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Unwettergeschäfte
Ubimet will das Wetter noch berechenbarer machen

Mit Wettervorhersagen lässt sich Geld verdienen, denn fast jeder möchte schnell und zuverlässig wissen, wie das Wetter wird. Das Beispiel der österreichischen Firma "Ubimet" zeigt außerdem, dass Wetterprognosen immer präziser und treffsicherer werden.

Von Alexander Musik | 19.01.2018
    Eine Wetterstation mit Windmesser und Wetterfahne im Sonnenuntergang an der Besucherplattform des Aussichtsturmes in den Rauenschen Bergen
    Wetterstationen gibt es heute vor allem: digital (dpa picture alliance/ Patrick Pleul)
    Das 10. und 11. Stockwerk eines Hochhauses im Wiener Norden, nahe der Neuen Donau. Der grandiose Rundumblick sichert den Mitarbeitern von "Ubimet" beste Schauwerte, auch aufs aktuelle Wettergeschehen. An diesem Tag allerdings nur auf Nebel und Sprühregen. Andreas Hedrich ist einer von 250 Mitarbeitern weltweit. An seiner Bürotür steht das Kürzel "CTO" - Chief Technology Officer.
    "Generell kann man sagen, meteorologische Datenverarbeitung ist nicht nur extrem prozessorlastig, sondern auch extrem storage-lastig, wir verarbeiten jeden Tag in unseren drei Rechenzentren knapp 70 Terabyte an Daten, da geht's sehr viel darum, dass ich diese Daten nicht nur verarbeiten muss, sondern auch schnell verarbeiten muss. Wenn ein Blitz gemessen wird, z.B. hier in der Umgebung, dann ist der innerhalb von 35 Sekunden bei uns im System zu sehen, das zeigt schon, dass moderne Technologie hilft, dass Menschen schneller sicher werden."
    Melbourne, New York, München, Rennes
    70 Terabyte – das sind die Daten von 15.000 DVDs, die täglich verarbeitet werden. Auch, weil es viel zu teuer wäre, eine solche Datenmenge durch die knappen transatlantischen Internet-Leitungen zu schicken, betreibt "Ubimet" Niederlassungen in Melbourne, New York, München und im französischen Rennes. Der zweite Grund ist das Knowhow der Meteorologen vor Ort, sagt Michael Fassnauer, einer der beiden Gründer.
    "Man wird in Österreich und in Zentraleuropa keine guten Experten für Buschfeuer finden. In Australien wird man die aber finden. In Nordamerika findet man absolute Experten für Hurrikanes, für Blizzards und für Tornados. Das ist auch nicht unbedingt die Stärke der Europäer oder Zentraleuropäer. Wir hingegen sind sehr gut in Europa, was den Schneefall betrifft, was Niederschlagsereignisse betrifft und was Stürme betrifft."
    Fassnauer, 41 Jahre alt, ist studierter Chemiker, Mitgründer Manfred Spatzierer, 40, Meteorologe. Beide haben sich 1995 an der Uni, bei einer Physikvorlesung, kennengelernt. Sie beschlossen, aus ihren Kenntnissen übers Wetter und dessen Prognose ein Geschäft zu machen, das den staatlichen Wetterdiensten Konkurrenz machen sollte. "Ubimet" wollte präziser sein und bessere Dienstleistungen anbieten. Noch in den späten 1990er Jahren, sagt Spatzierer, waren komplette Fehlprognosen aufgrund falsch interpretierter Wettermodelle nicht ausgeschlossen.
    "Ich hab auf der Uni noch folgenden saloppen Spruch gelernt: 'Modell vertraut, Prognose verhaut'. In den letzten Jahren ist die Qualität unserer Modelle doch deutlich besser geworden, aber es reicht nicht, einfach die Simulation eines Modelles herunterzubeten und als die einzig seligmachende Wahrheit darzustellen."
    Slogan des Unternehmens: Aufs Wetter kommt's an
    Einige Zeit blieb es bei der Idee für "Ubimet" – bis zur Hochwasserkatastrophe von 2002 in mehreren Ländern Europas, die zahlreiche Menschenleben kostete und den Ausschlag gab.
    "Denn die damals österreichische Bevölkerung war gar nicht gewarnt und informiert und die deutsche Bevölkerung auch nur teilweise. Die Konsequenz daraus war, dass wir dann 2004 gemeinsam mit einem Schweizer Partnerunternehmen die 'Meteomedia' gegründet haben, die heute Ubimet heißt und von Manfred Spatzierer und mir auch seit dem Gründungsstart 2004 geführt wird."
    "Weather matters" - aufs Wetter kommt's an – so der Slogan des Unternehmens mit seinen gläsernen Büros und der großen Weltkugel im Foyer, auf der Satellitenbilder globaler Wetterphänomene zu sehen sind. In der sogenannten Unwetterzentrale, dem Herzstück der Firma, sitzt ein Dutzend junge Mitarbeiter vor ihren Bildschirmen, darunter der Meteorologe Florian Pfurtscheller.
    "Wir verwenden verschiedene meteorologische Daten, Satellitenbilder, Radardaten, Stationsdaten und unsere hausinternen Wettermodelle, um eben die Unwetterwarnungen zu bestellen, das wird von den Kollegen hier gerade gemacht."
    Verstehen sich als Idealisten
    Längst hätten die Beiden "Ubimet" an US-amerikanische Tech-Firmen verkaufen können; doch sie wollten unabhängig bleiben. Umsatzzahlen gibt man nicht bekannt, das Unternehmen wächst aber rasch. Der österreichische "Redbull"-Konzern hält 50 Prozent der Firmenanteile, zwei private Stiftungen sorgen dafür, dass "Ubimet" erhalten bleibt, falls einem der beiden Gründer etwas zustößt. Sicher, Spatzierer und Fassnauer wollen Geld verdienen. Dennoch verstehen sie sich als Idealisten, die etwas bewegen wollen. Daher sind sie besonders stolz, dass sie eine Ausschreibung der Vereinten Nationen gewonnen haben, die Wiener UNO-City ist übrigens gleich nebenan. Es geht um Wetterprognosen für die Länder Afrikas, eine große Herausforderung, sagt Fassnauer.
    "Es ist beinahe zynisch, dass in Ländern, in denen die Infrastruktur besonders schlecht ist, d.h. die Leute von bestimmten unwägbaren Wetterereignissen besonders stark betroffen sind, es so gut wie keine meteorologischen Systeme gibt. Wenn Sie sich einen Bauern vorstellen, der noch einen Teil seiner Ernte retten kann, bevor ihm der starke Niederschlag die Ernte wegspült, dann hat das für die Leute existenzielle Bedeutung. Daher macht das, was wir machen, auch Sinn."
    Was die Wetterprognosen den Kunden kosten, ist vertraulich und kann von mehreren Tausend Euro bis zu einer siebenstelligen Summe reichen. Mühsam und teuer kann auch der Einkauf von Daten bei staatlichen Wetterdiensten in ganz Europa werden. Da kommt es "Ubimet" zugute, über eigene Rechenzentren zu verfügen.