeuge reduziert. Und zwar drastisch. Ein mit dem BNox-System umgerüsteter Euro 5-Passat brachte es bei Testfahrten, die über Stadt-, Landstraßen und Autobahnabschnitte führte, auf einen nachgewiesenen Ausstoß von 49 Milligramm Stickoxid pro Kilometer. Damit schafft es BNox sogar noch unter den Grenzwert für Euro 6 von 80 Milligramm. Nachgemessen von unabhängigen Prüfern des ADAC. Zum Vergleich: Der herkömmliche Passat stieß mit 431 Milligramm fast die neunfache Menge aus. Allein durch ein Software-Update, wie es die deutschen Autohersteller beim Dieselgipfel zugesagt haben, ließe sich eine ähnlich effektive Abgasreduzierung wohl kaum erreichen, ist Marcus Hausser überzeugt.
    "Das Software-Update ist ein netter Versuch, hier ein bisschen Nebelkerzen zu werfen. Aber für das Gros der Fahrzeuge ist eine Nachrüstung rein mit Software schlichtweg nicht machbar. Wir sprechen hier über Verbesserungen der Emission mit zehn, vielleicht 15 Prozent. Und das ist schon hochgegriffen. Damit sind wir immer noch um Faktor vier oder fünf über dem Grenzwert."
    Abgase schon bei Kurzstrecken gereinigt
    Zurück in der Werkhalle beschreibt Thorsten Haake, der Leiter der Entwicklungsabteilung, an dem mit dem BNox-System ausgerüsteten Passat die einzelnen Bestandteile. Vom Koffer- bis zum Motorraum.
    "Bei diesem Fahrzeug haben wir den Tank für das AdBlue, für den Harnstoff, den wir benötigen, in die Reserveradmulde des Fahrzeugs eingebaut, um halt so platzsparend wie möglich den Tank einzubauen und den kompletten Kofferraum des Fahrzeugs unangetastet zu lassen."
    Das Kernstück des Systems, ein speziell entwickelter Generator, ist im Getriebetunnel verbaut. In diesem Bauteil wird das Adblue erhitzt und in Ammoniak umgewandelt, das dann als heißes Gas in den eigentlichen Katalysator geleitet wird. Um den Ammoniak-Generator auf Temperatur zu halten, schaltet sich bei Bedarf ein elektrischer Heizer hinzu. Selbst bei Kaltstarts setzt die Reinigung somit schon nach rund einer Minute ein, sagt Entwicklungsleiter Haake:
    "Unser System haben wir soweit ins Optimum hinein engineert, dass wir bei Strecken unter einem Kilometer schon beginnen können, die Abgase zu reinigen."
    System noch nicht vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt
    Das im Motorraum untergebrachte Steuergerät zur Dosierung ist kaum größer als ein Taschenrechner. Ein funktionstüchtiges Abgasreduzierungssystem, das in Serie gebaut werden könnte, zeigt sich Marcus Hausser überzeugt. Denn:
    "Wir haben bei der Entwicklung immer darauf geachtet, dass wir Großserienkomponenten verwenden. Zum einen wegen der Dauerhaltbarkeit, zum anderen aber auch natürlich wegen der Verfügbarkeit. Und nicht zuletzt auch wegen dem Preis."
    Den Preis beziffert Hausser auf rund 1.500 Euro, plus Einbaukosten. An potenziellen Kunden mangelt es jedenfalls nicht, hat Entwicklungsleiter Haake festgestellt.
    "Also wir haben des Öfteren schon Besuch von Privatpersonen gehabt, die ihr Fahrzeug umrüsten lassen wollen, um das Fahrzeug wirklich schon auf dem neuesten Stand der Technik zu haben und umweltbewusst mit ihrem Diesel fahren zu können."
    Doch diese Interessenten musste man unverrichteter Dinge wegschicken. Denn für dieses Nachrüstsystem fehlt bislang eine Typengenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Und die deutschen Automobilhersteller haben auch noch nicht angeklopft.
    Gefragt ist das Know-how des deutschen Unternehmens gleichwohl im Ausland. Nachhaltiges Interesse an dem BNox-System haben nämlich schon einige asiatische sowie europäische Autobauer signalisiert.