Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Ur-Wildschweine auf Zypern

Zoologie.- Landwirtschaft mit domestizierten Ziegen, Schafen oder Schweinen gehört zu den Entdeckungen, die den altsteinzeitlichen Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern machten. Lange hat die Ansicht vorgeherrscht, Domestizierung sei ein relativ schneller Prozess gewesen. Nun wird das bezweifelt.

Von Joachim Budde | 17.12.2009
    Das eingestürzte Felsendach von Aetokremnos im Süden Zyperns hat Archäologen wertvolle Funde preisgegeben. Neben den ältesten Spuren menschlicher Besiedlung auf der Insel fanden Ausgräber dort eine riesige Menge Tierknochen. Die meisten stammen vom zypriotischen Zwerg-Nilpferd. 18 weitere Knochen aus Aetokremnos haben französische und amerikanische Wissenschaftler jetzt genauer untersucht. Sie stammen von zwei Zwerg-Wildschweinen und sind zwischen 11.400 und 11.700 Jahre alt.

    Jetzt beginnt das Rätselraten: Wie sind Wildschweine auf die Insel gelangt? Die Fundstätten aus der letzten Kaltzeit enthielten zwar vielfältige Tierreste – von Wildschweinen aber keine Spur.

    Wildschweine sind gute Schwimmer und könnten vom Festland herübergeschwommen sein. Eher nicht, sagt Jean-Denis Vigne, Forschungsdirektor am französischen Nationalmuseum für Naturgeschichte in Paris.

    "Das ist sehr unwahrscheinlich. Denn der Abstand zum Festland betrug selbst am Ende der letzten Eiszeit, als der Wasserspiegel niedriger lag, mindestens 40 Kilometer, wahrscheinlich sogar 70 Kilometer. Und es ist weltweit kein Fall bekannt, in dem Wildschweine über so eine weite Strecke schwimmend eine Insel besiedelt hätten."

    Und doch zeigt der Zwergwuchs: Die beiden Wildschweine von Aetokremnos gehörten zu einer größeren Population auf der Insel. Als einzige Möglichkeit bleibt nach Vignes Überzeugung, dass Steinzeitmenschen Wildschweine herübergebracht und ausgesetzt haben.

    "Das interessanteste an dieser Entdeckung: Wir haben einen Beweis für etwas, was wir schon länger vermuteten: Lange bevor Menschen mit der Domestizierung Aussehen und Verhalten von Tieren veränderten, haben sie in bestimmten Gegenden der Erde begonnen, sich Tiere anzueignen, sie für sich noch als wilde Tiere zu nutzen."

    Für Greger Larson von der Archäologischen Abteilung an der britischen Universität Durham liefern die Ergebnisse seiner französischen Kollegen neuen Stoff für die Diskussion über die Domestizierung. Funde echter domestizierter Schweine vom Oberlauf des Euphrat hatten bisher die Vermutung nahegelegt, sie habe sich vor rund 9000 Jahren über einen relativ kurzen Zeitraum abgespielt. Dem widersprachen bisher vor allem Funde aus dem Tal des Tigris, die darauf hindeuten, dass der Prozess Jahrhunderte gedauert hat. Diese These bekommt jetzt mehr Gewicht, sagt Larson.

    "Ich denke, das Gute an dieser Studie ist: Statt zu sagen, Domestizierung hat vor 10.000 Jahren plötzlich stattgefunden, müssten wir jetzt von einer langen Vorphase sprechen. Dieser Vorlauf zwischen Ende der letzten Kaltzeit und Beginn der Jungsteinzeit wird zu wenig beachtet und erforscht. Ein Fehler, den die Studie zu berichtigen hilft. Und sie zeigt mir, dass bereits so früh in der Vorgeschichte Menschen aktiv in ihre Umwelt eingegriffen haben. Sie haben Wildschweine auf Inseln gebracht und die Tier- und Pflanzenwelt dort verändert."

    Ob vor Beginn der Jungsteinzeit ständig Menschen auf Zypern lebten, ob immer wieder Gruppen herüberkamen, die nach wenigen Generationen ausstarben, oder ob Menschen zu gelegentlichen Jagdexpeditionen von wenigen Monaten übersetzten, ist völlig unbekannt, sagt Jean-Denis Vigne.

    "Wir verfügen lediglich über Bruchstücke der Geschichte. Es ist aber sicher, dass Menschen schon zu Zeiten auf Zypern gelebt haben, für die wir keine archäologischen Indizien besitzen. Auch aus der Zeit dieser Wildschweine fehlen uns bisher jegliche Hinweise auf Menschen. All das bleibt völlig im Dunkeln. Wir sind gespannt auf weitere Funde."