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Unterwasser-Roboter
Schwarmintelligenz untersucht Wasserqualität

In Venedig erforschen Roboter die Wasserqualität der Lagune. Eingesetzt werden sie in einem Schwarm, damit sie sich gegenseitig unterstützen und so detaillierte Auswertungen erstellen können. Der Lagunen-Tauchgang ist aber erst der Anfang: Die Forscher träumen bereits von weiteren Einsatzgebieten.

Von Jan-Christoph Kitzler | 19.09.2017
    Der Unterwasserroboter in der Lagune von Venedig
    In Zukunft sollen 120 bis 130 Unterwasserroboter durch die Lagune von Venedig schwimmen (Deutschlandfunk/Jan-Christoph Kitzler)
    Das, was da im Arsenale, dem alten Werfgelände von Venedig, zu Wasser gelassen wird, ist der Anfang von etwas Großem. 120 bis 130 Unterwasserroboter sollen hier einmal durchs Wasser schwimmen. Drei Typen gibt es, die der Natur wenigstens grob nachempfunden sind: oben schwimmt, wie ein Seerosenblatt, die Kommunikationszentrale. Hier werden Daten gesammelt, wird Energie für die Einsätze verteilt. Dann gibt es eine Art Fisch, der mit Sensoren und Kamera die Umgebung erforschen soll. Die eigentlichen Arbeitstiere aber sind die Robotermuscheln, erklärt Cesare Stefanini, der sie mit seinem Team in Pisa entwickelt hat:
    "Wenn sie oben treiben, können sie leicht kommunizieren, denn die Radiowellen funktionieren. In der Tiefe nicht, dann sind sie autonom, messen die Wasserqualität, die Klarheit, den PH-Wert. Und sie haben auch eine Kamera mit der sie den Zustand des Grundes untersuchen können. Sie können Tage oder Wochen untergetaucht bleiben."
    Und danach docken sie an den Roboter-Seerosen an, übertragen ihre Daten, die die neun Geräte an Bord gemessen haben und nehmen neuen Strom auf.
    Schwarm-Roboter für detaillierte Auswertung
    Klar, die Forscher aus sechs Ländern wollen etwas erfahren über den Zustand der Lagune von Venedig. Aber vor allem geht es darum zu zeigen, dass so ein großer Roboterschwarm überhaupt in der freien Natur funktioniert. Das könnte wegweisend sein, auch für andere Einsatzgebiete, sagt Thomas Schmickl, der Projektkoordinator von der Universität Graz:
    "Der Vorteil im Schwarm eine Aufgabe zu erledigen ist, dass man viel flexibler ist. Je weniger ich die Umgebung kenne, in der das System operieren soll, desto mehr Dinge können passieren, mit denen ich vorher nicht gerechnet habe. Und ein Schwarm überlebt das einfach viel besser, selbst wenn einige Mitglieder ausfallen, kann der Rest immer noch gut genug weiterarbeiten in der Regel."
    Schmickl ist ursprünglich ein Verhaltensbiologe, hat Bienen erforscht. Und jetzt bringt er mit seinem Team den Robotern die Lehren aus der Natur bei. Der Schwarm soll schließlich nicht ferngesteuert werden, sondern autonom unterwegs sein, und das verlangt auch autonome Entscheidungen. Roboterparlamentarismus nennt Schmickl das. Die Probleme kommen uns bekannt vor: wie zum Beispiel soll so ein Schwarm mit Fake News umgehen?
    Roboter in der Weltraumforschung
    Ein Fall ist zum Beispiel, wenn ein Roboter falsche Messwerte hat, weil ein Sensor kaputt gegangen ist. Und er muss nicht einmal kaputt sein, es kann ein Algenblatt, Seegras, irgendwas einfach darauf kleben, das ist alles unvorhersehbar in der freien Natur. Dann soll dieser eine Roboter, der falsche Messungen hat, jetzt nicht gleich den ganzen Schwarm in den Abgrund reißen, sondern es sollen andere kommen und mal überprüfen, ob das wirklich stimmt: kann man sich auf diese Info verlassen? Und solche Mechanismen schauen wir uns sehr, sehr stark von der Natur ab.
    Jetzt arbeiten sie an der Kommunikation und wollen nach und nach immer mehr Roboter zu Wasser lassen. Und Thomas Schmickl träumt schon von weiteren Einsatzgebieten seines Schwarms in der Weltraumforschung. Er erinnert an die Raumsonde Philae, die zwar vor drei Jahren auf einem Kometen gelandet war, ein gelandeter Schwarm wäre aber vermutlich erfolgreicher gewesen als Philae, sagt er:
    "Der ist zufällig im Schatten gelandet, Batterie leer und hat eigentlich keine Daten geliefert. Und man ist da zehn Jahre hingeflogen, hat Millionen investiert, in einen einzigen, nennen wir es einmal Roboter. Und hat halt leider Pech gehabt. Hätte man auf ein Schwarmrobotik-System gesetzt und mehrere Subsysteme, die vielleicht alle nicht so perfekt sind wie der eine, aber dafür mehrere. Dann wären vielleicht ein, zwei bei einer Klippe gelandet, aber die restlichen fünf, sechs, sieben - je nachdem, wie viele man geschickt hätte -, die hätten weitergearbeitet. Und man hätte wenigsten 70 Prozent der Daten bekommen. Besser als nichts."
    Von der Natur lernen heißt auch, die Roboter immer intelligenter und Autonomer zu machen. Im altehrwürdigen Venedig sind sie damit schon recht weit gekommen.